Birnenkuchen mit Lavendel

Seit Ziemlich Beste Freunde hat der französische Film in der Gunst der Zuschauer eine kleine Renaissance erlebt. Manche Produktionen sind hierzulande mittlerweile sogar erfolgreicher als im Ursprungsland, und obwohl viele hauptsächlich im Arthousekino laufen, sind sie meistens eher mainstreamorientiert. Ein Grund für die zunehmende Beliebtheit liegt sicherlich darin, dass es eine gewisse Sehnsucht nach einer anderen Art von Film gibt, ohne Superhelden, Weltrettung und Krawall, dafür mit authentischen Figuren und Warmherzigkeit. Außerdem wohnt französischen Filmen gerne eine Lebenslust und Eleganz inne, eine Leichtigkeit in der Erzählweise, die einem einen angenehmen Abend und einen beschwingten Heimweg garantieren.

Birnenkuchen mit Lavendel war vergangenes Jahr ein solches Kinojuwel, von vielen Zuschauern geliebt und relativ erfolgreich. Leider konnte ich ihn damals nicht sehen, aber mittlerweile nachholen – eine Zufallsentdeckung im Fernsehen, als ich nach der Tagesschau nicht wie sonst üblich ausgeschaltet habe …

Birnenkuchen mit Lavendel

Louise (Virginie Efira) hat vor einiger Zeit ihren Mann verloren und muss sich seither allein um ihren Obsthof und die beiden Kinder kümmern. Doch die Geschäfte gehen nicht gut, sie hat Schulden bei der Bank, und ihr Hauptabnehmer lässt sich viel Zeit mit der Bezahlung. Eines Tages läuft ihr Pierre (Benjamin Lavernhe) vors Auto, der das Asperger-Syndrom hat, Zahlen und Ordnung liebt und immer sehr direkt sagt, was er meint. Die beiden verstehen sich auf Anhieb, es entwickelt sich sogar eine verhaltene Romanze, die aber durch das Problem erschwert wird, dass Pierre keine Berührungen erträgt …

Viele Menschen mit Autismus mögen keine Filme über Menschen mit Autismus, weil sie darin so oft falsch dargestellt werden. Natürlich gibt es tatsächlich Inselbegabungen, sie sind aber nicht so häufig oder stark ausgeprägt, wie es Literatur und Film suggerieren. Insofern ist Pierre eine ziemlich stereotype Figur, der aufgrund seines mathematischen Genies natürlich nicht nur Louises Finanzen in Ordnung bringt, sondern auch ein gewiefter Hacker ist, diese Fähigkeit aber wegen seines unschuldigen Wesens nur zum Guten einsetzt. Außerdem hat er auch synästhetische Wahrnehmungen und ein fotografisches Gedächtnis – man kann in seinem Fall also schon nicht mehr nur von Inselbegabung sprechen, sondern gleich von einem ganzen Archipel.

Auch die anderen Figuren bleiben eher blass und nichtssagend. Louise ist ein bisschen verhuscht, aber ansonsten eine ganz Liebe, ihre Kinder rebellieren zwar gegen sie, aber im Rahmen des Erträglichen, und selbst die böse Frau vom psychologischen Dienst, die Pierre begutachten und gegebenenfalls eine Heimunterbringung veranlassen soll, ist im Grunde eine verständnisvolle Frau. Lauter nette Menschen also.

Nette Menschen verursachen aber keine Konflikte, und deshalb mangelt es der Geschichte daran. Dabei hat sich Autor und Regisseur Éric Besnard einiges einfallen lassen, um es seinen Figuren nicht allzu leicht zu machen. Aber weder ihre Trauer noch ihre finanziellen Probleme scheinen Louise wirklich zu belasten, und auch die zarte Romanze zwischen ihr und Pierre kann sich entwickeln, weil jeder unheimlich rücksichts- und verständnisvoll ist. Selbst der Nebenbuhler weiß nicht so recht, was er will. Unentschlossenheit und Verzagtheit prägen das Handeln der Figuren und lähmen so die Geschichte.

Aber trotz all dieser Schwächen, des langsamen Tempos und der vielen Längen, die der Film hat, besticht er in erster Linie durch seine schwerelose Atmosphäre und seine tollen Bilder. Die Kamera schwelgt so sehr im zarten Frühlingsgrün, im Sonnengelb der Felder und den satten Violett-Tönen des Lavendels, dass man unverzüglich eine Reise in die Provence buchen möchte. Louises Hof ist ein malerisches Gehöft, und selbst die harte Arbeit in den Obsthainen scheint noch Spaß zu machen. Der titelgebende Birnenkuchen mit Lavendel wird allerdings nie erwähnt …

Leichte sommerliche Komödie aus Frankreich, der man trotz vieler Schwächen einfach nicht böse sein kann.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.