Nachdem es in den letzten Tagen vor allem um Filme ging, widmen wir uns heute mal wieder einer Serie. Ich habe kürzlich bei Netflix Travelers – die Reisenden gesehen, und weil sie mir gut gefallen hat, gleich die zweite Staffel hinterher.
In der Serie geht es um Zeitreisende, deren Bewusstsein aus einer fernen Zukunft (wie fern, wird leider nicht explizit gesagt, aber es müssen mehrere Jahrhunderte sein) in die Körper von Menschen unserer Zeit transferiert wird, so dass sie diese quasi übernehmen. Um diesen Prozess ethisch zu rechtfertigen, werden nur solche Personen ausgewählt, die an der Schwelle des Todes stehen. Der FBI-Agent Grant MacLaren (Eric McCormack) kommt diesen Reisenden auf die Spur, als er deren Kommunikation im DarkNet aufspürt und zu einem konspirativen Treffen in einem Abbruchhaus fährt, wo er beinahe in einen Fahrstuhlschacht fällt – und selbst von einem Reisenden übernommen wird …
So beginnt die Serie. Neben MacLaren (die Reisenden sprechen sich nur mit den Namen ihrer „Wirtskörper“ oder einer Nummer an) treffen nach und nach noch vier weitere Mitglieder seines Teams ein: Philip (Reilly Dolman) ist der Historiker der Gruppe, ein menschlicher Computer, der sämtliche Todesdaten potentieller Kandidaten für zukünftige Reisende kennt, aber auch den Ausgang diverser Rennen und Wettkämpfe, um mit kleineren, unauffälligen Gewinnen die Finanzierung der Gruppe zu gewährleisten. Carly (Nesta Cooper) ist die Taktikerin und Kampfexpertin, Marcy (MacKenzie Porter) die Ärztin der Fünferbande. Der letzte in der Gruppe ist Trevor (Jared Abrahamson), der älteste Mensch der Geschichte (vermutlich an die zweihundert Jahre alt) – und er steckt im Körper eines Teenagers.
Auch die anderen haben mit den Schwierigkeiten ihrer Wirte zu kämpfen, weil bei deren Auswahl Fehler gemacht wurden. So ist Marcy eigentlich geistig behindert und Philip drogensüchtig. Darüber hinaus ergeben sich durch die Übernahme fremder Leben natürlich noch jede Menge weiterer Konflikte, etwa mit den Menschen in ihrer unmittelbaren Umgebung, die sich natürlich darüber wundern, dass sich die Persönlichkeiten zum Teil stark verändern.
Das alles ist ansprechend und solide geschildert. Wie sich die Reisenden in einer fremden Vergangenheit zurechtfinden müssen, ist teilweise amüsant, aber leider wird in dieser Hinsicht auch etwas Potential verschenkt. So hätte man aus diesem Culture Clash durchaus noch mehr Humor herausholen können. Aber die Figuren entwickeln sich stetig weiter, man erfährt später sogar noch, warum Marcys geistige Fähigkeiten so stark eingeschränkt sind und welche Auswirkungen sich dadurch auf ihre Mission ergeben.
Über die Zukunft erfährt man nur Bruchstücke, aber es scheint ein unwirtlicher Ort zu sein, mit einer weitgehend zerstörten Ozonschicht, die die Menschheit zwingt, unter gigantischen Kuppeln zu leben. Und die Zukunft verändert sich, auch durch das Eingreifen der Reisenden in der Vergangenheit. So kommt es zu unterschiedlichen Zeitlinien, die auch Auswirkungen auf die Vergangenheit haben, wenn beispielsweise die Ergebnisse mancher Rennen nicht mehr stimmen und so die Finanzierung der Gruppe in Gefahr gerät. Die Chaos-Theorie lässt grüßen. Mit der Zeit kommt es sogar zu einer Aufspaltung der Reisenden in unterschiedliche Fraktionen mit entgegengesetzten Zielen. Aber darüber will ich nicht zu viel verraten, denn diese Aspekt ist ein wesentlicher Teil der Handlung, besonders in der zweiten Staffel.
Ursprünglich mit einer bestimmten Mission gestartet, die die Zukunft so weit verändern soll, dass die Erde wieder zu einem lebensfähigen Ort wird, muss MacLarens Gruppe mit verschiedenen Schwierigkeiten fertig werden und häufig improvisieren. Gelenkt werden sie von einer Künstlichen Intelligenz namens „der Direktor“, die ihnen bisweilen Botschaften schickt und mit neuen Mission beauftragt. Hier besteht zwar die Gefahr, dass diese immer neuen Aufgaben zu einer gewissen Redundanz führen, doch dem wirken die Macher entgegen, indem sie geschickt die persönlichen Konflikte, die Widrigkeiten bei der Erfüllung ihrer Aufgaben und die Veränderungen der Zukunft ineinandergreifen lassen.
Gerade die erste Staffel entwickelt bald einen Sog, dem man sich schwer entziehen kann (was dazu geführt hat, dass ich die zwölf Folgen an nur drei Abenden angeschaut habe), und endet mit einem spannenden Cliffhanger, der neugierig auf die zweite Staffel macht. Auch diese ist wieder abwechslungsreich und streckenweise spannend, bleibt aber leider hinter der ersten Staffel zurück. Nach einer etwas längeren Hängepartie zieht das Tempo aber in der zweiten Hälfte wieder an, und ein paar Twists sorgen überdies dafür, dass manche Entwicklungen plötzlich in einem anderen Licht gesehen werden müssen.
Wer Zeitreisen-Geschichten mag, sollte Travelers – die Reisenden unbedingt anschauen. Es lohnt sich!