Die Zeitdiebe haben schon wieder zugeschlagen. Auf dem Weg nach Milledgeville in Georgia haben wir eine weitere Stunde verloren. Die Landschaft hier wirkt etwas karger, die Wälder sind nicht so dicht, und es gibt auch weniger Seen, dafür mehr Farmen. Pfirsiche und Nüsse werden hier produziert, und auch Kirschen, denn Macon allein hat schon weit über hunderttausend Kirschbäume und feiert jedes Jahr ihre Blüte mit einem mehrtägigen Fest. Dafür sind wir aber sechs Wochen zu spät dran, und frische Pfirsiche gibt es jetzt auch noch nicht.
Dafür aber verträumte kleine Städte mit den entzückendsten Häusern, die man sich denken kann. Milledgeville, Teil des Antebellum-Trails, gilt auch als Hauptstadt der Vorkriegsarchitektur, zumindest in Georgia. Erstaunlicherweise war die Stadt tatsächlich von 1807 bis 1868 die Hauptstadt des Staates, wovon immer noch das alte Capitol und der Gouverneurspalast künden.
Jedes alte Haus im Ort hat einen eigenen Namen, auch wenn manche von ihnen relativ schmucklos sind. Sehr viele jedoch sehen so aus, wie man sich das vorstellt: weiße Holzhäuser mit Säulen, Veranden und schmucken Giebeln. Der Anblick wäre sogar noch entzückender, wenn es nicht die vielen elektrischen Leitungen gäbe, die sich davor kreuz und quer über die Straße spannen.
Eines der bekanntesten Häuser, das etwas außerhalb gelegene Lockerly Hall, wollten wir besichtigen, es war aber wegen einer geschlossenen Gesellschaft nicht zugänglich. Stattdessen sind wir durch die Straßen dieses Universitätsstädtchens geschlendert und haben den Charme des Südens auf uns wirken lassen.
Unser nächstes Ziel war Gray bzw. Old Clinton, das 1820 zu den größten Städten des Staates gehört hat. Davon kann heute keine Rede mehr sein, wenn man die zwei, drei schmalen Straßen entlangfährt und sich die bescheidenen Häuser anschaut, die mitten in einem Wald zu liegen scheinen. Verglichen mit der urbanen Pracht Milledgevilles waren das sehr schlichte Behausungen.
Dennoch war eine Menge los, denn der Ort begeht morgen das Reenactment einer Bürgerkriegsschlacht, die sich hier zugetragen hat. Bereits jetzt gab es Straßensperren, Zelte am Wegesrand und Menschen, die in der Kleidung des 19. Jahrhunderts herumliefen, was auf den ersten Blick gar nicht weiter auffiel, da wir nur Männer in Cordhosen (aber mit Hosenträgern) und karierten Hemden sahen. Lediglich die Hüte haben sie verraten.
So ein bisschen würde mich das Schauspiel schon interessieren, doch dürfte der Andrang am Wochenende mörderisch werden. Nachdem wir uns ein wenig umgesehen hatten, ging es weiter nach Macon, das wir uns jedoch für den nächsten Tag aufheben müssen. Unterwegs hielten wir nur kurz an, um uns ein typisch amerikanisches Essen schmecken zu lassen, das aus gegrilltem Hähnchen, Rippchen und den üblichen Beilagen wie Kartoffelbrei und Gemüse bestand.