Passend zum gestrigen Beitrag geht es heute noch einmal um einen Film mit Meryl Streep, diesmal jedoch in einer Hauptrolle.
Ricki – Wie Familie so ist
Ricki (Meryl Streep) hat einst für ihren Traum, eine Karriere als Rockmusikerin zu machen, ihre Familie verlassen. Nun ruft ihr Ex-Mann (Kevin Kline) an, weil Tochter Julie (Mamie Gummer) nach der Trennung von ihrem Mann einen Selbstmordversuch unternommen hat. Ricki fährt zu ihnen und schafft es, Julie aus ihrer Depression zu holen, aber auch ihre beiden Söhne Josh (Sebastian Stan), der bald heiraten will, und Adam (Nick Westrate) haben noch ein Hühnchen mit ihrer Mutter zu rupfen …
Eine Karriere als Rockmusiker ist schlecht für das Familienleben, lautet die Botschaft des Films, und wenn man sich die gescheiterten Ehen und zerrütteten Eltern-Kind-Beziehungen diverser Stars in den Klatschspalten ansieht, findet man diese These bestätigt. Wenn man wenigstens ein Star ist, kann man sagen, dass man für seinen Ruhm eben Opfer bringen musste, und vielleicht ist der eine oder andere damit sogar zufrieden – es ist ja nicht jeder zum Familienmensch geboren. Nur ist Ricki eben kein Star, sondern eine Supermarktkassiererin, die an den Wochenenden in einer Bar vor einem überschaubaren Publikum die Hits anderer spielt. Hat es sich für sie gelohnt?
Natürlich würde jeder wahrhaftige Künstler sofort herausstellen, dass es nicht auf den Ruhm oder das Geld ankommt, sondern darauf, für seine Kunst, in diesem Fall die Musik, zu leben. Und man nimmt Meryl Streep diese Einstellung sogar ab, denn sie verkörpert bei ihren Auftritten so viel Lebenslust und Freude, dass man weiß, sie würde alles dafür geben. Dennoch wäre die Geschichte alles in allem sicherlich wesentlich witziger geworden, wenn Ricki es tatsächlich zu einem Star gebracht hätte und es zu einem Clash zwischen der spießigen gated community-heile Mittelstandswelt und dem Glamour und der Exaltiertheit des Showbiz gekommen wäre.
Aber das hatte Drehbuchautorin Diablo Cody, die sich für den Film von ihrer Schwiegermutter inspirieren ließ, nicht im Sinn. Das ist auch völlig in Ordnung, es muss ja nicht immer um Berühmtheiten und ihre verkorkste Leben gehen – wenn es in dem Film nur überhaupt um etwas gehen würde.
Die Figuren bleiben einem völlig fremd. Ricki ist widersprüchlich, sie lebt in Kalifornien, ist aber so stockkonservativ, dass sie besser nach Texas ziehen sollte, sie hat keine Ahnung, wie es ihren Kindern geht, schafft es aber dennoch in kurzer Zeit, ihre Tochter von ihrem Liebeskummer zu heilen. Julies Zusammenbruch ist ebenfalls eine reine Behauptung, denn zu keinem Zeitpunkt versteht man, warum sie ihrem Ex, mit dem sie nur sehr kurze Zeit liiert war, nachtrauert, geschweige denn, warum sie sich seinetwegen das Leben nehmen wollte. Auch die Konflikte zwischen Ricki und ihren Söhnen kochen nur einmal – und das sogar ziemlich witzig – während eines Abendessens hoch und erledigen sich danach von selbst. Am Ende herrscht Friede, Freude, Eierkuchen und alle haben sich wieder lieb, obwohl sich keiner für seine harschen Worte entschuldigt hätte, Vorurteile lösen sich in nichts auf und jahrelange Entfremdung wird einfach hinweggetanzt. Ach, die magische Kraft von Rock’n’Roll …
Diablo Cordy interessiert sich leider nicht für ihre Figuren, hat noch vor dem Ende der ersten Hälfte ihr Pulver verschossen und reiht danach einfach nur eine Musiknummer an die andere. Dabei reißt sie durchaus einige interessante Themen an. Dass Ricki für ihre Karriere ihre Familie vernachlässigt und schließlich verlässt, bringt ihr die gesellschaftliche Ächtung ihrer früheren Nachbarn ein. Aber ist ihr Verhalten denn so viel anders als das eines Mannes, der für eine Managementkarriere seine Lieben vernachlässigt? Dass hier mit zweierlei Maß gemessen wird, ist nicht einmal ansatzweise Gegenstand der Auseinandersetzungen.
Stattdessen fällt Cody nichts Besseres ein, als sich über das politisch korrekte, auf Nachhaltigkeit bedachte Hipstertum von Josh und seiner Braut lustig zu machen. Auch das ein dankbares Thema, das aber völlig unoriginell und lahm behandelt wird. Jonathan Demme setzt das alles ganz nett in Szene, schafft es aber auch nicht, einen für die Geschichte zu begeistern. Dass man nicht vor Langeweile einschläft, liegt vor allem am großartigen Spiel von Meryl Streep und der lauten Musik.
Note: 4