Verleugnung

Der Neustart, den ich heute vorstellen möchte, behandelt das schwierige Thema Holocaust, bei dem viele dankend abwenden und sagen: Also dazu haben wir nun weiß Gott schon alles gesehen. Filme, die sich damit beschäftigen, haben es daher doppelt schwer, zum einen müssen sie versuchen, einen originellen Ansatz zu finden, zum anderen muss dieser auch noch das Publikum überzeugen. In diesem Fall ist beides gelungen.

Verleugnung

1994 hält Deborah Lipstadt (Rachel Weiz) eine Vorlesung über den Holocaust und die Tatsache, dass es einige selbsternannte Wissenschaftler gibt, die diesen leugnen. Plötzlich meldet sich ein älterer Mann zu Wort und stellt sich als David Irving (Timothy Spall) vor, der zu den prominentesten Vertretern der Leugner zählt und sich von Lipstadts Büchern persönlich angegriffen fühlt. Weil sie auf seine Provokation nicht eingeht, verklagt er sie wegen Verleumdung. Es dauert allerdings noch sechs Jahre, bis es schließlich zum Prozess kommt, der weltweit für Aufmerksamkeit sorgt.

Es gibt Fakten, stellt Deborah Lipstadt gegen Ende des Films fest, über deren Echtheit man nicht diskutieren muss, weil sie allgemein bekannt sind und nicht in Frage gestellt werden, dazu gehört nicht nur, dass die Erde rund ist und die Polkappen schmelzen, sondern auch die Tatsache, dass der Holocaust stattgefunden hat. Irving ist jedoch ein Provokateur, der das Ungeheuerliche wagt, um die Taten Adolf Hitlers und seiner Anhänger zu relativieren und sich selbst bei den Rechten anzubiedern. Deborah konstatiert auch irgendwann, dass ein solches Verhalten meist auf ein persönliches Defizit, eine Kränkung oder Unzufriedenheit mit dem eigenen Leben verweist, doch hier bleibt das Drehbuch leider eine befriedigende Antwort schuldig.

Fakten, die ins Gegenteil verkehrt werden, um die Öffentlichkeit so weit zu verwirren, dass sie beginnt, an allem zu zweifeln, und die hartnäckige Leugnung verifizierbarer Ereignisse – das alles kommt dem heutigen Zuschauer unheimlich bekannt vor und verleiht dem Film beklemmende Aktualität. Das Wort „alternative Fakten“ taucht zwar nicht auf, schwingt aber beim Betrachten unwillkürlich im Raum mit. Aber Irving ist kein Donald Trump, er ist geschickter und manipulativer und deshalb auf eine andere Art gefährlich.

Die Geschichte funktioniert wie ein guter Gerichtsfilm mit einem perfiden Gegenspieler, der die Heldin bedroht und sich die Schwächen des Justizsystems zunutze macht, um sich selbst in der Öffentlichkeit zu produzieren. Es gibt auch eine berührende Sequenz in Ausschwitz, in der die Verteidiger sich über die örtlichen Gegebenheiten informieren und von Deborah ermahnt werden, mehr Demut gegenüber den Opfern an den Tag zu legen. Ansonsten bleiben von dem Film leider nur dunkle Bilder von holzvertäfelten Räumen in Erinnerung.

Der Film wird nahezu ausschließlich aus ihrer Sicht erzählt, obwohl sie – eine Strategie ihrer Anwälte – nicht selbst aussagen darf. Diese persönliche Sichtweise ist klug gewählt, denn die taktischen Überlegungen ihrer Verteidiger – wunderbar gespielt von Tom Wilkinson und Andrew Scott – sind nicht übermäßig spannend. So ist es Deborahs Aufgabe und Verdienst, immer wieder an den realen Schrecken des Holocausts zu erinnern und sicherzustellen, dass seine Opfer und ihre unfassbaren Leiden nicht in den Hintergrund gedrängt werden.

Ein kluger, zutiefst menschlicher und politisch nach wie vor aktueller Film, der vor allem ein Plädoyer gegen die heimtückischen Mechanismen der Populisten und Demagogen unserer Tage ist.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.