Nach einem schnellen Frühstück – wir waren etwas spät dran – kamen wir gerade noch rechtzeitig zur Studio-Präsentation von 20th Century Fox, die sich ein Beispiel an ihren deutschen Kollegen genommen zu haben schienen, denn den Zuschauern wurde eine große Show geboten. Alles begann fast bescheiden mit einer Handvoll Showgirls, die zur Musik von Cabaret tanzten, dann kamen immer mehr junge Damen auf die Bühne, bis schließlich zwei Dutzend von ihnen die Beine in die Luft warfen – und Platz für einen tanzenden Deadpool machten.
Diesem fulminanten Auftakt folgte ein witziger Einspieler aus einem Hotelzimmer, in dem Deadpool, der Fox-Verleihchef Chris Aronson, Hugh Jackman und Pluto offensichtlich eine ausschweifende Nacht miteinander verbracht hatten. Na ja, what happens in Vegas, stays in Vegas …
Natürlich war danach auch noch der neue Trailer zu Deadpool zu sehen.
Im Anschluss daran wurde CtrlMovie vorgestellt, eine App, die es einem ermöglicht, Einfluss auf einen laufenden Film zu nehmen. Nicht der erste Versuch, der in diese Richtung geht, aber dank der technischen Weiterentwicklung sicherlich leichter umzusetzen als früher. Als Autor bin ich von dieser Idee natürlich überhaupt nicht begeistert.
Die James Cameron-Produktion Alita Battle Angel wurde von Produzent Jon Landau und Regisseur Robert Rodriquez vorgestellt. Von dieser Manga-Adaption über einen weiblichen Cyborg mit rätselhafter Vergangenheit waren zwei Szenen und ein erweiterter Trailer zu sehen.
The Hate U Give thematisiert Rassenhass und polizeiliche Willkür gegenüber Afro-Amerikanern und ist ein packendes Drama, das besonders in den USA einen Nerv treffen dürfte. Hauptdarstellerin Amandla Stenberg und Regisseur George Tillman Jr. waren anwesend.
Bad Times at the El Royale erinnert ein bisschen an die alten Filme von Tarantino oder Rodriguez und handelt von einer Gruppe Reisender, die in einem Motel stranden und allesamt etwas zu verbergen haben.
The Darkest Minds ist ein dystopischer Thriller über eine Gesellschaft, die ihre Kinder wegsperrt, nachdem diese Superkräfte entwickelt haben.
Widows erzählt die Geschichte von vier Witwen, deren Ehemänner ein kriminelles Doppelleben geführt haben und die sich gegen einen mächtigen Gegner verteidigen müssen.
The Predator setzt das bekannte Horror-Franchise fort und hat diesmal Shane Black an Bord.
Mit der Vorstellung von Bohemian Rhapsody ging die Tradeshow zu Ende. Produzent Graham King und Hauptdarsteller Rami Malek zeigten einen Zusammenschnitt, der die großartigen schauspielerischen Leistungen betonte. Zusammen mit der mitreißenden Musik von Queen steht dem Erfolg nichts mehr im Weg.
Als wäre das noch nicht bombastisch genug gewesen, marschierte zum Abschluss noch eine komplette Band auf, um live die Fox-Fanfare einzuspielen. Das passte sehr gut zum Ton der gesamten Veranstaltung, die zum einen wehmütig auf die ruhmreiche Vergangenheit des Studios hinwies (und diese mit einem schönen Zusammenschnitt aus seinen Klassikern unterstrich), zum anderen trotzig in die etwas unsichere Zukunft blickte. Eine Stimmung, ein bisschen wie auf einer Beerdigung in New Orleans.
Zum Mittagessen hatten an diesem Tag die Amazon Studios eingeladen, die mit einem Zusammenschnitt ihrer alten und neuen Produktionen auf die Tradeshow einstimmten.
Den Anfang machte Don’t Worry, weglaufen geht nicht, der von Jack Black und Jonah Hill präsentiert wurde und von einem alkoholabhängigen Cartoonisten (Joaquin Phoenix) handelt, der nach einem Unfall gelähmt ist und sein Leben neu auf die Reihe bekommen muss.
