Vorurteile sind kontraproduktiv. Eigentlich eine Binsenweisheit, aber dennoch ist es wahr – man sollte nicht vorschnell über Menschen oder – in diesem Fall – Filme urteilen. Morgen startet The Big Sick und als ich vor einigen Monaten den Trailer dazu sah, dachte ich: Ach, das ist ja wie ein Remake von Während Du Schliefst, nur liegt diesmal die Frau im Koma.
Mein Interesse an der Geschichte tendierte praktisch gegen Null, schließlich ist der Film mit Sandra Bullock ja noch gar nicht so lange her, gefühlt höchstens zehn Jahre. Tatsächlich lief er aber bereits 1995 im Kino (wie die Zeit vergeht …). Da könnte man also durchaus an ein Remake denken, aber damit würde man The Big Sick verdammt unrecht tun.
Anfang August lief er im Rahmen der Filmmesse Köln, und auch da wollte ich ihn mir, trotz hervorragender Kritiken, nicht anschauen. Aber dann geriet, wie ich damals berichtet habe, meine Planung durcheinander, und ich landete doch in dem Film. Danach habe ich mich geärgert – über mich und meine dämlichen Vorurteile …
The Big Sick
Kumail (Kumail Nanjiani) ist mit seiner Familie von Pakistan in die USA ausgewandert und schlägt sich mühsam als Stand up-Comedian durch. Eines Abends lernt er im Publikum die schlagfertige Emily (Zoe Kazan) kennen und verliebt sich in sie. Die beiden werden ein Paar, aber Kumail traut sich nicht, sie seiner Familie vorzustellen, die sich nichts sehnlicher wünscht, als dass er eine Pakistani heiratet. Vor die Wahl gestellt, sich für Emily oder seine Familie zu entscheiden, hat Kumail nicht den Mut, sich zu seiner Liebe zu bekennen. Kaum haben die beiden sich getrennt, wird Emily schwer krank …
Wer bei der Sichtung des Trailers so wie ich sofort denkt, dass die Story eine Kopie von Während du schliefst ist, wird spätestens beim Abspann eines Besseren belehrt, denn Kumail Nanjiani, der vor allem aus der HBO-Serie Silicon Valley bekannt ist, erzählt hier gemeinsam mit seiner Ehefrau die Geschichte ihres Kennenlernens. Vermutlich hat sich nicht alles ganz genauso zugetragen, wirkt aber dennoch authentisch und lebensnah.
Ironischerweise hat man dennoch das Gefühl, das alles schon mal in anderen Culture-Clash-Komödien gesehen zu haben. Da ist die übergriffige, chaotische, aber durch und durch liebenswerte Familie, die auf Traditionen und Regeln besteht, die für die jüngere, amerikanische Generation keinen Sinn mehr ergeben. Auf der anderen Seite gibt es die besorgten Schwiegereltern, die Berührungsängste mit einer fremden Kultur haben, Gefangene ihrer Vorurteile sind oder sich in den Fallstricken politischer Korrektheit verheddern. All das war schon häufiger und mindestens ebenso erfolgreich Gegenstand einer Geschichte – und ist dennoch überaus witzig und liebenswert. Manche Klischees entsprechen eben doch der Wahrheit und erzählen nicht nur etwas über die Figuren, sondern auch über uns Zuschauer.
Aber selbst ohne Migrationshintergrund kann man die Nöte Kumails ebenso gut verstehen wie die Bedenken Emilys, beide Figuren sind sympathisch und werden liebevoll dargestellt. Auch die Nebenfiguren sind toll besetzt, das Tempo könnte manchmal etwas schneller sein, aber alles in allem wird man zwei Stunden lang ausgesprochen gut unterhalten.
Note: 3+