Berlin Teil 3

Leider habe ich es vergangene Woche nicht mehr geschafft, meinen Berlinale-Bericht abzuschließen – wir hatten einfach zu viele Termine. Daher folgt heute meine Zusammenfassung unserer letzten Tage in Berlin:

Nachdem es am Dienstag sehr spät geworden war, konnten wir am nächsten Morgen wenigstens etwas länger schlafen. Dennoch waren wir immer noch reichlich müde, als wir gegen Mittag im Kino ankamen. Zum Glück war der erste Film des Tages eine französische Komödie, bei der keine Langeweile aufkam: Le petit Locataire (Der kleine Untermieter), der noch keinen deutschen Titel hat, möglicherweise aber Die wundersame Schwangerschaft der Familie Payan (oder so ähnlich) heißen wird, handelt von einer Frau Ende 40, deren Wechseljahrbeschwerden sich überraschend als Schwangerschaft entpuppen.

Bis zum nächsten Film blieb leider kaum genug Zeit, ein wenig frische Luft zu schnappen und eine Kleinigkeit zu essen, daher gab es nur ein belegtes Brötchen für den kleinen Hunger zwischendurch. Anschließend saßen wir wieder im Kino, um Gifted zu sehen, der bei uns erst im Sommer startet, weshalb wir auch noch nichts über den Film verraten dürfen. Nur so viel: Für mich war es der beste Film, den ich in dieser Woche gesehen habe.

Zwei Filme waren genug für einen Tag. Am Abend trafen wir uns noch mit meinem Berliner Verleger und meinem Lektor zu einem gemütlichen Plausch, bevor wir noch einmal vietnamesisch essen gingen. Das war dann bereits das dritte Mal in dieser Woche …

Der Donnerstag begann ebenfalls recht gemütlich mit einem ausgiebigen Frühstück und einem weiteren Termin bei meinem Produzenten, um über unser gemeinsames Projekt zu sprechen. Nach einigen anregenden Stunden machten wir uns dann auf den Weg nach Wedding, zur Tradeshow von Central Film und Wild Bunch, die Promos von Rodin, Die Reise der Pinguine 2 sowie dem Pferde-Teenie-Film Rock my Heart mit Dieter Hallervorden zeigten. Anschließend hatten wir das große Vergnügen, die Fortsetzung einer Kult-Komödie zu sehen: Lommbock. Hat sehr viel Spaß gemacht!

Ich weiß nicht, wie das passieren konnte, aber plötzlich war es Freitag, und unsere Berlinale-Termine näherten sich ihrem Ende. Als letzten Film sahen wir Der Stern von Indien, dessen Titel zwar an eine Degeto-Schmonzette erinnert, der aber ein wunderbares, kluges Politdrama mit viel Herz über die Unabhängigkeit Indiens ist.

Wenn man schon mal einige Tage von zu Hause weg ist und etwas Zeit übrig hat, sollte man das Beste daraus machen. Dummerweise fing es am Freitag an zu regnen, womit sich ein Stadtrundgang und ein bisschen Sightseeing erledigt hatten. Und was macht man in einem solchen Fall? Klar, man geht ins Museum. Leider gab es vor dem Pergamonmuseum eine endlos lange Schlange, es war kalt, nieselig und zugig – also mussten wir spontan unsere Pläne ändern und landeten schließlich im Bode Museum. Dort gibt es einige spätantike Ausstellungsstücke und jede Menge sakrale Kunst aus knapp tausend Jahren. War sehr interessant.

Am Samstag sah das Wetter leider nicht viel besser aus, auch wenn es nicht mehr geregnet hat. Wir waren ziemlich müde und dachten uns, etwas frische Luft kann ja nicht schaden. Weil wir keine Lust auf einen weiteren Museumsbesuch hatten und es am Wochenende in den Geschäften auch sehr voll sein dürfte, unternahmen wir einen ausgedehnten Spaziergang durch ein in tristes Februargrau gehülltes Berlin. Im Café Kranzler wollten wir uns bei einem heißen Kakao etwas aufwärmen, mussten aber feststellen, dass es diese Institution am Kurfürstendamm nicht mehr gibt. Der Name ist geblieben, das Café hat sich jedoch in einen Modeladen mit Kaffeebar in der Rotunde verwandelt. Irgendwie traurig.

Als wir am Nachmittag genug vom Laufen hatten, dachten wir uns, es wäre ja eigentlich ganz nett, noch ins Kino zu gehen. Zehn Filme waren anscheinend noch nicht genug … Wir haben uns daher im Kant-Kino T2 Trainspotting angesehen. Die Kritik dazu folgt morgen.

Anschließend gab es noch eine leckere Designerpizza (mit Kidneybohnen und einer Art Roastbeef für Mark G. sowie Ziegenkäse und Shrimps mit Zitronenöl und Chili für mich). Entwickelt wurden die Gerichte übrigens vom Pizzaweltmeister, der natürlich in Neapel lebt, und dem Europameister, der völlig überrascht in Oslo residiert. Mamma mia!

Wie sieht nun mein Fazit aus? Es war arbeitsreicher, anstrengender, aber auch wesentlich interessanter als beim letzten Mal vor vier Jahren, wir haben mehr Filme gesehen, von denen fast alle ziemlich gut waren, viele gute Unterhaltungen geführt, nette Freunde getroffen und hatten insgesamt eine tolle Zeit. Das Beste jedoch ist: Wir sind nicht krank geworden. Zumindest noch nicht …

Und sonst? Berlin ist in den vier Jahren noch weltstädtischer geworden. Überall sind fremde Sprachen zu hören, man findet hier vermutlich sämtliche Küchen dieser Welt, wobei die vietnamesische einen besonderen Platz in unseren Mägen eingenommen hat, und auch die Dichte der Verrückten in U- und S-Bahnen hat zugenommen. Einer wollte uns in eine anregende Diskussion darüber vertiefen, warum er ein gesuchter Schwerverbrecher ist, eine Äußerung, die er zwar ironisch meinte, aber mit einem solch irren Blick vortrug, dass wir uns mit einem höflichen Lächeln und einem raschen Abgang aus der Affäre zogen. Na ja, auch das ist vermutlich Berlin …

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.