Generation Wealth ist eine Doku über die Korruption des amerikanischen Traums.
Beautiful Boy wurde von Steve Carell vorgestellt, der zusammen mit Timothée Chalamet (live aus London zugeschaltet) in einem intensiven Vater-Sohn-Drogensucht-Drama spielt.
Andere Projekte wie Mike Lees Historiendrama Peterloo, Cold War, das Marie Curie Bio Pic Radioactive, Photograph, die Komödie Troupe Zero oder The Aeronauts wurden lediglich erwähnt.
Luca Guadagnino präsentierte seinen neuen Film, das Remake des Horrorfilms Suspiria mit der ebenfalls anwesenden Dakota Johnson, die in die Fänge einer mysteriösen, von Tilda Swinton geführten Tanzkompanie in Berlin gerät. Die gezeigte Szene war spektakulär verstörend und lässt Black Swan dagegen wie einen Kindergeburtstag wirken.
Life Itself stammt von Dan Fogelman, dem Macher der Hitserie This Is Us und sieht dieser erstaunlich ähnlich. Erneut geht es um eine Familie und ihre Geschichte auf verschiedenen Zeitebenen und diesmal auch Kontinenten. Cast und Regisseur grüßten von der Leinwand.
Zum Schluss gab es noch eine Überraschung: An jedem zweiten Tisch wurde ein Echo Show verlost, und da an unserem Tisch bereits alle gegangen waren, durfte Mark G. das heißbegehrte und teure Stück mit nach Hause nehmen. Wer zu früh geht, den bestraft eben auch das Leben. Ich muss mich dagegen mit einem WebCam Cover begnügen, was nicht einer gewissen Ironie entbehrt, schützt selbiges doch davor ausspioniert zu werden, während das Amazon-Produkt in Verdacht steht, genau dies zu tun …
Die Tradeshow von Lionsgate war die letzte Veranstaltung dieser Art. Ein DJ heizte den Zuschauern vor Beginn ordentlich ein, und ein Zusammenschnitt der alten und neuen Produktionen lieferte einen Einblick in die Power dieses Studios.
Durch die Veranstaltung führte LilRel Howery, der als erstes seinen nächsten Film vorstellte: In der anarchischen Komödie Uncle Drew spielt er den Manager einer Rentner-Basketball-Mannschaft, die für Furore sorgt. Später gab es auch noch ein Making of zu sehen.
Die Autoren und Hauptdarsteller von Blindspotting, Rafael Casal und Daveed Diggs, präsentierten ihren Film, der sich mit Polizeigewalt gegen Schwarze, die Gentrifizierung und dem Versuch einer Resozialisierung zweier gestrauchelter Freunde beschäftigt, alles fiebrig in Szene gesetzt.
Bad Spies ist eine turbulente Agentenkomödie über zwei Freundinnen, die sich in die Welt der Spione verirren und Chaos stiften. Die Hauptdarstellerinnen Mila Kunis und Kate McKinnon waren anwesend.
Shawn Levy, der Produzent von Kin, grüßte von der Leinwand und zeigte uns einige Ausschnitte aus seinem Science Fiction-Thriller über zwei ungleiche Brüder, denen eine Alienwaffe in die Hände fällt.
Hell Fest ist ein Horror-Slasher über einen Axtmörder auf einem Jahrmarkt.
A Simple Favor wurde von Regisseur Paul Feig und seinen Stars Blake Lively und Anna Kendrick präsentiert. Überraschenderweise ist es keine Komödie, sondern ein Thriller über eine Hausfrau, die das Verschwinden ihrer besten, geheimnisvollen Freundin untersucht.
Gerard Butler grüßte von der Leinwand und stellte seinen U-Boot-Thriller Hunter Killer vor.
Zu guter Letzt kamen noch Jamie Foxx und Taron Egerton auf die Bühne, um Ausschnitte aus Robin Hood zu zeigen, der stilistisch an die rasanten Filme von Guy Ritchie erinnerte.
