Heute geht es um eine TV-Serie, auf die ich kürzlich bei Amazon gestoßen bin: Fleabag. Der Titel tauchte immer wieder mal auf, sagte mir aber gar nichts, bis ich mir letztes Wochenende aus einer Laune heraus – und weil ich auf der Suche nach etwas Lustigem war – einfach mal den Trailer angesehen habe. Dieser war ungemein witzig, enthielt aber leider auch schon viele gelungene Szenen der Serie. Weil die einzelnen Episoden mit ca. 25 Minuten recht kurz sind, habe ich mir aus Neugier die erste angeschaut – und dann die gesamte Serie an einem Abend weggeguckt …
Fleabag (Phoebe Waller-Bridge) ist eine junge Frau in London, die ein winziges Café am Rande der Pleite führt, das sie vor Jahren mit ihrer besten Freundin Boo (Jenny Rainsford) gegründet hat. Boo ist jedoch vor kurzem bei einem bizarren Unfall, der eigentlich eine Selbstmord-Warnung an ihren untreuen Freund sein sollte, ums Leben gekommen, was Fleabag immer noch schwer beschäftigt.
Vor drei Jahren erst hat sie ihre Mutter an Brustkrebs verloren, was zu einigen Verwerfungen innerhalb der Familie geführt hat. Ihr Vater (Bill Paterson) sorgt sich sehr um seine beiden Töchter und den potentiellen Verlust ihrer Weiblichkeit, weshalb er sie immer wieder zu feministischen Vorträgen und Seminaren sowie zur Krebsvorsorge schickt, hält sie emotional aber auf Distanz. Ihre Stiefmutter (Olivia Colman) ist eine exzentrische Künstlerin, die jeden mit passiv-aggressiver Freundlichkeit behandelt und hinter der Fassade aufgeschlossener Bürgerlichkeit ihren Mann terrorisiert. Fleabags Schwester Claire (Sian Clifford) wiederum ist ungemein erfolgreich, wohlhabend und ziemlich unglücklich in ihrer Ehe. Typisch britisch, erträgt sie keinerlei emotionale oder körperliche Distanz, beschwert sich aber über die Lieblosigkeit ihres Ehemanns.
Auch Fleabag hat kein Glück mit den Männern. Ihr On-Off-Langzeitfreund Harry (Hugh Skinner) liebt sie, wird aber in schöner Regelmäßigkeit von ihr in die Wüste geschickt, manchmal auch nur, weil er nach jeder Trennung penibel die Wohnung putzt. Wissend, dass er stets zu ihr zurückkommt, sucht Fleabag in der Zwischenzeit nach flüchtigen Affären, um ihren Hunger nach Nähe und Sex zu stillen, und gerät dabei an die sonderbarsten Kerle …
Die sechsteilige Serie basiert auf einem populären Theaterstück, einem Ein-Frauen-Stück von Phoebe Waller-Bridge. Auch alle Episoden der Serie stammen aus der Feder der Hauptdarstellerin, die einen scharfen Blick auf unser modernes Leben wirft und gnadenlos die Beziehungen zwischen Männern und Frauen oder Eltern und Kindern unter die Lupe nimmt. Das ist manchmal ungeheuer komisch, manchmal aber auch ziemlich traurig – so wie das Leben auch.
Die Frau ist, man muss es so deutlich sagen, eine Katastrophe, aber sie weiß es, nennt sich selbst moralisch bankrott, tut sich und ihren Mitmenschen die furchtbarsten Dinge an, versucht aber gleichzeitig, ein besserer Mensch zu werden und ihr Leben endlich in den Griff zu kriegen. Im Grunde scheitert sie an den Freiheiten unseres modernen Lebens mit seinen unzähligen Möglichkeiten, von denen man glaubt, dass eine einzige die richtige sein muss, während man gleichzeitig ahnt, dass womöglich alle falsch sind. Aber auch wenn die Frau bei weitem keine Heilige ist, ist sie in gleichem Maße Täter wie Opfer. Sie benutzt Männer genauso wie sie von ihnen benutzt wird, sie ist gemein zu ihrer Stiefmutter, wird von ihr aber noch mieser behandelt.
Die Familienkonstellation ist wunderbar differenziert und erzählt auf mehreren Ebenen von früheren Verletzungen, charakterlichen Schwächen, Ängsten und Rivalitäten. Wie die beiden Schwestern miteinander umgehen, sich streiten, im Grunde aber lieben, ist ebenso großartig dargestellt wie das Verhältnis der beiden zum Vater und zur Stiefmutter. Es ist in erster Linie eine Geschichte über Frauen, über ihre Suche nach einem Platz im Leben und in ihren Beziehungen, aber auch ihr stetes Bemühen, sich zu ändern, ein besserer Mensch zu werden oder zumindest ein begehrterer oder erfolgreicherer, was jedoch meistens zum Scheitern verurteilt ist, weil wir letzten Endes ja doch nicht aus unserer Haut können.
Auch zum Geschlechterverhältnis hat Phoebe Waller-Bridge einige witzige Dinge zu sagen, die wohl am besten in einer Episode auf den Punkt gebracht werden, in der sie und ihre Serien-Schwester Claire zu einem Seminar fahren, in dem Frauen durch Schweigen und Hausarbeit zu sich selbst finden sollen, während in direkter Nachbarschaft ein Kurs nur für Männer deren gespaltenes Verhältnis zu Frauen aufarbeitet. Daraus ergeben sich einige brutal komische und kompromisslose Szenen, die nahezu stellvertretend für sämtliche Beziehungen der Serie stehen.
Das einzige Manko ist, dass der Komödienanteil im Verlauf der Staffel zugunsten des Dramas abnimmt. Das ist an sich nicht schlecht, schmälert jedoch ein klein wenig das Vergnügen. Wer Lust auf was Schräges hat und Meerschweinchen mag, sollte sich einfach mal die erste Folge von Fleabag anschauen. Es lohnt sich.