Babylon Berlin

Lange wurde sie erwartet, die teuerste deutsche Serie der letzten Zeit, mit der ARD und Sky am sogenannten goldenen Zeitalter des Fernsehens partizipieren wollen. Man kennt ja den uralten Witz, dass die Hölle ein Ort sei, an dem die Italiener den Verkehr regeln, die Briten kochen und die Deutschen das Fernsehprogramm machen. Nun soll bewiesen werden, dass wir auch gutes Fernsehen können.

Die Showrunner sind Tom Tykwer, Henk Handloegten und Achim von Borries, die nicht nur Regie geführt, sondern auch – gemeinsam mit dem Autor Volker Kutscher, auf dessen Romanreihe die Serie basiert – die Bücher geschrieben haben. Seltsamerweise sind gleich die ersten beiden Staffeln mit jeweils acht Folgen produziert worden, die allerdings wie eine einzige Staffel wirken, weil sie eine fortlaufende Geschichte erzählen. Warum man das Ganze nicht gleich als eine Staffel bezeichnet, bleibt wohl ein Geheimnis der Produzenten und hat vermutlich etwas mit der Finanzierung zu tun.

Im Kern geht es um einen Kölner Kommissar, den eine laufende Ermittlung zur Berliner Sittenpolizei führt: Der Oberbürgermeister am Rhein, Adenauer, wird angeblich erpresst. Die Bild-Zeitung hat den Aufhänger gleich benutzt, um ein Skandälchen daraus zu basteln, dabei geht es in der Story gar nicht um Adenauer, was man aber erst viel später erfährt.

Der weitaus größere Handlungsstrang handelt von einer politischen Verschwörung, die bis in höchste Staatskreise reicht und die Grundfesten der jungen und von den konservativen Kräften ungeliebten Republik erschüttert. Ohne viel zu verraten sei gesagt, dass es um die heimliche Aufrüstung der Reichswehr geht, die gegen den Versailler Vertrag verstößt, sowie um einen Putschversuch. Das ist vom Thema her spannend, verleiht der Serie aber von Anfang an einen politischen Ton.

Die Hauptfigur der Serie ist jener Kölner Kommissar namens Gereon Rath (Volker Bruch), der nun in Berlin ermittelt. Als Weltkriegsveteran leidet er an etwas, das man heute wohl als Posttraumatische Belastungsstörung bezeichnen würde. Immer wieder gehen die Nerven mit ihm durch, beginnt er, unkontrolliert zu zittern und ist kaum noch Herr seiner Sinne. Dagegen hilft nur Morphium, was ihn zu einem Abhängigen macht und seine Karriere gefährdet. Er ist nicht die einzige beschädigte Figur. Die weibliche Hauptfigur der Serie ist Charlotte Ritter (Liv Lisa Fries), eine junge Aushilfs-Schreibkraft bei der Polizei, die gerne Kriminal-Assistentin werden möchte und nebenbei gelegentlich als Prostituierte arbeitet, womit auch sie einen Schwachpunkt hat. Alle Figuren wirken zwiespältig, allen voran der gutmütige, aber gefährliche Kommissar Wolter (Peter Kurth), der zu den interessantesten Charakteren der Serie gehört. Einer der Guten ist der von Matthias Brandt gespielte Vorgesetzte und Chef der politischen Abteilung Benda, der zusammen mit Rath gegen die Hochverräter in den Reihen der Armee ermittelt.

So löblich es ist, ambivalente Figuren zu schaffen, die nicht nur gut oder böse sind, deren Begierden, Motive und Schwächen man verstehen kann, so sehr schwächt es die emotionalen Bindungen, die man als Zuschauer mit ihnen eingeht. Abgesehen von Charlotte Ritter wird man daher mit keiner Figur wirklich warm. Die wenigen sympathischen Gestalten kommen im Verlauf der Geschichte allesamt ums Leben, die Schurken triumphieren, und der eigentlich als Held auserkorene Gereon Rath trifft am Ende eine Entscheidung, die man nur verachtenswert nennen kann und die die Figur demontiert. Unglücklich ist zudem, dass die beiden Ermittler Rath und Ritter häufig in der Versenkung verschwinden, für lange Zeit kaum eine Rolle spielen, um dann wieder die Führung zu übernehmen. Das macht es beim Zuschauen nicht gerade leicht, bei der Stange zu bleiben und trägt unter anderem dazu bei, dass die Serie keinerlei Sog entwickelt. Im Gegenteil, ich habe mich bisweilen fast zwingen müssen weiterzuschauen.

Außerdem wäre es bei einer Krimiserie nicht schlecht, wenn man die Ermittlungen auch mit Interesse verfolgen könnte, wenn es so etwas wie Rätselspannung gäbe. Leider wird nur sehr wenig ermittelt und was immer die Kommissare und Fräulein Ritter auch herausfinden, der Zuschauer hat es fast immer vor ihnen gewusst. Das kann manchmal spannend sein, ist es aber in den meisten Fällen nicht, im Gegenteil, als Zuschauer wartet man ungeduldig darauf, dass die Kommissare endlich zu einem aufschließen. Und wenn es dann in der zweiten Hälfte der zweiten Staffel doch noch um etwas Unerwartetes geht, wird es dem Zuschauer nicht als Ergebnis der Ermittlungen präsentiert – was bequem möglich gewesen wäre – sondern wie ein Kaninchen, das ein Varieté-Magier aus dem Hut gezaubert hat.

Hinzu kommt, dass es um mehrere Geschichten geht, die miteinander verwoben sind und sich teilweise über die gesamten zwei Staffeln erstrecken. Figuren tauchen auf, verschwinden wieder, Pläne werden geschmiedet, aber nicht weiterverfolgt oder schnell wieder zunichtegemacht, Intrigen werden begonnen, verlaufen dann aber im Sande. Die Geschichte schlingert bisweilen wie ein Schiff im Sturm, so dass man nicht so recht weiß, ob sie bereits zu Ende ist oder doch noch eine weitere Wendung nimmt. Das ist – zumindest teilweise – schlechtes Storytelling.

Als Krimiserie im klassischen Sinn hätte mir Babylon Berlin besser gefallen, und mit den bekannten Serienmördern, die sich zu der Zeit in der Hauptstadt herumgetrieben haben, hätte es auch hervorragendes Material gegeben. Zugutehalten muss man der Serie auf jeden Fall die guten schauspielerischen Leistungen und das Setting. Das historische Berlin wirkt authentisch, auch wenn man gelegentlich merkt, dass die Serie trotz ihres hohen Budgets eben nicht mit den superteuren US-Produktionen mithalten kann. Dennoch wurde hier sehr viel geleistet und ist durchaus lobenswert.

Insgesamt ist die Serie nicht so schlecht, dass man sie nicht anschauen könnte, aber leider auch nicht der große Wurf, den man sich gewünscht hätte. Vielleicht waren auch meine Erwartungen zu hoch. Ob ich mir die nächste Staffel – oder die beiden nächsten Staffeln – anschauen werde, muss ich mir aber sehr gut überlegen. Wenn es so weitergeht wie bislang, werde ich vermutlich verzichten.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.