Deadpool

Nach gefühlten hundert Superheldenfilmen bin ich ein wenig genremüde geworden, zumal viele Geschichten geradezu formelhaft erzählt und lediglich auf ihre Schauwerte heruntergebrochen werden. Auch deshalb war Guardians of the Galaxy so erfrischend anders, humorvoller, selbstironischer, quasi gegen den Strich gebürstet, und dass es ein waschechter Science Fiction mit Raumschiffen und Aliens war, hat sicherlich auch geholfen.

Ebenfalls anders war vor gut einem Jahr Deadpool, ein rotzig frecher, zynischer Brutalo-Superheldenfilm aus dem X-Men-Universum, der auch formal andere Wege beschritt. Mir hat der Trailer damals nicht gefallen, weil zu viel gequasselt wurde und die Witze ziemlich flach und abgestanden waren, aber wenn etwas so erfolgreich ist, muss ja irgendetwas dran sein, also habe ich mir den Streifen am Wochenende angeschaut.

Deadpool

Wade (Ryan Reynolds) ist ein ehemaliger Elitesoldat, der sich als eine Art Auftragskiller durchschlägt, wobei er es bevorzugt, die Leute zu verprügeln, anstatt sie zu töten. Eines Tages verliebt er sich hoffnungslos in Vanessa (Morena Baccarin), doch als sie sich ein Jahr später entscheiden zu heiraten, wird bei Wade Krebs im Endstadium diagnostiziert. Hilfe verspricht eine zwielichtige Organisation, die ihn mittels Gentherapie in einen X-Men verwandeln könnte, doch der Preis ist hoch, denn Wade muss sich dafür über Monate hinweg buchstäblich foltern lassen und ist am Ende fürchterlich entstellt. Es kommt sogar noch schlimmer, denn im Anschluss soll Wade als Söldner verkauft werden, weshalb er flieht und schwört, Rache an seinem Peiniger Ajax (Ed Skrein) zu nehmen.

Die Geschichte ist absolut nichts Besonderes, der typische erste Teil eines neuen Superhelden-Franchises, in dem man erfährt, wie der Held zu seinen Fähigkeiten kommt und seinen ersten Widersacher erledigt. Hat man schon oft gesehen und ist von Anfang bis Ende sehr vorhersehbar. Was Deadpool jedoch einzigartig macht, ist die Art, wie er erzählt wird – auf eine zynische, sich von Kalauer zu Kalauer hangelnde und alles, was das Genre ausmacht, durch den Kakao ziehende Art und Weise. Wade ist zudem kein Held, sondern nach eigener Aussage nur „ein Arschloch, das viel größere Arschlöcher erledigt“, und das macht er mit äußerster Brutalität.

Zugegeben, sein Witz ist gewöhnungsbedürftig und ziemlich pubertär, aber er landet immer wieder einen Treffer und macht so viele Anspielungen auf die Comics – und die Popkultur – dass das Herz eines jeden Nerds auflachen dürfte. Ein bisschen wirkt der Film wie eine Neuauflage der alten Macho-Actionabenteuer von Bud Spencer und Terrence Hill oder wie sie alle hießen, und es kann gut sein, dass Deadpools Witze in zwanzig Jahren genauso peinlich wirken. Hier und jetzt hat er jedoch den Zeitgeschmack getroffen.

Im Grunde ist die Figur ein pubertierender Superheld, der sich vor allem über den Pathos des Genres lustig macht. Wer schon immer mal wissen wollte, wie ein Dreizehnjähriger reagieren würde, bekäme er Superkräfte, bekommt hier eine Antwort darauf. Wade nimmt nichts ernst und blickt als Klassenclown auf das Marvel-Universum, und das ist erfrischend anders. Natürlich reißen auch die Avengers während ihrer Abenteuer Witze, machen sich über einander lustig, aber das passiert nur am Rand, ihre Missionen sind immer von einem tödlichen Ernst erfüllt, geht es doch meistens um die Vernichtung der Menschheit.

Die Autoren von Deadpool, Rhett Reese und Paul Wernick, und der Regisseur Tim Miller gehen sogar noch einen Schritt weiter, indem sie immer wieder klarmachen, dass alles nur ein Film ist. Wade spricht zum Publikum, er dreht auch mal die Kamera weg, wenn er brutal wird, er fragt sogar nach den Namen der Schauspieler, wenn es um die bekannteren X-Men geht, und nicht nach ihren Rollennamen. Dieser Brechtsche Verfremdungseffekt ist nicht neu und wird seit einiger Zeit immer wieder mal eingesetzt, etwa in House of Cards. Auf diese Weise geht der Held eine Komplizenschaft mit dem Zuschauer ein, macht ihm aber auch klar, dass nichts, was er sieht, ernst zu nehmen ist. Alles ist nur ein Spiel, ein sehr vergnügliches zwar, aber eben eine Täuschung – die Gewalt, der Tod und auch die Liebe und der Schmerz. Das funktioniert, macht die Geschichte aber nicht nur unterhaltsam, sondern letzten Endes auch flach und emotionslos.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.