Das lauteste Essen der Welt

IMG_6660_smallIm Urlaub macht man ja manchmal die seltsamsten Sachen. Zum Beispiel sind wir am Freitag freiwillig um halb sieben aufgestanden, um uns eine Stunde später durch den morgendlichen Berufsverkehr zu quälen. Unser Ziel war The Grove bzw. der Farmer’s Market, auf dem sich seit vielen Jahren eine Gruppe befreundeter Filmschaffender zu einer Art Frühschoppen trifft. Natürlich ohne den Alkohol, wir reden hier schließlich von Amerikanern.

Der Filmkritiker und Blogger, mit dem wir uns Mittwoch getroffen hatten, hatte uns dazu eingeladen, und es waren noch rund zehn andere Leute anwesend, darunter immerhin auch ein Oscarpreisträger. Unser Bekannter hatte es uns als eine Art Stammtisch alter Zausel verkauft, die von Hollywoods glorreichen Zeiten schwärmen, aber da hat er ein wenig übertrieben. Insgesamt war es eine muntere Runde, zu der u. a. ein Komiker gehörte, der Stammgast in einigen Sitcoms war und immer noch den einen oder anderen Auftritt absolviert, ein langjähriger Partner von Mel Brooks und ein jüngerer Filmschaffender, der gerade einen Film für Netflix abgedreht und sein Baby zum Treffen mitgebracht hat. Da wird wohl die neue Generation herangezogen …

Bei dem Treffen wurde viel über frühere Filme und die oft abenteuerlichen Dreharbeiten in exotischen Ländern mit aufständischen Komparsen, korrupten Polizisten und einer Filmcrew, die sich in einem Gefängnis verstecken muss, um nicht gelyncht zu werden, geredet, vor allem ging es aber um neue Produktionen und natürlich wurde auch ein wenig Klatsch und Tratsch aus der Branche ausgetauscht. Ich habe mich sehr lange mit einem Cutter unterhalten, der für zahlreiche Starregisseure gearbeitet hat (und eine Menge über sie zu erzählen hatte), so dass leider keine Zeit mehr blieb, mit einem Drehbuchautor zu sprechen, der Alfred Hitchcocks letzten Film geschrieben hat. Und damit meine ich nicht Familiengrab, sondern das Projekt, das Hitch danach angehen wollte, bevor er die Frechheit besaß, das Zeitliche zu segnen.

Insgesamt drei Stunden haben wir dort verbracht, übrigens am Paul Mazursky-Gedächtnis-Tisch, an dem dieser mit anderen Veteranen vor vielen Jahren diese Runde ins Leben gerufen hat. Danach haben wir uns bei Du-Par’s ein paar leckere Buttermilch-Pancakes gegönnt und das herrliche Sommerwetter genossen.

Der Samstag begann mit köstlichen Molletes und strahlendem Sonnenschein. Nachdem wir uns am Freitag wegen der Wochenendprognose den Trailer zu Upgrade angesehen hatten, wollte Mark G. ihn gerne sehen, so dass wir uns am späten Vormittag auf den Weg gemacht haben, um ihn in der Matinee anzuschauen. Wenn man am Vormittag ins Kino geht, hat das nicht nur den Vorteil, dass die Tickets nur die Hälfte kosten, sondern auch, dass man den Massen aus dem Weg gehen kann.

Zwei Dinge stören mich am Kinobesuch in den USA am meisten: der Geruch des Popcorns, das oft verbrannt riecht, und Leute, die zu viel reden. Und die Amerikaner lieben es, während des Films zu quatschen. Dummerweise hatte ich diesmal genau so einen Nachbarn, der unentwegt seine Gedanken zum Geschehen äußern musste. Er kommentierte die Trailer, jeden Plotpoint und überlegte lautstark, was der Held wohl als nächstes tun würde, falls er nicht gerade kurz zusammenfasste, was gerade geschehen war. Das Skurrilste daran war jedoch, dass er allein gekommen war und mit sich selbst sprach, und da der Film von einem Mann handelt, der einen Computer implantiert bekommt, mit dem er kommuniziert, hatte ich bisweilen das Gefühl, mein Nachbar würde ebenfalls über einen verfügen.

Nach dem Film dachten wir uns, das wäre doch eine wunderbare Gelegenheit, zum nahen Strand zu fahren und mit einem Spaziergang unseren Appetit anzuregen. Leider war auch ein paar anderen Leuten der Gedanke gekommen, an diesem schönen Tag zum Meer zu fahren, und weil die Autoschlange vor der Einfahrt zum Parkplatz bereits einen halben Block lang war, drehten wir auf der Stelle wieder um.

Der restliche Tag verlief ziemlich ereignislos, aber am Abend wollten wir koreanisch essen gehen. Das Lokal, von dem wir viel Gutes gehört hatten, war jedoch winzig, es besteht aus vielleicht zwanzig kleinen, runden Tischen, in deren Mitte ein Grill eingelassen ist. Stühle gibt es nicht, nur niedrige Hocker, die auf Dauer wahnsinnig unbequem werden, und wenn man wie ich nicht aufpasst und zudem kurze Hosen trägt, kann man sich sogar das Knie verbrennen. Außerdem war es laut, und damit meine ich, richtig LAUT. Schon an der Tür war der voll aufgedrehte K-Pop ohrenbetäubend, man konnte sich nur schreiend verständigen und verstand dennoch kaum die Hälfte. Angeblich mögen es die Koreaner so, und das Restaurant war trotz früher Stunde schon ziemlich voll.

Das Ambiente eines Restaurants ist mir zwar nicht so wichtig, aber am liebsten wäre ich gleich wieder gegangen, ich bin aber froh, dass ich es nicht getan habe, denn das Essen war verdammt lecker. Man muss allerdings schon sehr gerne Fleisch mögen, um sich bei einem solchen BBQ wohlzufühlen, denn man kann aus rund zwanzig angebotenen Arten von Rind-, Schweine- und Hühnerfleisch wählen, das sehr gut mariniert und teilweise auch scharf gewürzt ist. Dazu gibt es jede Menge Beilagen, natürlich das unvermeidliche Kimchi, aber auch eingelegten Rettich, Koriander, eine Art Krautsalat und andere, bisweilen undefinierbare Kleinigkeiten.

Alles, was wir hatten, war ausgesprochen lecker, mit einer Ausnahme: Hühnermägen. Weil ich das Wort (gizzard) nicht kannte, musste ich unsere Kellnerin fragen, und nachdem wir uns eine Weile erfolglos angeschrien hatten, deutete sie schließlich auf ihren Hintern. Immer noch ratlos, bestellten wir einfach und dachten uns, vielleicht sind es ja Hühnerhintern. Geschmacklich waren die Mägen relativ neutral, aber sie waren total knorpelig und zäh, und ich weiß nicht, wie die Koreaner das runterkriegen. Vielleicht mit viel Kimchi. Die anderen Innereien und Hälse und was sonst noch angeboten wurde, haben wir daher gar nicht erst probiert.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2018 und verschlagwortet mit von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.