Eine Sache habe ich gestern vergessen: Als wir mit dem Zuni-Rancher sprachen, zeigte er uns auch einige Felsen, die aufgrund ihrer auffälligen Form Namen bekommen haben. Eine hieß etwa Frauen mit Kind und stellte mit viel Fantasie drei Frauen mit Schals über dem Kopf dar, die in einer Reihe standen und von denen eine ein Kind an der Hand hielt. Ein anderer Fels hat in etwa die Kopfform von Trump, vermutlich erkennbar wegen einer hervorstehenden Tolle. Unser Rancher meinte dazu nur: „Hoffentlich bricht er bald ab!“ New Mexico ist eben ein eher liberaler Staat.
Das Land wird außerdem von einer schweren Dürre heimgesucht, die bereits 80 Prozent des Staates betrifft. Das erklärt vermutlich auch den Sandsturm von gestern Abend. Nach einem reichhaltigen Frühstück – auch hier merkt man, wo man is(s)t, denn der Koch hat sogar die Bratkartoffeln mit Chili gewürzt, und es würde mich nicht wundern, wenn die Einheimischen Hot Sauce in ihren Kaffee schütten – machten wir uns auf den Weg nach Texas.
Die Landschaft vor dem Fenster hat sich den ganzen Tag über kaum verändert: Endlos weite Prärie, trocken und gelbbraun, mal mehr, mal weniger von dunkelgrünen Büschen gesprenkelt, mitunter wellenförmig, dann wieder so flach wie ein Pfannkuchen. Genauso stellt man sich den Wilden Westen vor. Und Kühe gab es auch.
Die schnurgeraden Straßen verführen dazu, schneller zu fahren als erlaubt – und die Polizei lauert überall. Uns hat es kurz vor der Grenze zu Texas erwischt, und obwohl der Wagen vor uns mindestens genauso schnell fuhr, bekamen nur wir ein Ticket. Immerhin 87 Dollar, bei den günstigen Benzinpreisen wären das zwei Tankfüllungen gewesen. Seither lassen wir unsere Geschwindigkeit vom Wagen elektronisch kontrollieren; werden wir zu schnell, fängt es an zu piepen.
In Texas fühlt man sich als Europäer immer ein bisschen unwohl, das liegt vor allem am übermäßigen Patriotismus seiner Einwohner, aber auch an ihrer Vorliebe für Schusswaffen oder ihrer offensiven Religiosität. Links und rechts des Highways stehen jede Menge Werbetafeln, die man unwillkürlich liest, weil es sonst nicht viel zu sehen gibt. Gut, man könnte auch Kühe zählen, aber das wird auf Dauer genauso langweilig.
Die meisten Reklametafeln warben für Restaurants oder Souvenirshops, Tankstellen oder Hotels. Aber in Texas wurden die Botschaften immer religiöser. „Jesus Loves You“ gehörte dabei noch zu den sympathischeren Sprüchen, manche warnten den Leser aber auch vor dem Jüngsten Gericht oder machten einem klar, worauf es im Leben ankommt: „Heaven or Hell. It’s Your Choice. Jesus is the Way“. Vereinzelt standen auch zwei Meter hohe Kreuze im Vorgarten …
Da lobe ich mir hingegen die Werbung für ein Gratis-Steak von 72 Unzen – das sind rund zwei Kilogramm! Ich vermute mal, dass man die halbe Kuh nur dann umsonst bekommt, wenn man diesen riesigen Brocken Fleisch komplett verspeist, ansonsten muss man zahlen. So hungrig (oder neugierig) waren wir dann aber doch nicht. Dabei gab es unterwegs keine große Auswahl an Restaurants. Gerade in den kleinen und winzigen Orten mit wenigen hundert Einwohnern war nahezu alles geschlossen. Die Häuser sahen aus, als wären sie unbewohnt oder zumindest dringend renovierungsbedürftig, und die Straßen waren wie ausgestorben. Manchmal wehte sogar ein Steppenläufer über die Straße – wie in einem Western. Daneben gab es aber auch Städte, in denen ein paar Tausend Menschen leben und die genauso proper und prosperierend wie die Orte in Kalifornien aussahen.
Doch sogar in Texas geht man mit der Zeit. Direkt hinter der Grenze lag ein riesiger Windpark, der sich über rund fünfzig Kilometer die Autobahn entlang zog. Dabei verbindet man mit Texas in erster Linie Öl und Gas und nicht Windenergie. Und natürlich mit Kühen, von denen wir eine Menge gesehen haben. Aber es macht durchaus Sinn, in abgelegenen Gegenden Windräder aufzustellen, denn windig war es auf jeden Fall. Als wir unterwegs einmal an einer Raststätte anhielten, stellte sich die Toilette sogar als örtlicher Tornadoschutzkeller heraus …
Es war schon spät, als wir im Großraum Dallas ankamen, wo wir die nächsten Tage verbringen werden. Der Verkehr war selbst am späten Abend noch fürchterlich, dafür stand ein riesiger, wunderschöner Mond am Himmel, um uns willkommen zu heißen.