Nachdem es gestern um Der Staat gegen Fritz Bauer ging, folgt heute natürlich:
Im Labyrinth des Schweigens
Johann Radmann (Alexander Fehling) ist ein engagierter, etwas zu paragrafentreuer Staatsanwalt im Frankfurt der späten Fünfzigerjahre. Als der Journalist Thomas Gnielka (André Szymanzki) einen ehemaligen KZ-Wärter anzeigen will, der unbehelligt und gesetzwidrig als Lehrer arbeitet, will niemand diesen Fall bearbeiten. Nur Radmann nimmt sich der Vorwürfe an und erfährt auf diese Weise von Auschwitz und den Gräueltaten des Nazi-Regimes. Getrieben vom Wunsch nach Gerechtigkeit, will er die Täter vor Gericht bringen, stößt aber überall auf Widerstand. Nur Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Gert Voss) ist auf seiner Seite …
Der erste Auschwitzprozess Anfang der Sechziger stellte eine Zäsur in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar. Der Krieg war zu jener Zeit fast schon in Vergessenheit geraten, nur einige Baulücken und Kriegsversehrte in den Straßen erinnerten noch daran. Die Republik erfreute sich am Wirtschaftswunder und pastelliger Schlagerseligkeit und wollte nichts mehr wissen von dem, was damals war. Die Vergangenheit, insbesondere die Verbrechen gegen die Menschlichkeit, das systematische Vernichten ganzer Volksgruppen, wurde totgeschwiegen, die Täter wurden geschützt und stiegen bisweilen sogar in die höchsten Staatsämter auf. Verglichen mit Der Staat gegen Fritz Bauer, der diese Verschwörungen und Vertuschungen und das allgemeine Gefühl der Beklemmung und Bedrohung weitaus besser und intensiver darstellt, ist Im Labyrinth des Schweigens atmosphärisch weit weniger dicht.
Man kann auch sagen, die Geschichte wird amerikanischer erzählt, indem sie sich auf eine fiktive Hauptfigur stützt, die auf den Erinnerungen dreier Staatsanwälte beruht, und diese auf eine Reise in das deutsche Herz der Finsternis schickt. Alexander Fehling, der wie ein moderner Siegfried wirkt, spielt aber selbst in den persönlichsten, emotionalsten Momenten immer ein wenig zu distanziert, zu verkopft. Man kommt ihm nicht wirklich nahe. Daher sind die emotional stärksten Szenen immer jene, in denen die Opfer auftreten und von ihrem Schicksal erzählen. Und diese Momente retten den ganzen Film.
Ein wenig problematisch ist auch die Figur des Fritz Bauer, der ein wenig undurchsichtig angelegt ist. Er scheint von Anfang an mehr zu wissen, als er zugibt, und den Helden auf die Probe zu stellen, wobei seine Intentionen nie klar werden. So wird er ungewollt zum Hemmschuh, obwohl er doch eigentlich der stärkste Verbündete ist. Warum seine Figur weitgehend aus den Ereignissen herausgehalten wurde, obwohl sie doch eng mit ihnen verbunden ist, erschließt sich außerdem nicht ganz.
Weitgehend belanglos wird auch das Privatleben Radmanns geschildert, seine Beziehung zur patenten Marlene (Friederike Becht) und sein persönlicher Konflikt, wenn er sich gegen Ende fragt, inwieweit sein eigener, im Krieg vermisster Vater in die Machenschaften des Regimes verstrickt war. Der Film will thematisch und dramaturgisch zu viel, er will Sittenbild sein, ein Politthriller, der von der Jagd auf Mengele erzählt, er will aber auch eine moralische-philosophische Auseinandersetzung provozieren, indem er die Frage nach der Banalität des Bösen stellt und den Ursachen dafür nachforscht, warum aus freundlichen Bäckern, Ärzten und Lehrern Monster werden konnten. Letzten Endes muss er an seinen Ansprüchen scheitern, obwohl ihm im Ansatz doch vieles gelingt.
Verglichen mit Der Staat gegen Fritz Bauer ist Im Labyrinth des Schweigens zwar weniger eindringlich und beklemmend, dafür aber zumindest stellenweise emotionaler und insgesamt gefälliger. Anschauen sollte man sich beide.
Note: 3