Damit endete der anstrengende Teil der CinemaCon. Am Abend fanden noch die Big Screen Achievement Award statt, von denen eigentlich keiner weiß, wofür sie stehen. Die Hälfte der Kategorien klingt wie spontan ausgedacht und scheint nur dafür gut zu sein, möglichst viele Stars nach Las Vegas zu locken. Also so ähnlich wie der Bambi.
Zu den diesjährigen Preisträgern gehören Taron Egerton, LilRel Howery, Tiffany Haddish, Anna Kendrick, Felicity Jones, Jonah Hill, Samuel L. Jackson, Benicio Del Toro, Jack Black, Kate McKinnon, Dakota Johnson und Jodie Foster.
Im Anschluss daran ging es an die ausgedehnte Poollandschaft des Caesar’s Palace, wo die traditionelle Coca-Cola-Party stattfand. Mit immer noch knapp dreißig Grad war es heiß, dazu gab es ein tolles Büffet und nette Gespräche mit Freunden und Bekannten. So endete unsere Zeit in Las Vegas …
Elf Tradeshows sind vermutlich ein neuer Rekord und bedeuten eine Menge Input, das erst einmal verarbeitet werden will. Wenn man den vollmundigen Ankündigungen der Studios lauscht, lässt man sich gerne von deren Marketing-Maschinerie mitreißen und begeistern, doch nicht alles, was hier vorgestellt wird, dürfte auch an den Kassen funktionieren. Zumal eine Menge Produktionen präsentiert wurden, die vor allem auf den amerikanischen Markt zugeschnitten sind.
Erfreulich, aber auch ein wenig verwunderlich war das explizite, gebetsmühlenartig wiederholte Bekenntnis zum Kino als Gemeinschaftserlebnis. Wie sich das mit der Aussage verträgt, dass immerhin fünf der sechs großen Studios (Disney bildet da die rühmliche Ausnahme) nicht abgeneigt sind, das Verleihfenster noch weiter zu verkürzen oder sogar ganz abzuschaffen, lässt sich nicht sagen, da keiner darauf eingegangen ist. Ist es nun ein Stück weit Verlogenheit, der allzu durchschaubare Versuch, eine Branche zu umschmeicheln, deren Existenz von diesem Verleihfenster abhängt? Oder hat hinter den Kulissen tatsächlich ein Umdenken eingesetzt? Es schien jedenfalls so, als setzte jedes Studio daran, die Gemüter erst einmal zu beruhigen, aber unterschwellig war dies auf jeden Fall ein Thema.
Insgesamt war es eine äußerst kurzweilige und faszinierende CinemaCon. Es gab mehr Starauftritte als bei meinen anderen beiden Besuchen auf dieser Veranstaltung und es wurde ein viel größerer Aufwand betrieben. Dafür war das Essen schlechter – Vegetarier haben hier ganz schlechte Karten, und Veganer sollten sich ihre Mahlzeiten besser selbst mitbringen. Aber da dies keine kulinarische Messe ist, fällt das nicht weiter ins Gewicht.
Ein paar Dingen haben außerdem genervt: Fast jede Tradeshow hat mittlerweile einen oder mehrere Sponsoren, die ebenfalls Zeit für sich beanspruchen, welche sie dazu nutzen, uns mit Jahresberichten, Bilanzen und anderen Dingen zu langweilen. Und es wurden von den Verleihern so viele Sitzplätze reserviert, dass man bei der einen oder anderen Präsentation von Glück reden konnte, wenn man nicht am äußersten Rand oder in einem gefühlten Kilometer Entfernung von der Bühne landete.
Davon abgesehen war die CinemaCon eine runde Sache, es hat wieder großen Spaß in Las Vegas gemacht, auch wenn wir von der Stadt und dem Traumwetter nicht viel mitbekommen haben. Dafür haben wir tiefere Einblicke in die Produktionen der nächsten Monate erhalten und können uns auf eine Menge neuer Filme freuen.
So, und ab morgen sind wir wieder on the road …