Leb wohl, meine Königin!

Meine Schwäche für Historienfilme dürfte Stammlesern hinlänglich bekannt sein. Ob die Darsteller Toga, Rüstung oder Reifrock tragen, ist mir dabei beinahe egal, Hauptsache, der Film spielt in vergangenen Zeiten und erzählt eine Geschichte, die mich fasziniert.

Über Ludwig XVI. und die französische Revolution gibt es schon etliche Filme, auch seiner Frau wurde bereits von Sofia Coppola ein filmisches Denkmal gesetzt. Doch es schadet ja nicht, diese Story noch einmal aus einem frischen Blickwinkel zu erzählen, der andere Einblicke in das Thema ermöglicht und vielleicht ein neues Licht auf die historischen Ereignisse wirft.

Dazu passt wunderbar, dass es hier in Augsburg einen Ort gibt, der eine direkte Verbindung zu Marie-Antoinette besitzt: Als Erzherzogin war sie Gast bei der prunkvollen Einweihung eines Ballsaals in einem Kaufmannspalast und soll in dieser Nacht ein Paar Schuhe durchgetanzt haben. Wenn ich das nächste Mal dort bin, werde ich sicherlich daran denken …

Leb wohl, meine Königin!

Sidonie (Léa Seydoux) ist Vorleserin von Königin Marie-Antoinette (Diane Kruger) und ihrer Herrin treu ergeben. Als am 14. Juli 1789 die Bastille erstürmt wird, ist es ein Tag wie jeder andere am Hof von Versailles, doch innerhalb der nächsten drei Tage wird die Welt der Höflinge zerbrechen. Als die Ereignisse eskalieren, schickt die Königin ihre vom Volk gehasste Geliebte Gabrielle (Virginie Ledoyen) fort, damit sie in Sicherheit ist, und Sidonie soll sie begleiten.

Auch ein Kammerspiel kann opulent ausgestattet sein, wenn es denn in einem prachtvollen Palast wie Versailles spielt. Von den prunkvollen Gemächern der Königin und den weiten, marmornen Hallen bekommt man leider nur wenig zu sehen, aber auch die Aufnahmen von den bescheidenden Kammern der niederen Höflinge, den langen Fluren und der gewaltigen Küche verströmen einen Hauch von Geschichte, was nicht verwunderlich ist, denn der Film wurde an den Originalschauplätzen gedreht.

Man bekommt also einen Einblick in das höfische Leben von Versailles, allerdings durch die Hintertür, was vermutlich interessanter und unverblümter ist. Wie beim Adel dreht sich bei den Bediensteten auch alles nur um die neuesten Affären, Mode und Eitelkeiten. Klatsch und Tratsch sind der Lebensinhalt der Schlossbewohner. Doch es ist eine sterbende Welt, die man einzig und allein durch die Augen von Sidonie erlebt.

Die junge Frau bleibt ein Geheimnis, nicht nur den Zuschauern gegenüber, sondern auch ihren Freundinnen am Hof, denn sie verrät nichts über sich, versucht gleichzeitig aber, so viel wie möglich über die Vorgänge in Paris herauszufinden. Die Erstürmung der Bastille wird zunächst als Staatsgeheimnis gehütet, von dem nur wenige Eingeweihte wissen dürfen. Schon vorher gab es Gerüchte von Unruhen, von Lebensmittelknappheit, während die Höflinge gleichzeitig von ausufernden Banketten mit Dutzenden von Gängen schwärmen …

Es sind diese Details, die den Film interessant machen – und das Wissen um das, was geschehen wird. Vieles hat man zuvor schon gehört oder gesehen, man weiß um die italienischen Gondolieri am Hofe, auch ohne die zarte, zu nichts führende Tändelei Sidonies mit einem ihrer Vertreter. Und man weiß, wie das alles einmal enden wird.

Auch den Bewohnern des Schlosses wird dies allmählich klar, was zu einer völligen Auflösung der starren Hierarchien und des strengen Zeremoniells führt. Manche Adelige fliehen, verkleidet als Diener und Mägde, andere bringen sich um. Das alles wird beiläufig geschildert, ebenso wie die Affäre Marie-Antoinettes mit Gabrielle, die von Sidonie um die Gunst der Königin beneidet wird. Auch Sidonie liebt ihre Herrin, weshalb sie am Ende auch darauf eingeht, als Köder für Gabrielle zu dienen. Hier, in seinen letzten Minuten, bekommt der Film tatsächlich noch einen Hauch von Spannung und Tragik.

Insgesamt eine etwas belanglose und vor allem weitgehend ereignislose, aber dennoch ungemein faszinierende Geschichte. Man hätte gerne mehr über das Leben am Hofe und seine Bewohner erfahren, auch über ihr weiteres Schicksal, und vor allem über die rätselhafte Sidonie. So ist Leb wohl, meine Königin! wohl nur etwas für eingefleischte Fans von Historienfilmen wie mich …

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.