Plötzlich Papa

In diesem Jahr gibt es nicht viel zu lachen. Das ist jetzt nicht auf die politische Lage in Deutschland, den USA oder dem Rest der Welt gemünzt, sondern beschreibt den diesjährigen Mangel an Hollywood-Komödien im Kino. Und von guten Komödien will ich erst gar nicht anfangen …

Um diesen Missstand zu beheben, kann man entweder auf geliebte Klassiker zurückgreifen – oder den Blick auf die Produktionen unserer europäischen Nachbarn werfen. Vor allem die Franzosen haben eine sehr lange Komödien-Tradition und bringen uns seit vielen Jahren immer wieder zum Lachen. Die Tragikomödie Ziemlich beste Freunde war einer ihrer größten Hits und machte auch hierzulande Omar Sy zum Star. Kein Wunder, dass auch sein neuester Film, eine ähnlich bitter-süße Komödie, gut geht.

Plötzlich Papa

Samuel (Omar Sy) arbeitet als Bootsführer in Südfrankreich und genießt sein Leben in vollen Zügen, vor allem genießt er es, schöne Frauen, die dort Urlaub machen, zu verführen. Eines Tages steht jedoch Kristin (Clémence Poésy) vor ihm, drückt ihm seine neugeborene Tochter in die Hand und verschwindet wieder. Samuel reist ihr nach London nach, kann sie jedoch nicht finden. Als er wegen seiner Unzuverlässigkeit seinen Job verliert und von der Zufallsbekanntschaft Bernie (Antoine Bertrand) das Angebot erhält, als Stuntman zu arbeiten, entschließt er sich, in London zu bleiben. Acht Jahre später hat er sich zu einem mustergültigen, aber unkonventionellen Vater entwickelt, der sich liebevoll um Gloria (Gloria Colston) kümmert. Doch dann taucht eines Tages Kristin auf …

Kinder verändern das Leben ihrer Erzeuger ganz grundsätzlich, lassen sie vieles überdenken und zwingen sie zu manchen Kompromissen. Die Konflikte, die aus dieser Situation entstehen, waren schon immer gerne der Gegenstand von Komödien, und auch die unverhoffte Vaterschaft lediger Männer wurde – wie etwa in Drei Männer und ein Baby – schon häufiger thematisiert.

Auch in diesem Fall geschieht das, was man erwartet: Der verantwortungslose Schwerenöter Samuel muss sein gesamtes Leben überdenken, lässt sich aber bereitwillig auf alles ein, weil er schon nach wenigen Stunden sein Herz an seine Tochter verloren hat. Anstatt diese Entwicklung zum Thema zu machen, überspringen die sieben (!) Autoren diesen Teil und erzählen lieber die Geschichte, wie das unkonventionelle Glück dieses Vater-Tochter-Gespanns bedroht wird.

Samuel ist ein toller Vater, der das heimatliche Loft in einen Abenteuerspielplatz mit zwei Meter hohen Kuscheltieren, mannshohen Playmobilfiguren und einer Rutsche vom Kinderzimmer zu einem Pool mit Bällen im Wohnzimmer verwandelt hat. Natürlich ist das Verhältnis von dem charmanten Riesen und seiner noch charmanteren und altklugen Achtjährigen von einer kumpelhaftem Komplizenschaft geprägt, wie man sie in letzter Zeit häufig zu sehen bekommt, so dass man sich manchmal unwillkürlich fragt, wer hier eigentlich wen erzieht. Das alles ist so herzallerliebst überzuckert und hübsch bunt ausgestattet, dass sich unweigerlich der Vergleich mit den Wohlfühlfilmen eines Til Schweigers aufdrängt.

Mit Kristins Rückkehr in das Leben der beiden kommt dann ein klein wenig Drama ins Spiel, denn Samuel hat seiner Tochter weißgemacht, dass ihre Mutter sie nur deshalb nie besucht, weil sie als Geheimagentin die Welt retten muss. Ein bisschen ist das wie die Lüge mit dem Weihnachtsmann, nur noch schlimmer, denn mit der Aufdeckung derselben wäre auch das Vertrauensverhältnis zwischen Vater und Tochter zerstört. Dass Kristin auch noch einen neuen Lebensgefährten hat, sorgt zudem für Anflüge von Eifersucht bei Samuel.

Das alles ist gut gemeint, aber nur halbwegs gut gemacht. Über weite Strecken dümpelt die Geschichte ziemlich ereignislos dahin, die überdies extrem vorhersehbar und ohne jegliche Überraschung ist. Leider mangelt es ihr auch am nötigen Witz, um einen wenigstens für die fehlenden Konflikte zu entschädigen, so dass bis zum letzten Drittel nicht viel mehr bleibt als die ungebremste Fröhlichkeit der beiden Hauptakteure, die durch ihr Leben tanzen als wäre es ein Musical.

Erst gegen Ende versucht der Film, der Geschichte Tiefe zu verleihen, indem er den lange erwarteten Sorgerechtsprozess aus dem Hut zaubert und den Figuren dann noch einen gewaltigen Schicksalsschlag verpasst, der zwar angekündigt wurde, deshalb aber nicht unbedingt glaubwürdiger ist. So wandelt sich die luftige, mäßig lustige Komödie erst in ein dröges Drama und dann in ein herzzerreißendes Melodram, das einen zwar berührt, aber auch ein wenig ratlos zurücklässt.

Dank Omar Sy und Gloria Colston ein vergnüglicher, aber im Grunde auch ziemlich überflüssiger Film.

Note: 3-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.