Horrorfilme waren früher fast so etwas wie die Schmuddelkinder des Films. Sie wurden goutiert und von den Fans gefeiert, galten allerdings eher selten als cineastische Meisterwerke. Inzwischen hat sich einiges geändert, das Genre ist populärer denn je, findet ein immer größeres Publikum und wird auch im Feuilleton besprochen. Ganz besonders dann, wenn sich ein Film einem bestimmten, gesellschaftlich relevanten Thema verschrieben hat. Das ist dann quasi Horror mit Anspruch …
Get Out
Chris (Daniel Kaluuya) fährt mit seiner Freundin Rose (Allison Williams) übers Wochenende zu ihren Eltern, die er bei der Gelegenheit zum ersten Mal trifft. Dass er Afro-Amerikaner und sie weiß ist, macht die Sache etwas komplizierter, aber Chris wird von Missy (Catherine Keener), einer Hypnose-Therapeutin, und Dean (Bradley Whitford), einem Neurochirurgen, mit offenen Armen aufgenommen. Doch etwas ist seltsam an dem Verhalten der farbigen Haushaltshilfen (Betty Gabriel und Marcus Henderson), und auch das Benehmen der weißen Freunde der Familie, die zu einem Gartenfest auf dem Anwesen eintreffen, ist mehr als nur sonderbar. Als Chris‘ Freund Rod (LilRel Howery) hört, dass Missy ihn hypnotisiert hat, um ihn von seiner Nikotinsucht zu befreien, steht für ihn fest: Diese Weißen wollen ihn unter Kontrolle bringen und versklaven …
Horrorfilme sind häufig auch ein Kommentar zu bestimmten gesellschaftlichen Themen, und man muss sagen, dass es eine clevere Idee war, den Rassismus-Konflikt, der seit ein paar Jahren in den USA offener denn je eskaliert, zu benutzen, um die Ängste der Zuschauer zu schüren. Von Anfang an herrscht in dem Film von Jordan Peele, der auch das Drehbuch schrieb, eine beklemmende Atmosphäre, eine schwer greifbare, aber unleugbare Bedrohung und Feindseligkeit unter der aufgesetzten Fröhlichkeit. Verstärkt wird dieses Gefühl noch, weil man bereits in der ersten Szene sieht, wie ein Afro-Amerikaner in einer reichen, weißen Vorstadt entführt wird.
Aber ein guter Film besteht nicht nur aus einer guten Grundidee und einer angsteinflößenden Atmosphäre, er braucht auch eine gute Geschichte, und die hat Get Out leider nicht. Schon der Trailer erinnert auf frappierende Art und Weise an Die Frauen von Stepford, nur dass es in diesem Fall um Rassismus und nicht um Emanzipation geht. In beiden Fällen sind die Aggressoren jedoch weiße Männer (bei Get Out immerhin auch Frauen), die ihre gesellschaftliche Vormachtstellung bedroht sehen und zu drastischen Mitteln greifen.
Die Grundidee ist also nicht sonderlich originell, und wer sich jemals mit Hypnose beschäftigt hat, weiß auch, dass das, was im Film darüber erzählt wird, nicht funktionieren kann, aber das ist alles nicht weiter schlimm. Denn die Umsetzung ist clever gemacht und effektvoll inszeniert und der Film funktioniert bis zur Mitte auch hervorragend. Problematisch wird es erst gegen Ende, wenn das Geheimnis dieser sonderbaren Familie aufgelöst wird und Jordan Peele der Geschichte noch einen überraschenden Twist geben will, der leider so richtig schief geht. Er wirft nicht nur jede Menge neuer Fragen auf, sondern führt darüber hinaus auch sein Thema ad absurdum.
Ich will nicht zu viel verraten, aber die Entdeckung hat beim Publikum für unfreiwillige Komik gesorgt und ist so aberwitzig und verrückt, dass man den Film danach einfach nicht mehr ernst nehmen kann. Zum Glück ist er dann aber auch so gut wie vorbei und rettet sich in eine blutige Flucht des Hauptdarstellers, deren Brutalität weitgehend ausgeblendet wird. Das ist erfreulich anders als andere Filme dieses Genres, die ja gerne im Detail zeigen, wie Leute gemetzelt werden, hat vermutlich aber eher damit zu tun, dass man bestimmten Bilder vermeiden wollte: Ein meuchelnder Schwarzer, der blutige Rache an seinen weißen Peinigern nimmt, würde ein weißes Publikum vermutlich zu sehr verschrecken. Zwei Dinge lassen sich daraus ableiten: Zum einen sind die USA bei der gesellschaftlichen Aufarbeitung des Themas Rassismus noch Lichtjahre von einer Lösung entfernt, wenn solche Befindlichkeiten tatsächlich den künstlerischen Ausdruck beschneiden, und zweitens ist ein gutes Einspielergebnis wichtiger als Politik.
Nur zwei Dinge bewahren den Film vor dem Absturz: Neben dem glücklichen Ende ist es die Figur des Don, der eine gehörige Portion Humor ins Spiel bringt und der Geschichte somit ihre Schwere nimmt. In gewisser Weise ist er zwar ein Fremdkörper in der Handlung, weil der Film bei jedem seiner Auftritte plötzlich den Tonfall wechselt, aber ohne ihn wäre das Ende kaum zu ertragen.
Note: 3-