Urlaub auf dem Mars

Er hat uns gefunden. Ich weiß nicht, wie, aber er hat uns gefunden, der Herbst. Es war spürbar kühler, und eine dichte Wolkendecke hing über Sedona, als wir am Sonntagmorgen aufbrachen. Außerdem wehte ein kräftiger Wind.

Etwas wehmütig nahmen wir Abschied von Sedona, seinen roten Felsen, Kirchen und Statuen. Hatte ich bereits die Skulpturen erwähnt? Die Leute in Sedona sind verrückt danach, überall gibt es Galerien, in denen sie verkauft werden, im Lokalfernsehen laufen Sendungen über heimische Bildhauer in der Dauerschleife, und vor jedem Haus steht wahlweise ein Pferd oder Bär, manchmal auch ein Stachelschwein oder ein gruseliger Indianer. Vielleicht ist es aber auch eine örtliche Bauvorschrift.

SAM_4915Unser Weg führte uns zunächst steil nach oben, die steile Straße nach Flagstaff hinauf und von da aus weiter in die endlose Prärie. Der Wind folgte uns bis in die Painted Desert, wo er gewaltige Staubwolken aufwirbelte, und weiter bis nach Marble Canyon, unser Tagesziel. Unterwegs hielten wir noch an der beeindruckenden Navajo Bridge.

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Unser Motel ist klein und solide und steht irgendwo im Nirgendwo. Es gibt nichts in der Nähe, nur Felswände, die Straße und ein Stück Prärie, bevor sich unvermittelt die Coloradoschlucht auftut. Ein Riss in der Welt. Ein paar Holzhäuser mit Gästezimmern, eine Tankstelle und ein Restaurant. Wegen letzterem sind wir hier, denn das Essen soll exzellent sein. Natürlich sind wir auch wegen der Landschaft hier, die eindrucksvoll ist.

SAM_4990Da wir früh dran waren, unternahmen wir noch eine Wanderung. Schon in Sedona waren manche Wege eher spärlich beschildert, und die Entfernungsangaben nur grobe Schätzungen, aber verglichen mit dem, was wir hier vorfanden, war es ein Musterbeispiel an Organisation. „Irgendwo da hinten“, sollte unser Trail beginnen und über ein Flussbett mehrere Meilen zu einer Felswand führen – gefunden haben wir seinen Anfangspunkt aber erst auf dem Rückweg. Davor stolperten wir hilflos durch die Gegend, vorbei an riesigen Felsen und einer alten, ziemlich desinteressierten Indianerin, die an einem behelfsmäßigen Straßenstand Schmuck, Teppiche oder Schusswaffen verkaufte, bis wir irgendwann praktisch in das Flussbett fielen. „Danke, dass Sie ein Abenteuer mit uns gebucht haben“, stand in der E-Mail, die unsere Zimmerreservierung bestätigte, und plötzlich klangen die Worte nicht mehr wie eine Werbefloskel…

Die Gegend ist karg, aber nicht ohne Reize. Ungefähr so stelle ich mir Urlaub auf dem Mars vor, viel rotes Geröll und schroffe Felsen. Wir waren vor Springfluten gewarnt worden und sollten uns auf Regenfälle vorbereiten, aber am Ende plätscherte nur ein dünnes Rinnsal in dem schlammigen Flussbett. Dennoch ließ uns jedes entfernte Geräusch nervös zusammenzucken.

Der abenteuerlichste Moment ereignete sich auf dem Rückweg, als uns eine kräftige Böe jede Menge Staub und Sand ins Gesicht blies. Es fühlte sich wie tausend Nadelstiche auf der Haut an, und danach sahen wir aus, als hätte uns ein Cowboy hinter seinem Pferd durch die Wüste geschleift.

Nachdem wir uns etwas frisch gemacht hatten, suchten wir das Restaurant auf, das uns hergeführt hatte, und tatsächlich war es so gut, wie behauptet wurde. Solide, in den Details sogar raffinierte amerikanische Küche ohne überflüssigen Schnickschnack. Sehr lecker.

Die Sonne geht hier früh unter, weil sich Arizona der Sommerzeit verweigert. Außerdem stürmte es inzwischen, und das Haus klapperte wie ein uraltes Auto. Unwillkürlich musste ich an die Geschichte der drei kleinen Schweinchen denken…

Das Nachtleben hier in der Pampa ist ebenfalls eher bescheiden, aber zum Glück gibt es HBO. Die Kritiken zu den gesehenen Filmen (Hitchcock und Liberace) folgen dann zu einem späteren Zeitpunkt, wenn ich weniger zu berichten habe.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2013 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.