Knasterfahrung

IMG_6654_smallFeiertage in den USA bedeuten vor allem eines: Shopping. An Memorial Day heißt es außerdem, jede Menge Fahnen rauszuhängen, zusätzlich zu der ohnehin schon allgegenwärtigen Beflaggung, und wer beim Militär gewesen ist, der lässt zusätzlich noch die Fahne seiner Waffengattung im Wind flattern. Für Europäer, insbesondere für uns Deutsche, ist dieser zur Schau gestellte Patriotismus immer ein bisschen verstörend, aber andere Länder, andere Sitten …

Ich kann nicht sagen, dass unser Wochenende besonders ereignisreich gewesen wäre. Da wir für unsere Gastgeber kochen wollten, gingen wir am Samstag Lebensmittel einkaufen, eine Tätigkeit, die ich schon in Deutschland nicht besonders gern mag, hier aber aufgrund der weiten Entfernungen und der Tatsache, dass man sich in den Geschäften nicht auskennt, noch viel nerviger ist. Wir haben den restlichen Samstag (das Einkaufen hat über zwei Stunden gedauert!) dementsprechend ermattet im Garten verbracht und uns wieder einmal darüber gewundert, wie still es doch inmitten einer Millionenmetropole sein kann.

Der Sonntag begann mit einem gemütlichen – Dessert. Frühstück kann man das fast nicht mehr nennen, denn es gab French Toast, Doughnuts und Bagels. Die nächsten Stunden verbrachten wir dann in der Küche mit der Zubereitung von Süßkartoffel-Gnocchi, Salat und Milchreis, und danach haben wir den restlichen Tag eigentlich nur mit Essen und Plaudern verbracht.

Feiertage legen die Amerikaner, die allesamt viel zu viel arbeiten und über keinerlei Work-Live-Balance verfügen, grundsätzlich auf einen Montag, damit man das verlängerte Wochenende auch mal für eine kurze Reise nutzen kann, da die meisten Arbeitnehmer nämlich nur über vierzehn Urlaubstage verfügt und mindestens die Hälfte davon dafür draufgeht, wenn man mal krank im Bett liegt. Irgendwie tun sie mir deswegen sogar leid, andererseits haben sie, zumindest hier in Kalifornien, wenigstens noch das unverschämt gute Wetter.

Am Montag haben wir selbiges genutzt und einen kleinen Ausflug zu einer Mall gemacht, weil ich immer noch nach einer leichten Jacke suche. Natürlich habe ich keine gefunden, da hier anscheinend keine Sommerjacken verkauft werden, zumindest keine wie ich sie suche, dafür aber jede Menge Regenjacken. Bin ich der einzige, der die Ironie darin erkennt? Schließlich regnet es hier ja so gut wie nie, aber anscheinend will jeder darauf vorbereitet sein.

Jedenfalls war es voll. Und wenn ich sage, dass es voll war, meine ich eigentlich damit, es war so voll wie in einem chinesischen Freibad im Sommer, und dieser Vergleich hinkt nicht einmal, denn es hatte den Anschein, als wäre halb Hongkong zum Einkaufen nach Los Angeles gereist. Keine Ahnung, ob die Flüge von China gerade besonders günstig sind oder sich einfach nur viele Bewohner aus dem Reich der Mitte dazu entschlossen haben, einen Shoppingurlaub in den USA zu verbringen, aber es war verblüffend, wie viele Asiaten unterwegs waren.

Nachdem wir uns einmal durch die Mall haben schieben lassen, beschlossen wir, dass wir der amerikanischen Einkaufstradition damit Genüge getan haben, und fuhren zur Plaza Mexico, um ausnahmsweise einmal allein unter Latinos zu sein. In einem Imbiss, in dem nur ein Gericht, nämlich gebratene Ziege, verkauft wird, haben wir einen späten Lunch zu uns genommen und unser Spanisch getestet, das praktisch nicht existent ist.

Weil ich wagemutig bin und gerne neue kulinarische Entdeckungen mache, wollte ich Tepache bestellen, eines der traditionellen mexikanischen Getränke, die man dort ordern kann. Unsere Kellnerin hat mich freundlicherweise gefragt, ob ich zuvor vielleicht einen kleinen Schluck probieren möchte, und das hätte mich schon misstrauisch werden lassen sollen. Als sie mir dann einen Becher mit einem Fingerbreit dieser braunen Flüssigkeit gebracht hat, dachte ich, es wäre ein süßes, nach Ananas schmeckendes Kaltgetränk, denn so ähnlich wurde es auf der Karte beschrieben (sogar nach einem Geheimrezept des Gründers des Restaurants). Tatsächlich hat es widerlich geschmeckt, ein bisschen wie Essig, der zu lange in der mexikanischen Sonne stand, oder wie etwas von der Ziege – aber nicht deren Milch …

Später habe ich erfahren, dass Tepache tatsächlich aus der Ananas gewonnen wird, aber aus deren Schale, die einige Wochen fermentiert wird. Wikipedia behauptet, es werde häufig in Gefängnissen hergestellt, und das glaube ich sofort, denn nur Häftlinge sind so verzweifelt, dass sie das Zeug freiwillig trinken. Immerhin die Ziege war wieder ziemlich lecker, allerdings nicht so gut wie beim letzten Mal. Nach dem Essen sind wir noch einmal durch die mexikanische Mall geschlendert, die im Grunde nur aus Souvenirshops, billigen Klamottenläden und ein paar Essensständen besteht. Muss man nicht gesehen haben, auch wenn die Anlage der Plaza Mexico wirklich sehr schön ist – aber darüber haben wir ja schon früher berichtet …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2018 und verschlagwortet mit von Pi Jay. Permanenter Link zum Eintrag.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.