Bei mir hat schon vor geraumer Zeit eine gewisse Superhelden-Müdigkeit eingesetzt. Die Geschichten sind zu formelhaft und austauschbar, und die Helden unterscheiden sich meistens nur durch ihre jeweiligen Eigenschaften. Ob jetzt Captain America, Thor, Spider-Man oder Iron Man, einer der Kerle zieht los und rettet die Welt vor einer gigantischen Bedrohung, häufig in Gestalt eines Superschurken. Das heißt nicht, dass ich mir ab sofort keine Comic-Verfilmungen mehr anschauen werde, aber meine Erwartungshaltung hat sich geändert, man könnte auch sagen: Ich erwarte eigentlich gar nichts mehr, außer ein gewisses Maß an Unterhaltung. Sicher, in gewisser Weise trifft das ebenfalls auf andere Genres zu, auch romantische Komödien werden immer nach dem gleichen Muster gestrickt – andererseits gibt es nach einer wahren Flut von solchen Filmen mittlerweile kaum noch welche …
Immerhin gibt es nun eine neue Art von Held im Superhelden-Universum: einen weiblichen. Das sollte in den Zeiten der Gleichberechtigung eigentlich nicht weiter bemerkenswert sein, ist es aber leider doch, was viel über uns und das Verhältnis der Geschlechter zueinander aussagt. Auch in Hollywood wird weiter diskriminiert, das beginnt mit der unterschiedlichen Bezahlung der Schauspielerinnen und endet noch lange nicht bei ihrer Ausmusterung ab einem bestimmten Alter. Insofern ist es allerhöchste Zeit für die erste richtige Superheldin.
Wonder Woman
Diana (Gal Gadot) wächst auf einer verborgenen Insel in der Ägäis auf, die von Amazonen bevölkert wird. Geschaffen, um zwischen Menschen und Göttern zu vermitteln und Frieden zu bringen, haben die kriegerischen Frauen sich vor Urzeiten zurückgezogen, nachdem Ares Krieg und Misstrauen zwischen den Menschen gesät hatte und von Zeus besiegt worden war. Als im Ersten Weltkrieg der amerikanische Spion Steve (Chris Pine) in einem gestohlenen deutschen Flugzeug auf der Amazonen-Insel landet, ändert sich Dianas Leben auf einen Schlag. Sie erfährt von den Schrecken des Krieges und General Ludendorffs (Danny Huston) Plänen, ein neues, tödliches Gas einzusetzen. In ihm glaubt sie, eine Inkarnation von Ares zu erkennen, und zieht mit Steve los, um ihn zu besiegen …
Der erste Teil eines neuen Franchises erzählt in der Regel davon, wie der Held zu dem wurde, was er ist. Auch Wonder Woman folgt diesem Muster, erledigt diese Aufgabe jedoch schon relativ früh, um sich dann dem ersten Abenteuer der Amazone zu widmen, was wesentlich spannender ist. Dass die amerikanischen Drehbuch- und Comicautoren dabei die griechische Mythologie komplett durcheinanderwirbeln und die Amazonen zu einer Art antiken, multilingualen Weißhelm-Truppe machen, ist für den einschlägig bewanderten Betrachter vielleicht etwas befremdlich, aber irgendwie auch verständlich. Amerikaner mögen es nun einmal leicht verständlich, und diese Geschichten werden in erster Linie ja für Teenager geschrieben, denen man mit vielem kommen darf, nur nicht mit ausufernder Historie. Warum Diana allerdings nach der römischen (!) Göttin der Jagd benannt ist, kann ich mir auch nicht erklären, vermutlich weil der Name leichter auszusprechen ist als ein griechischer.
Falls es jemanden interessiert: Dianas Mutter, die von Connie Nielson dargestellte Amazonenkönigin Hippolyta ist laut Überlieferung eine Tochter des Ares, also genau des Gottes, der im Film ihr erbittertster Feind ist. Streng genommen ist also der finale Kampf zwischen Diana und Ares eine schräge Art der Familienzusammenführung, die einer Seifenoper würdig wäre und Freud in Verzückung versetzen würde.
Erfunden wurde Wonder Woman allerdings von einem Mann, jedoch einem ausgewiesenen Feministen, der noch dazu gemeinsam mit seiner Frau Elizabeth an der Erschaffung des Charakters gearbeitet hat: William Moulton Marston. Das war bereits 1941, womit Wonder Woman zu den ältesten Superhelden überhaupt zählt und nur drei Jahre jünger als Superman ist. Ausgestattet ist sie mit magischen Gegenständen, Armschienen, die Geschosse, sogar Granaten (!) abwehren können, und einem Lasso, das jeden, der damit gefesselt wird, zwingt, die Wahrheit zu sagen. Interessanterweise war Marston auch der Erfinder des Lügendetektors. Berücksichtigt man zusätzlich das farbliche Erscheinungsbild der Dame, das an die amerikanischen Nationalfarben erinnert, kann man von Wonder Woman durchaus auch als einem Cowgirl sprechen.
Für den Film wurde die Handlung vom Zweiten in den Ersten Weltkrieg verlagert, was kein schlechter Schachzug ist, denn genau zu jener Zeit wurde auch ein anderer Kampf geführt, nämlich der um das Wahlrecht für Frauen. Leider gerät dieser Aspekt völlig ins Hintertreffen, lediglich ein paar kleinere Anspielungen sind noch enthalten. Dennoch habe ich den Eindruck, dass die Geschichte mit Nazis eindrucksvoller gewesen wäre, jetzt gibt es zwar auch die bösen Deutschen, aber so richtig überzeugend ist das alles nicht. Da hilft es auch nicht, als weiteren Gegenspieler eine Frau zu etablieren, die fast das genaue Gegenteil der heroischen Diana ist: Dr. Maru (Elena Anaya) ist eine Art weiblicher Dr. Mabuse, eine schablonenhafte verrückte Wissenschaftlerin, die das tödliche Gas zusammenmixt. Sowohl sie als auch Ludendorff sind die reinsten Karikaturen.
Die Story selbst bietet auch keinerlei Überraschung und verströmt nicht den Hauch von Originalität. Immerhin ist das Ganze temporeich und spannend in Szene gesetzt, auch wenn der Einsatz von Wonder Womans Superkräfte völlig unvorbereitet und insofern überraschend ist. Auch das gelegentliche Aufblitzen von Humor ist hilfreich, um den Zuschauer bei der Stange zu halten, kann aber die eine oder andere Länge nicht verhindern.
Gal Gadot ist die Seele des Streifens, die sowohl überzeugend die Stärke und Leidenschaft dieser Figur verkörpert als auch ihre weibliche, verletzliche Seite. So darf Wonder Woman zugleich ganz Frau sein, aber auch Heldin, ohne dabei aggressiv oder bedrohlich auf die sie begleitenden Männer zu wirken. Und das ist das wahre Verdienst des Films.
Note: 3