Der Samstag begann mit einem architektonischen und kunsthistorischen Leckerbissen: Wir haben ein altes Haus besichtigt. Wie viele Häuser hier im Süden hat es auch einen Namen: Hay House. Streng genommen heißt es sogar Johnston-Felton-Hay-House nach seinen diversen Besitzern, wird aber auch ganz unbescheiden Palace of the South genannt.
Der Palast sieht von außen nicht unbedingt wie ein solcher aus, sondern wie eine gewöhnliche Stadtvilla im italienischen Renaissance-Revival-Stil. Da wir recht früh dran waren, wurde uns eine nahezu exklusive Tour gewährt, an der außer uns nur noch zwei Damen teilnahmen. Leider wird die Villa gerade einer umfangreichen Renovierung unterzogen, so dass nur das Erdgeschoss in altem Glanz erstrahlt. Die erste Etage ist eine Baustelle, aber man bekommt dennoch einen guten Eindruck vom Leben der Reichen im späten 19. Jahrhundert.
Der Erbauer war nicht nur Waffen-, sondern auch Uhrenfabrikant und hatte zudem eine Vorliebe für Kunst und Architektur. Und er liebte Komfort. So verfügte die Villa damals bereits über eine Zentralheizung, die an die Fußbodenheizung der antiken Römer angelehnt ist, Badezimmer mit fließendem Wasser, einen Fahrstuhl sowie ein ausgeklügeltes Belüftungssystem und eine Sprechanlage. Viele Ideen dazu brachten die Johnston, zusammen mit Unmengen an Kunstwerken, von ihrer dreieinhalbjährigen Hochzeitsreise nach Europa mit.
Nach diesem faszinierenden Einblick in die Vergangenheit unternahmen wir noch einen kleinen Spaziergang in Macons historischem Viertel, in dem sich noch weitere wunderschöne, alte Häuser befinden. Von der alten Pracht blieb erstaunlich viel erhalten, obwohl die Stadt im Bürgerkrieg mehrfach belagert und angegriffen wurde, weil sie wichtige Kriegsgüter hergestellt hat. Doch die Menschen hier konnten sich erfolgreich gegen die Unionisten verteidigen. Nur eine Kanonenkugel traf die Innenstadt – und kann noch heute im Eingangsbereich eines Hauses, in dem sich nun ein Museum befindet, besichtigt werden. Der Name der Villa ist entsprechend Cannonball House. Übrigens spricht hier auch niemand vom Bürgerkrieg, sondern sagt nur: The War Between the States.
Gegen Mittag verließen wir dann Macon, um weiter nach Savannah zu fahren. Auch wenn wir das Meer noch nicht sehen können, sind wir nun doch an der Ostküste angekommen und haben damit einmal das gesamte Land bzw. sogar einen ganzen Kontinent durchquert. Ich kann gar nicht sagen, warum ich das immer machen wollte, vielleicht um ein Gefühl für die Größe der USA zu bekommen, vielleicht um zu erahnen, welche Strapazen es gewesen sein müssen, als die Siedler ihre Reise in den unbekannten Westen begonnen. Im Gegensatz zu uns warteten auf sie am Ende eines jeden Tages kein gemütliches Hotel und kein gutes Restaurant, sie waren vielmehr Wind und Wetter ausgeliefert, mussten sich mit widerspenstigen Eingeborenen, Wassermangel und fehlenden Straßen herumplagen. Und wir beschweren uns schon, wenn wir mal in ein Funkloch geraten …
Apropos Restaurant. Als wir am Nachmittag ankamen, hatten wir keine Lust mehr, noch Savannah zu erkunden, dafür waren die vergangenen Tage zu anstrengend gewesen. Aber ganz in der Nähe gab es ein leckeres mexikanisches Restaurant – schließlich ist heute ja Cinco de Mayo. Manche unserer mexikanisch stämmigen Freunde ärgern sich darüber, dass dieser Feiertag vor allem bei den Amerikanern so beliebt ist (vor allem, um Tequila zu trinken). Inzwischen ist er in den USA eine große Sache, obwohl er in Mexiko nur lokal eine Rolle spielt. Tequila haben wir zwar nicht getrunken, aber dafür schmackhafte Burritos, die mit Hühnchen bzw. Steak, Shrimps, Reis, Bohnen und Salat gefüllt waren. Für mich gab es dazu noch eine Horchata.
Für die geschichtlich Interessierten: An diesem Tag gedenken die Menschen im mexikanischen Bundesstaat Puebla einer Schlacht, in der sie am 5. Mai 1862 eine französische Invasionsarmee vernichtend geschlagen haben. Und was wollten die Franzosen dort? Sie hatten vor, die unionistische Seeblockade der Südstaaten zu umgehen, um über Mexiko Kriegsgüter an die Konföderierten zu liefern. So trug Mexiko dazu bei, den amerikanischen Bürgerkrieg zu entscheiden, doch die Amerikaner glauben heute, dass Cinco de Mayo der mexikanische Unabhängigkeitstag ist. Irgendwie loco …