Eine Überdosis Schönheit

Das Wochenende naht und spült eine Menge neuer Wanderer in die Stadt, und sie alle wollen vor allem eines sehen: The Wave. Am Freitagmorgen waren wieder über achtzig Leute bei der Lotterie versammelt, und erneut gingen wir leer aus. Dafür erwartete uns im Anschluss an die Ziehung unser persönlicher Tourguide Brent, der uns und zwei Amerikaner zu zwei schwer zugängliche, aber wunderschöne Bereiche in der Gegend fahren sollte.100_4677

100_4675Der erste Halt, White Pockets, liegt im Vermilion Cliffs National Monument, und die Fahrt dorthin führte uns fast den gesamten Weg zurück zu unserem letzten Aufenthaltsort Marble Canyon. Wir bogen aber vorher auf eine sogenannte Dirt Road ab, die ihren Namen mehr als verdient hatte. Die Strecke war recht holperig, aber nichts im Vergleich zu dem, was danach folgen sollte. Je höher wir kamen, desto mehr fuhren wir buchstäblich über Stock und Stein. Manche Felsen auf dem Weg waren wie die Stufen einer Treppe, dann wieder folgten Stellen, die nur aus Sand bestanden. Unser kleiner Mietwagen hätte das nie geschafft.

100_4707SAM_5472Brent bretterte aber gelassen über die Piste wie ein alter Hase – immerhin hat er diese Tour in den vergangenen zwei Wochen nahezu jeden Tag gemacht. Wir wurden tüchtig durchgerüttelt, konnten uns aber dafür an der schönen Landschaft erfreuen. Unterwegs stießen wir auf ein paar kanadische Bekannte von der Lotterie, die ebenfalls eine Erlaubnis für diesen Teil des Parks ergattert hatten und sich uns anschlossen, weil sie Angst hatten, sich zu verirren. Kein ganz abwegiger Gedanke, denn die Beschilderung im Park ist (absichtlich) recht ungenau gehalten. Sie wollen gar nicht so viele Besucher, außerdem sind für die zwei Millionen acres nur drei Rancher zuständig! Da der Weg zudem über das Gebiet zweier Farmen führt, besteht zudem die Gefahr von einem Einheimischen erschossen zu werden. Und Brent hat das nur halb im Spaß gesagt…

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SAM_5459SAM_5422Nach zwei Stunden Fahrt hatten wir endlich unser Ziel erreicht: White Pockets ist ein Traum in Weiß und Gelb, mit Felsen, deren Oberfläche an Schildkrötenpanzer erinnern, und einer Aussicht, die schlicht atemberaubend ist. Es ist ein bisschen wie das Venedig der Naturparks – egal, wohin man blickt, überall erblickt man nichts als Schönheit. Zwei Stunden lang erkundeten wir staunend die Gegend, bevor wir einen kleinen Imbiss zu uns nahmen und zur nächsten Station aufbrachen.

100_4736SAM_5582South Coyote Buttes liegt nur wenige Meilen von The Wave entfernt und sieht auch so ähnlich aus. Es gibt sogar eine kleine Welle hier, und nicht wenige behaupten, dass der südliche Teil schöner sei als der nördliche. Die vielen roten und gelben Felsen, die in zahllosen, teilweise papierdünnen Schichten übereinander liegen, verleihen der Landschaft etwas Exotisches, als befände man sich auf einem anderen Planeten oder in einem Hollywoodfilm. Am späten Nachmittag glühten die Steine geradezu in der tiefer stehenden Sonne. Ein wunderschöner Anblick!

Wie ich schon sagte, für South Coyote Buttes braucht man bereits jetzt eine Erlaubnis, und mehr als zehn werden pro Tag nicht vergeben (vermutlich noch einmal zehn werden übers Internet ausgelost). Weil immer mehr Leute zur Wave wollen, aber keine Erlaubnis bekommen, werden in Zukunft wohl noch mehr hierher ausweichen. Für White Pocket ist im Moment keine Sondererlaubnis notwendig, es wird aber überlegt, auch hier eine Lotterie einzuführen. Ein limitierter Zugang tut aber auch not, bereits jetzt kann man sehen, welche Schäden unachtsame Besucher anrichten…

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Die Rückfahrt verlief weitgehend schweigend. Wir waren müde und wie berauscht von soviel Schönheit. Aber wir hatten auch Hunger, und so suchten wir zum dritten Mal in Folge unseren neuen Lieblingsmexikaner auf. Das Escobar’s war wie gewohnt gerappelt voll, aber wir mussten zum Glück nicht länger als fünfzehn Minuten auf unseren Tisch warten. Chimichangas (tolles Wort!), Chile Rellano (eine milde grüne Chilischote, gefüllt mit Käse, in einer Eihülle angebraten und mit Tomatensalsa serviert) und Tostadas. Ich bekomme schon Appetit, wenn ich nur daran denke…

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2013 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.