Seit der Wahl Trumps zum Präsidenten der USA beherrscht das Land mehr denn je die weltweiten Schlagzeilen. War John F. Kennedy damals für viele eine Lichtgestalt und ein Hoffnungsträger vor allem der jüngeren Generation und wurde (und wird) er nach seinem Tod geradezu kultisch verehrt, ist der jetzige Amtsinhaber das genaue Gegenteil.
Aber auch JFK war nicht von Anfang an der Held, als der er heute gesehen wird. Wäre er nicht ermordet worden, hätte es sicherlich eine Art von Entzauberung gegeben und sein Image sähe heute ganz anders aus. Wie sehr es durch das Attentat, aber auch durch das energische Eingreifen seiner Frau in den Tagen danach geprägt wurde, erklärt uns Nachgeborenen sehr gut ein aktueller Film:
Jackie
Jackie Kennedy (Natalie Portman) sitzt direkt neben ihrem Mann, als Präsident John F. Kennedy in Dallas erschossen wird. In einem Interview mit einem Reporter (Billy Cudrup) lässt sie einige Zeit später noch einmal die traumatischen Momente in Dallas, aber auch die nachfolgenden Tage im Weißen Haus Revue passieren.
Das Attentat auf JFK ist ein amerikanisches Trauma, das nicht nur zum Mythos geworden ist, sondern auch das Land verändert hat – und bis heute nicht vollständig aufgeklärt ist. Pablo Larrain geht es aber nicht um die Ermordung des Präsidenten, er liefert keine neue Theorie, wer dahinterstecken könnte, und auch die Ereignisse selbst werden nur bruchstückhaft geschildert, ihre Auswirkungen sogar nur sehr beiläufig. Im Fokus steht einzig und allein die Witwe des Präsidenten.
Ein Bio-Pic auf eine so kurze Zeitspanne zu reduzieren, ist schwierig, weil man dem Charakter der im Zerrspiegel der Ereignisse dargestellten Person nicht wirklich gerecht werden kann. Selbst mit einem mehrmonatigen Abstand zu den Ereignissen in der Rahmenhandlung und einigen kleineren Rückblenden zum Anfang ihrer Rolle als First Lady ist es schwierig, sich ein umfassendes Bild von Jackie Kennedy zu machen.
Aber darum geht es auch nicht. Larrain und sein Drehbuchautor Noah Oppenheim konzentrieren sich ganz auf ein Porträt Jackies zum Zeitpunkt ihrer größten Lebenskrise und zeigen das Bild einer zwar verzweifelten, trauernden Ehefrau, die aber gleichzeitig über sich hinauswächst, indem sie sämtliche Bestrebungen der neuen Regierung, sich bedeckt zu halten und möglichst schnell mit dem politischen Alltag fortzufahren, unterläuft und für das Vermächtnis ihres Mannes kämpft. Damit legt sie auch den Grundstein zum späteren Mythos, in dem das Historische verschwindet, indem sie JFK mit einer bewussten politischen Inszenierung in den Rang eines Märtyrers erhebt. So wird Geschichte gemacht.
Mehr noch als ihr Mann selbst hat Jackie Kennedy schon vom Beginn seiner Präsidentschaft an Wert auf den historischen Kontext gelegt. Sie hat das Weiße Haus für Unsummen mit Antiquitäten ausgestattet, die einen direkten Bezug zu seiner Geschichte haben, was in einem Land wie Amerika, das das Alte stets zugunsten des Neuen beiseitegeschoben hat, schon bemerkenswert ist. Sie hatte ein Auge für die richtige, sprich öffentlichkeitswirksame Inszenierung und sicherte damit nicht nur ihrem Mann, sondern auch sich selbst einen Platz in den Geschichtsbüchern. Man kann auch sagen, die Frau hatte ein untrügliches Gespür für Public Relations und die Macht der Bilder und Symbole.
Natalie Portman scheint dabei ganz in ihrer Rolle aufzugehen. Vom trägen, gedehnten Südstaatenakzent bis hin zu den kleinsten Bewegungen und Blicken stimmt einfach alles an ihrem Spiel – die Oscarnominierung ist auf jeden Fall mehr als verdient. Ihr Schmerz überträgt sich direkt auf den Zuschauer, der Horror jener Augenblicke im Wagen in Dallas, der Rückflug nach Washington und die Ankunft im Weißen Haus – das alles sind Szenen von ungeheurer Eindringlichkeit und Emotionalität.
Leider haben Larrain und Oppenheim nach der ersten Hälfte bereits alles gesagt, was sie erzählen wollen, und beginnen dann, sich zu wiederholen. Im Gespräch mit dem Reporter ist Jackie zwar überraschend offen und ehrlich, gleichzeitig macht sie aber auch klar, dass er nur schreiben darf, was sie veröffentlicht sehen will – was soweit führt, dass sie am Ende seine Notizen durchgeht und korrigiert. Früher als viele andere hat sie verstanden, wie wichtig die Kontrolle über das eigene Image ist, über das Bild, das die Öffentlichkeit hat, und sie versteht es geschickt, diese in ihrem Sinne zu manipulieren. Dabei gerät die andere Jackie leider zu sehr in den Hintergrund, die betrogene Gattin, ihre Liebe zu ihrem Mann, der Verlust zweier Kinder, der ihr Leben überschattet: All das kommt nur ansatzweise zur Sprache, was ein wenig schade ist.
Hier und da schleichen sich auch einige Längen ein, manche Szenen sind insgesamt zu lang, aber alles in allem entsteht ein intensives, stimmiges Bild der frühen Sechzigerjahre, als ein Präsident erschossen wurde und seine Witwe einen Mythos erschuf. Auch das ist ein Akt der Liebe.
Note: 2-