Charade

Früher war bekanntlich alles besser. Das Essen hat besser geschmeckt, damals wurde auch noch richtige Musik gemacht, und vom Wetter brauche ich gar nicht erst anzufangen. So einen miesen Herbst hätte es noch vor zehn Jahren nicht gegeben!

Ist natürlich alles Quatsch, auch wenn man gelegentlich von einem Anflug von Nostalgie überwältigt wird und dann solchen Gedanken nachhängt. Bei mir ist das dann regelmäßig der Fall, wenn ich gerne einen Wie-Film sehen möchte. Ein Wie-Film ist ein Streifen, der aussieht wie ein Film, den ich sehr gerne mag, der meist schon ein bisschen älter ist – und garantiert so oder so ähnlich heute nicht mehr produziert würde.

Aber nostalgische Anwandlungen bekämpft man am besten, indem man ihnen nachgibt und zum Original greift. Zum Glück laufen hin und wieder ein paar alte Schätzchen im Fernsehen, und so bin ich vor einiger Zeit auf Charade gestoßen.

Charade

Regina (Audrey Hepburn) überlegt, sich scheiden zu lassen, als sie erfährt, dass ihr Mann ermordet wurde. Bartholomew (Walter Matthau), ein Angestellter der amerikanischen Botschaft in Paris, wo das Paar lebte, eröffnet Regina, dass ihr Mann während des Zweiten Weltkriegs der Regierung eine Menge Geld gestohlen hat und drei seiner Komplizen ebenfalls auf der Suche danach sind. Bald darauf erhält Regine Morddrohungen, wird überfallen und muss fliehen. Zum Glück gibt es den netten, hilfreichen Peter (Cary Grant), der ihr zur Seite steht. Doch bald entdeckt Regina, dass Peter nicht der ist, der er zu sein vorgibt …

Audrey Hepburn gehört zu jenen Schauspielerinnen, denen man einfach gerne zuschaut, selbst wenn sie unspektakuläre Dinge tut wie ein Eis zu essen. Als Regina hat sie die amüsante Eigenschaft, dass sie immer dann, wenn sie Stress oder Probleme hat, hungrig wird, weshalb man sie ständig essen sieht. Das führt zu sehr amüsanten Szenen, etwa wenn Regina von der kriminellen Vergangenheit ihres Mannes erfährt, und Bartholomew um eines seiner Sandwiches bittet.

Charade ist eine elegante Krimi-Komödie, bei der ganz offensichtlich Hitchcock Pate gestanden hat. Schon der Anfang ist wunderbar gelungen, man sieht eine Pistole, die auf Regina gerichtet wird – und sich dann als Wasserpistole entpuppt. Aus einem vermeintlichen kriminellen Akt wird eine Komödie. Kurz darauf folgt ein witziger Schlagabtausch, wenn sie Peter kennenlernt und mit ihm flirtet, und spätestens zu diesem Zeitpunkt ist man dem Charme des Films hoffnungslos verfallen.

Leider stellen sich später einige Längen ein. Die Suche nach dem verschwundenen Vermögen kommt nur schleppend voran, ein paar spannende Momente steuern zwar dagegen, aber selbst der feine Humor, der stets von den Figuren ausgeht und in einer hinreißenden Tanzszene seinen Höhepunkt findet, kann nicht davon ablenken, dass das Drehbuch ein paar zusätzliche Wendungen gebraucht hätte. Dabei gibt es eine Menge dramatischer Enthüllungen, die die Identität der von Cary Grant gewohnt charmant gespielten Figur betreffen und über die nicht viel verraten werden darf.

Im Finale wandelt sich der Film dann doch noch zu einem waschechten Krimi, der gut inszeniert und ungemein spannend umgesetzt ist. Hitchcock hätte es nicht besser machen können.

Anders als viele Filme jener Zeit ist der gesellschaftliche Sexismus nicht ganz so dominant. Audrey Hepburn ist nicht ganz das hilflose Fräulein in Not, sondern kann sich auch ganz gut allein behaupten – auch wenn sie am Ende einen starken Mann braucht, der sie aus ihrer Notlage befreit.

Wer Lust auf etwas Nostalgisches hat, die Eleganz der frühen Sechziger mag und Freude an eloquenten Dialogen und bezaubernden Figuren hat, sollte Charade gesehen haben.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.