In Hollywood kam es schon häufiger vor, dass zwei Filme über dasselbe Ereignis herauskamen, dass zweimal derselbe Stoff verfilmt wurde, in Deutschland ist das eher seltener der Fall. Vor zwei, drei Jahren ist es aber passiert, da erschienen innerhalb eines knappen Jahres gleich zwei Filme über den Frankfurter Generalstaatsanwalt Fritz Bauer bzw. den ersten Auschwitzprozess, den er maßgeblich mit auf den Weg gebracht hat.
Filme über die deutsche NS-Vergangenheit werden ja mit schöner Regelmäßigkeit produziert, manche finden sogar, es werden viel zu viele in die Kinos gebracht. Angesichts der jüngsten Entwicklungen in unserem Land – NSU und AfD, um mal zwei Schlagworte in den Raum zu werfen – sind solche Geschichte immer noch bitter nötig, um gerade die Jugend zu sensibilisieren und aufzuklären. Und wenn man sich beide Filme ansieht, erkennt man vor allem eines mit Erschrecken: das gesellschaftliche Klima Ende der Fünfziger, Anfang der Sechziger war ein ganz anderes. Damals wollte man lieber verdrängen und vergessen, aber nicht die Verbrechen der Vergangenheit aufklären und sühnen. Es war ein ganz anderes Deutschland, gewissermaßen die dunkle Seite des Bildes vom Wirtschaftswunderland, das so gerne propagiert wird.
Ich habe mir beide Filme zum Thema innerhalb weniger Tage angesehen und dabei festgestellt, dass sie gar nicht so gleich sind. Der Staat gegen Fritz Bauer kam im Oktober 2015 in die Kinos, spielt zeitlich aber vor Im Labyrinth des Schweigens, der bereits im November des Vorjahres erschienen war. Zusammen ergeben sie ein interessantes Bild der damaligen Gesellschaft und ihres Umgangs mit der NS-Vergangenheit.
Der Staat gegen Fritz Bauer
Ende der Fünfzigerjahre in Frankfurt: Der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghardt Klaußner) bemüht sich nach Kräften, Nazi-Verbrecher vor Gericht zu bringen, scheitert aber meist an seiner eigenen Behörde, die seine Arbeit torpediert und ihn isoliert. BKA und selbst das Kanzleramt sind durchsetzt von Alt-Nazis, die ihre Gesinnungsgenossen eher vor der Strafverfolgung warnen als sie zur Verantwortung zu ziehen. Als Bauer einen Hinweis darauf bekommt, dass Adolf Eichmann sich in Argentinien versteckt hält, wendet er sich an den Mossad, damit dieser tätig wird. Doch dort verlangt man zunächst die Bestätigung durch eine zweite Quelle. Bauer spielt ein gefährliches Spiel: Unterstützt von dem jungen Staatsanwalt Angermann (Ronald Zehrfeld) versucht er, eine zuverlässige Quelle zu finden, ohne dabei seinen Gegner beim BKA (Jörg Schüttauf) aufzuscheuchen, denn die Zusammenarbeit mit dem Mossad gilt als Landesverrat …
Die Fünfzigerjahre verbindet man gemeinhin mit dem Wirtschaftswunder, Petticoats und dem Wiederaufbau nach dem Krieg. Ein frischer Wind wehte durch Deutschland, das sich demokratisch und freiheitlich gibt. Doch das ist nur die eine, offizielle Seite, denn unter der Oberfläche waren nach wie vor Kräfte am Werk, die man überwunden glaubte. Die alten Seilschaften waren noch immer intakt, die Sünden der Vergangenheit noch lange nicht gesühnt, auch wenn die erste Garde der Nazi-Verbrecher zumindest teilweise abgeurteilt war. Doch noch immer gab es genügend unbedeutendere Täter und Mitläufer in den Schaltstellen der Macht, von denen die Regierung glaubte, dass sie für das reibungslose Funktionieren des Staates unerlässlich seien. Man war eben auf dem rechten Auge blind. Auch die Alliierten, allen voran die Amerikaner, hatten keinerlei Interesse daran, dass ein Skandal die Grundfesten der jungen Bundesrepublik erschüttert, zu wichtig war Deutschland im Kalten Krieg. Aus diesem Grund ließen sie, obwohl sie von seinem Aufenthaltsort in Argentinien wussten, Eichmann in Ruhe.
Kein Wunder, dass sich ein engagierter Staatsanwalt wie Bauer, der als Jude und sozialdemokratischer Politiker im KZ saß und den Krieg im dänischen und später schwedischen Exil überlebte, wie ein Aussätziger in seiner eigenen Behörde fühlte. Vertrauen zu Angermann fasst er erst, als er erkennt, dass dieser wie er selbst homosexuell ist und daher ebenso ein Außenseiter. Mit Angermann findet der Film auch sein zweites Thema, die Strafverfolgung Homosexueller, die beredt die Doppelmoral jener Zeit anprangert, in der Nazis unbehelligt bleiben, Männer aber aufgrund ihrer sexuellen Orientierung hinter Gitter wandern. Das wird zwar nicht schlecht erzählt, passt aber nicht so recht zusammen, vielleicht auch weil dieser Teil der Handlung reichlich plump und klischeebeladen umgesetzt ist.
Zehrfeld wirkt als Angermann durchaus sympathisch, aber nicht so überzeugend und kraftvoll wie sonst; es scheint, als spiele er mit angezogener Handbremse. Klaußners Bauer überzeugt dagegen auf ganzer Linie. Die Regie von Lars Kraume ist durchweg solide, für einen Kinofilm aber insgesamt zu brav, zu konventionell und leidenschaftslos. Obwohl man sich über die Haltung mancher Beamter – etwas zu grobschnitzartig von Schüttauf und Sebastian Blomberg verkörpert – empört, weckt der Film keine tiefergehenden Emotionen.
Note: 3+
Morgen geht es an dieser Stelle dann um Im Labyrinth des Schweigens.