Nachdem die Portionen am Vorabend ja recht übersichtlich ausgefallen waren, waren wir sehr auf das Frühstück gespannt. Der Küchenchef hat sich auch diesmal wieder viel Mühe gegeben und eine große Tafel voller Leckereien hergezaubert, allerdings war das meiste davon süßer Natur. Immerhin gab es Obst und sogar etwas Schinken und Käse.
Solchermaßen gestärkt, ging es los nach Agrigento, das vom Tal der Tempel aus betrachtet mit seinen vielen Hochhäusern ein wenig an Hongkong erinnert, von der Zahl seiner Einwohner her doch eher beschaulich ist. Leider liegt es wie so viele Städte hier an einem Hang, und die Normannen haben den Dom als Wehrkirche auf die höchste Erhebung gesetzt. Da es außerdem heiß werden sollte und die Hitze sich dermaßen in den engen Gassen stauen kann, dass die Einwohner einen ihrer Marktplätze „Fegefeuer“ genannt haben, dachten wir uns, wir klettern den Berg lieber rauf, solange es noch einigermaßen kühl ist.
Anstrengend war es dennoch, und als wir oben ankamen, stellten wir fest, dass die Kathedrale renoviert wird. Man konnte sie trotzdem besichtigen, und ich bin sogar noch auf den Turm hinaufgestiegen. Von dort aus kann man nicht nur das Kirchenschiff von oben betrachten und einen Blick auf die aufwändig geschnitzten und bemalten Balken seiner Holzdecke werfen, sondern hat noch einen vorzüglichen Blick aufs Meer und die umliegende Landschaft. Außerdem wird in einer Kammer des Turms der „Brief des Teufels“ verwahrt, den eine Nonne des 16. oder 17. Jahrhunderts angeblich in einem Zustand der Besessenheit in einer unbekannten Schrift verfasst hat und den bislang keiner entziffern konnte. Man sollte ja meinen, dass der Teufel, wenn er uns denn etwas zu sagen hat, sich einer eindeutigeren Sprache bedienen würde, aber wer bin ich, diese schöne Legende hinterfragen zu wollen?
Ein paar andere Kirchen standen auch noch auf unserem Besichtigungsprogramm, doch Agrigento ist nicht so riesig, dass man das alles nicht an einem Vormittag erledigen könnte. Wir waren sogar noch in einem ehemaligen Kloster, das nun zu einem kleinen Museum umgebaut wurde. Leider ist ein Teil der geräumigen Klosteranlage bereits zur Ruine geworden, und auch sonst überall in der Stadt sieht man ähnliche Gebäude in einem mehr oder weniger fortgeschrittenen Stadium des Verfalls. Überhaupt sind die Häuser hier in einem schlechteren Zustand als in anderen Städten auf unserer Reise, und das stimmt einen schon etwas traurig.
Da wir am Vortag keine Zeit mehr für das archäologische Museum gehabt hatten, holten wir dieses noch nach. Am interessantesten war eine rund acht Meter hohe Figur, die einst die Decke des Zeus-Tempels gestützt hatte, ansonsten gab es vor allem eine Menge Keramik zu sehen sowie diverse Statuen, Münzen und bauliche Überreste. Verglichen mit den Altertumsmuseen in Rom oder Neapel sind die Exponate weniger beeindruckend, doch lohnt sich ein Besuch durchaus.
Blöd war nur, dass wir den Parkplatz nicht finden konnten. Die Italiener stellen ja bekanntlich eher wenig Schilder auf, so dass wir zweimal an der Abzweigung vorbeigefahren sind. Aber selbst als wir wussten, wo wir abbiegen mussten, waren wir noch unsicher, denn der Weg zum Parkplatz war ein schlecht gewarteter Feldweg mit so tiefen Fahrrillen, dass selbst ein Eselkarren Probleme bekommen hätte.
Um uns zu belohnen ging es nach so viel Kultur noch an den Strand. Die Scale dei Turchi, die Türkentreppe, liegt nur wenige Kilometer von Agrigento entfernt und ist ein beliebtes Ausflugsziel. Im Sommer dürfte an diesem abgelegenen Küstenabschnitt die Hölle los sein, jetzt war es „nur“ völlig überlaufen. Menschen krabbelten wie Ameisen die Kalksteinfelsen hinauf, um von dort einen spektakulären Blick auf die wild-romantische Küste zu werfen, lagen am Strand oder wateten ins flache und unglaublich warme Wasser hinaus. Es war einfach nur großartig.
Auf einem warmen Felsen zu sitzen, die Füße im Wasser baumeln zu lassen und an nichts Böses, vor allem aber nicht an das scheußliche Wetter in Deutschland denken zu müssen, mit dem wir uns bald wieder abfinden müssen, hat diesem insgesamt doch ziemlich anstrengenden Tag ein wunderbares Ende beschert.