Texas ist einfach riesig. Ich weiß nicht, wie viel Mal größer als Deutschland der Bundesstaat ist, aber die Entfernungen hier sind unendlich. Vielleicht liegt es aber auch an der etwas eintönigen Landschaft, dass man das Gefühl hat, stundenlang zu fahren, ohne eine Meile voranzukommen.
Der Abschied fiel uns schwer. Die letzten Tage haben uns sehr viel Spaß gemacht, wir haben Mark G.s Familie wiedergesehen bzw. neue Mitglieder kennengelernt, haben viel geredet, gelacht – und noch mehr gegessen. Die texanische Gastfreundschaft ist jedenfalls umwerfend.
Aber nun sind wir im richtigen, echten Südstaaten-Süden, der voller geschichtsträchtiger Schlachtfelder, prachtvoller Plantagen und gemütlicher Städte ist. Jedenfalls stellen wir uns das so vor. Von Texas aus ging es zunächst nach Louisiana, dem französischsten Staat der USA, der uns sogleich mit einem Bienvenue en Louisiane empfing. Abgesehen davon, dass die Straßen teilweise in einem schlechten Zustand waren, hat man zunächst keinen Unterschied zu Texas feststellen können. Links und rechts der Autobahn befindet sich dichter Wald, der mitunter europäisch wirkt, aber weniger Nadelbäume aufzuweisen hat. Wer schon einmal The Walking Dead gesehen hat, kann sich die Szenerie gut vorstellen, es sieht hier nämlich genauso aus wie im Fernsehen, nur mit mehr Straßenverkehr und weniger Zombies.
Wenn man genauer hinsieht, entdeckt man, dass viele Ortsnamen französischen Ursprungs sind. Und es gibt eine Menge Wasser in Form von Bächen, Flüssen, Seen und Bajous. Auf den Werbetafeln neben den Straßen wird weniger für Jesus geworben, dafür mehr für Anwälte, die man engagieren kann, wenn man einen Unfall hatte. Beinahe hätten wir auch einen gebrauchen können, denn ein Truck hätte uns um ein Haar in den Graben gedrängt. Überhaupt waren wieder sehr viele LKW unterwegs – und jede Menge Polizei. Anscheinend sind sie auf das Geld aus den Strafzetteln dringend angewiesen.
Von den Städten unterwegs haben wir nicht viel zu sehen bekommen, aber das Wenige sah auch nicht besonders interessant aus. Spannend wurde es erst wieder in Mississippi. Kurz hinter der Grenze erreichten wir unser Etappenziel Vicksburg. Die Kleinstadt mit knapp dreißigtausend Einwohnern, die vor zweihundert Jahren die bedeutendste Ortschaft nördlich von New Orleans war, hat im amerikanischen Bürgerkrieg eine große Rolle gespielt, denn mit ihrem Fall und der zeitgleichen Niederlage bei Gettysburg war die Niederlage des Südens entschieden.
Auf einer riesigen Brücke überquert man nicht nur den Mississippi, sondern auch die Staatengrenze und gelangt kurz darauf zu einem Visitor Center – das direkt vor unserer Nase zugemacht hat, obwohl es eigentlich noch zehn Minuten hätte geöffnet sein sollen. Anscheinend werden in Vicksburg um 17 Uhr die Bürgersteige hochgeklappt, denn sämtliche Museen und historischen Gebäude waren geschlossen, als wir endlich ankamen. Schade war es nur insofern, als wir uns gerne die Coca Cola-Fabrik angesehen hätten, in der 1894 die ersten Flaschen abgefüllt wurden.
Die historische Altstadt haben wir weitgehend zu Fuß erkundet, denn die Entfernungen sind nicht allzu weit. In der Hauptgeschäftsstraße perlt heitere Jazzmusik aus versteckten Lautsprechern und verführt zu einem beschwingten Schaufensterbummel. Hier wie auch andernorts stehen etliche Läden leer, der Rest besteht aus Galerien, Antiquitätengeschäften und den üblichen Souvenirshops. Leider ist nicht mehr so viel von der alten Bausubstanz erhalten, aber einige historische Gebäude mit Veranden, eisernen Balkonen und geschnitzten Giebeln gibt es noch. Diese Südstaatenpracht findet man auch noch in einer guten Handvoll Antebellum-Villen, die über das Stadtgebiet verstreut sind, sowie im Rathaus, verschiedenen Kirchen und öffentlichen Gebäuden. Einige alte Stadthäuser stehen sogar zum Verkauf – falls jemand das nötige Kleingeld haben sollte.
Vicksburg erstreckt sich vom Ufer des Mississippi einen steilen Hügel hinauf, von dem man jedoch nur selten einen Blick auf den Fluss hat. Hin und wieder weht ein kühler Wind, der recht willkommen ist, denn es war ganz schön heiß. Das Thermometer kletterte auf dreißig Grad, und wir hatten eine Luftfeuchtigkeit von über 70 Prozent. Sobald man das klimatisierte Auto verließ, begann man zu schwitzen und war im Nu von hartnäckigen Fliegen umschwärmt. Mark G. meinte dazu nur lakonisch: „Kein Wunder, dass die Schwarzen hier den Blues erfunden haben!“Nach einer Stunde Fußmarsch durch die Stadt hatten wir zum Glück das Wichtigste gesehen und konnten weiterfahren.
Bis Jackson, unserem Ziel für diesen Tag, war es nicht mehr weit. In der Hauptstadt des Bundesstaates, in der 1861 die Sezession beschlossen wurde, bleiben wir aber nur für eine Nacht. Wegen ihrer besonderen Bedeutung wurde Jackson nämlich im Bürgerkrieg völlig niedergebrannt und hat nicht mehr viele architektonische Schönheiten aus der Zeit davor vorzuweisen.
Weil wir nach der Ankunft im Hotel nicht mehr lange nach einem Restaurant mit typischer Südstaatenküche suchen und auch nicht weit fahren wollten, gingen wir in der Nähe asiatisch essen. Sushi ist zwar kein Catfish (die große Krabbe ist so etwas wie das Nationalgericht), war aber ziemlich lecker.