Am Dienstag ging es weiter nach New Orleans. Die Strecke ist die meiste Zeit über recht unspektakulär, weil wir den Highway anstelle der Küstenstraße genommen haben, aber wir dachten uns, ein bisschen mehr Zeit in The Big Easy wiegt ein paar malerische Bayous und nicht ganz so pittoreske Industrieanlagen am Meer auf.
Unterwegs jagte uns unser Mietwagen noch einen kleinen Schrecken ein, denn er verlangte nach einem Ölwechsel. Wie groß ist die Wahrscheinlichkeit, dass das mit zwei Wagen innerhalb von vierzehn Tagen passiert? Sollten wir uns vielleicht Lotterielose kaufen? Nachdem Herr Google uns zuerst zu einer nicht existenten Filiale geschickt hatte und es in einer zweiten keine Ersatzwagen gab, hielten wir telefonisch Rücksprache mit der Mietwagenfirma und bekamen den Rat, den Hinweis einfach zu ignorieren und den Wagen bis Anfang Juni weiter zu nutzen. Oder bis die nächste Warnleuchte blinkt …
Als wir am Nachmittag endlich in New Orleans ankamen, war es drückend heiß. Die nächsten Tage bleibt es auch so, mit Temperaturen knapp unter der vierzig Grad-Grenze (in den Nachrichten sprach man von einer ungewöhnlichen Hitzewelle), die selbst in der Nacht noch bei kuscheligen sechsundzwanzig Grad liegen. Ich war noch nie so dankbar für eine Klimaanlage, auch wenn sie in den meisten Läden und Restaurant etwas zu kalt eingestellt sind. Und für Mark G., der sich eine leichte Erkältung eingefangen hat, dürfte der ständige Wechsel zwischen Heiß und Kalt auch nicht gerade zuträglich sein.
Unser Hotel ist ein altes Stadthaus im Garden District mit einem verwinkelten Innenhof und kleineren Nebengebäuden. Ein altes Gemäuer mit viel Charme, knarrenden Dielen und einem eigenartigen Geruch, wahrscheinlich der Odem der Geschichte. Aber wir sind nahe am Zentrum und gleichzeitig weit genug entfernt von der Partymeile Bourbon Street. Man könnte sogar zum French Quarter laufen – wenn es nicht so furchtbar heiß wäre und die Straßenbahn nur eine Querstraße weiter hielte. Außerdem sind die Tickets spottbillig: Für gerade mal drei Dollar darf man vierundzwanzig Stunden lang fahren so viel man will.
Die uralten, klapperigen und unglaublich lauten Straßenbahnen erinnern sofort an San Francisco, und auch die draußen vorbeiziehenden viktorianischen Häuser und Bürogebäude könnten genauso an der Westküste stehen. Mit geöffneten Fenstern durch die St. Charles Street zu fahren, ist jedenfalls ein unvergessliches Erlebnis, auch wenn die alten Wagen in den Kurven manchmal ohrenbetäubend laut quietschen.
Den Nachmittag haben wir damit verbracht, New Orleans zu erkunden, zumindest einen Teil des French Quarters. Aufgrund der vielen Filme, die hier gedreht wurden, hat man unweigerlich das Gefühl, bereits einmal dagewesen zu sein, nur wirkt alles viel enger und kleiner als auf der Leinwand. Dafür sind die Häuser mit ihren berühmten schmiedeeisernen Balkonen wunderschön anzusehen, an jeder Ecke gibt es interessante Geschichten zu hören, und aus jeder Bar perlt Jazz-Musik auf die Straße. Vor allem in der Bourbon Street gibt es einen Wettstreit der Bars und Restaurant miteinander, wer die lauteste Musik spielt. Hinzu kommen zahlreiche Musiker, die auf den Bürgersteigen spielen, und etliche farbige Jungen, die – ziemlich gut übrigens – auf Plastikeimern trommeln, um damit ihr Taschengeld aufzubessern. Musik liegt in der Luft.
Was sonst noch in der Luft liegt, ist weniger erfreulich, denn New Orleans stinkt gewaltig, was zum Teil sicherlich auch daran liegt, dass am Dienstag die Müllabfuhr unterwegs war. Ebenfalls unschön waren die vielen Obdachlosen, die alle paar Meter am Straßenrand saßen und bettelten. Ich kann mich nicht erinnern, jemals so viele in einer Stadt gesehen zu haben. Mehrere lagen sogar mitten auf dem Bürgersteig, um ein Schläfchen zu halten, so dass die Touristen über sie drübersteigen mussten. Ein trauriger Anblick.
Verglichen mit Savannah, das insgesamt gepflegter und sehr viel sauberer wirkt, kann New Orleans vor allem mit seinem rauen Charme punkten – und mit der allgegenwärtigen Musik. Wir haben uns am Abend noch für eine Stunde ins Café Beignet gesetzt, um einer der zahllosen Live-Bands zu lauschen, die ziemlich gut war. Mir hat es in diesem kleinen Hof, der sich etwas zu vollmundig Musical Legends Park nennt, auf jeden Fall sehr gut gefallen.
Beim Essen eine Stunde zuvor hatten wir diesmal leider kein glückliches Händchen. Wir landeten auf der Suche nach einem typischen Südstaaten-Restaurant in einem schicken Lokal, das sehr gute Bewertungen hatte, kulinarisch aber leider enttäuschte. Meine gebratenen grünen Tomaten waren noch ganz okay, das Gumbo jedoch schmeckte wie ein fades Gulasch, und auch Mark G.s Shrimps mit Grits waren bei weitem nicht so lecker wie in Savannah. Dafür waren die Preise nicht von schlechten Eltern.
Aber von solchen Kleinigkeiten lassen wir uns nicht entmutigen, schließlich gibt es noch so viel mehr zu entdecken und zu genießen …