deutsche Serien

Das goldene Zeitalter des Fernsehens. Meine Güte, wie oft habe ich diese Formulierung in den letzten Jahren schon gehört? Ja, es stimmt – und stimmt wieder nicht, denn genau genommen ist es ein goldenes Zeitalter der TV-Serie. Oder was ist an der Flut von Reality Soaps, Quizsendungen oder Castingshows glorreich? Im Gegenteil, das Fernsehprogramm ist kontinuierlich so schlecht geworden, dass man außer Nachrichten, Dokumentationen und Serien kaum noch etwas anschauen kann, ohne einen permanenten Würgereiz zu verspüren. Zumindest geht es mir so.

Hier soll es jetzt aber nicht um den Vorteil der Serie gegenüber dem Kino oder dem Film an sich gehen, obwohl es auch dazu viel zu sagen gäbe. Sicherlich, die Serie kann mehr in die Breite des Stoffes und in die Tiefe der Charaktere gehen, aber in seiner Reduktion auf das Wesentliche, in klugen Auslassungen und subtilen Anspielungen vermag auch der Film Beachtliches zu leisten. Und für manche Geschichten sind anderthalb oder zwei Stunden völlig ausreichend, um sie zu erzählen.

Ein Grund für den Erfolg der Serie ist sicherlich auch, dass das Kino viele Themenfelder und Genres nicht mehr mit derselben Sorgfalt und Intensität beackert wie noch vor zwanzig oder mehr Jahren. Die großen Studios konzentrieren sich auf ihre Tentpoles und vernachlässigen nahezu alles andere, und auch der Independentfilm wird mit schöner Regelmäßigkeit für tot erklärt, bevor wieder jemand die Behauptung aufstellt, dass ausgerechnet die Streamingdienste seine Rettung sein könnten. Aber auch das ist ein weites Feld.

Nein, heute geht es um deutsche Serien, denn seit einiger Zeit bemühen sich die hiesigen Sender ebenfalls um Prestigeprojekte, in der Hoffnung, in derselben Liga mitspielen zu können wie manche europäische Nachbarn – das kleine Dänemark zum Beispiel mit seinen international erfolgreichen Produktionen – oder gar Hollywood. Es gab einige Achtungserfolge, aber der ganz große Wurf war bislang noch nicht dabei. Ich habe mir in den vergangenen Monaten einige angeschaut – oder es zumindest versucht …

Die Deutschen sind ein Volk der Krimifanatikern. Liebhaber reicht schon nicht mehr, angesichts der Schwemme an Kriminalliteratur und Serien, die sich mit der Aufklärung von Verbrechen beschäftigen. Jede Großstadt verfügt inzwischen über einen eigenen Tatort-Ableger, und es werden dennoch immer wieder neue Serien entwickelt und ausgestrahlt. Da ich kein großer Fan des Genres bin, lasse ich diese per se links liegen. Wenn ich mir einen Krimi ansehe, dann muss er schon einen besonderen Twist haben oder wenigstens interessante Charaktere, aber eine gewöhnliche Wald- und Wiesenermittlung ist mir inzwischen zu langweilig.

Aber ich mag Mystery, weshalb ich ziemlich neugierig auf Weinberg war. Es war die erste deutsche Serie von TNT, und die Geschichte klang gar nicht mal uninteressant. Noch vor dem Ende des Piloten war für mich jedoch schon wieder Schluss – es gab einige so furchtbar schlechte schauspielerische Leistungen, dass ich die Episode abbrechen musste. Bei einer packenden Geschichte hätte ich vielleicht noch darüber hinwegsehen können, aber so richtig in Fahrt kam die Story leider auch nicht.

Auch von anderen Serien habe ich nur den Piloten gesehen, und manchmal nicht einmal bis zum Schluss. Morgen hör ich auf ist so ein Kandidat, angeblich die deutsche Antwort auf Breaking Bad – und von der Serie war ich schon nicht so begeistert. Von You Are Wanted habe ich eine knappe halbe Stunde durchgehalten, bevor ich eingeschlafen bin. Auf Charité war ich neugierig, weshalb ich mir die erste Folge ansehen wollte, die gar nicht mal so schlecht war – zumindest gemessen am Standard von vor dreißig Jahren. In den Achtzigern wäre das ein Quotenhit gewesen, jetzt wirkt es angesichts von Produktionen wie The Knick nur kraft- und mutlos. Dennoch hätte ich durchaus weitergeschaut, wenn es nicht so ein reichhaltiges Angebot an besseren, ausländischen Serien gäbe. Es mag ja Leute geben, die sich nach deutschen Schauspielern und deutschen Themen sehnen, ich sehne mich eher nach guten Geschichten.

Dabei können wir doch Historienstoffe. Unsere Mütter, unsere Väter soll ja gelungen sein, ich habe sie seinerzeit nicht gesehen, weil ich im Ausland war, und mein Verlangen, die Serie nachzuholen, hält sich angesichts des Nazi-Themas etwas in Grenzen. Dafür habe ich mir Deutschland 83 angesehen und fand es stellenweise richtig gut. Vielleicht war es ein Zufall, aber kürzlich lief auf dem ZDF ebenfalls eine Spionageserie, diesmal in den Siebzigern angesiedelt, und das war eine thematische Dopplung, die man nur als unglücklich bezeichnen kann.

Inhaltliche Wiederholungen gab es auch bei drei anderen Serien – und diesmal habe ich sogar jede davon in ganzer Länge gesehen: Im Angesicht des Verbrechens stammt aus dem Jahr 2010 und behandelt die Russenmafia, Tempel erzählt ebenfalls eine Geschichte aus dem Berliner Milieu, diesmal geht es um einen Boxer, der von seiner kriminellen Vergangenheit eingeholt wird, und dann ist da noch 4 Blocks über einen arabischen Verbrecherclan. Alle drei Serien spielen im Berliner Gangster-Milieu, handeln von Freundschaft und Verrat und organisiertem Verbrechen, alle drei sind gelungen – aber leider auch kein bisschen originell. Das alles hat man schon so oft gesehen, dass man bereits nach der ersten Folge weiß, wie sich die Geschichte entwickeln und ausgehen wird. Das ist zwar schade, aber durchaus in Ordnung, solange es wenigstens gut erzählt wird. Nachdem ich letzte Woche die vorerst letzte Folge von 4 Blocks gesehen habe, muss ich sagen, dass es die beste der drei Serien ist, sie ist authentisch, hat ein gutes Gespür für ihre Figuren und die Welt, in der sie leben, und ist spannend umgesetzt. Für eine deutsche Produktion ist das schon eine ganze Menge.

Im Herbst startet dann Berlin Babylon, die aufwändigste deutsche Serienproduktion und das Projekt, in das die größten Hoffnungen gesetzt werden. Und natürlich ist es – ein historischer Krimi …

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Pi Jays Corner von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.