Passengers

2017 wird ein Science Fiction-Jahr. Schon Ende letzten Jahres gab es mit Arrival und Rogue One zwei gegensätzliche, aber höchst unterhaltsame Genrefilme, und in den nächsten Monaten kommen noch einige dazu. Angesichts der Tatsache, dass die Gegenwart höchst unerfreulich ist und die Zeichen nicht unbedingt auf Besserung stehen, bleiben einem wenigstens die Zelluloid-Träume von der Zukunft – wobei manche davon sich wohl in Alpträume verwandeln werden …

Vergangene Woche habe ich mir Passengers angesehen – wer ihn noch nicht kennt, beachte bitte, dass meine Kritik den einen oder anderen Spoiler enthält.

Passengers

Irgendwann in ferner Zukunft kollidiert ein Auswanderer-Raumschiff mit einem Meteoritenschwarm, wodurch ein technischer Defekt dafür sorgt, dass Jim Preston (Chris Pratt) neunzig Jahre zu früh aus dem Hyperschlaf geholt wird. Mutterseelenallein auf dem Schiff, versucht er vergeblich, die ebenfalls schlafende Crew zu wecken oder mit dem Konzern in Verbindung zu treten, der die Reise organisiert. Nach einem Jahr Einsamkeit entscheidet er sich, Aurora Lane (Jennifer Lawrence), eine Mitreisende, zu wecken …

Der Weg ist das Ziel, heißt es ja häufiger, wenn die Erfahrungen, die man unterwegs macht, wichtiger sind als das, was einem am Ende seiner Reise erwartet. Und natürlich trifft diese Aussage auch auf das Leben selbst zu, weshalb man den Film durchaus auch als Metapher auf die menschliche Existenz begreifen kann. Und sind wir alle nicht immer irgendwie unterwegs? Wir wollen erfolgreicher, gesünder, irgendwie besser werden, seit einiger Zeit auch noch befeuert von dem Selbstoptimierungswahn des gegenwärtigen Zeitgeistes, dass wir darüber ganz vergessen, das Hier und Jetzt zu genießen. Und wenn wir ehrlich sind: Häufig genug denkt man zurück und sieht nicht mehr seine damalige Unzufriedenheit, sondern die Dinge, die gut waren und die man nicht erkennen konnte, weil der Blick immer in die Zukunft gerichtet war. Im Falle von Passengers ist es ein ganz besonders weiter Blick, denn die Reise dauert hundertzwanzig Jahre.

Jim steckt in einer gewaltigen Zwickmühle, er weiß, dass er das Ziel seiner Reise nicht mehr erleben, dass er auf diesem Raumschiff sterben wird, dass all seine Zukunftspläne und Absichten gerade obsolet geworden sind. Das ist ein schwerer Schicksalsschlag, von dem er sich erst einmal erholen muss. Wie ein Gestrandeter auf einer einsamen Insel geistert er durch das Raumschiff. Unterhalten kann er sich nur mit Arthur (Michael Sheen), einem Androiden, der als Barkeeper fungiert und einen menschlichen Oberkörper besitzt, damit es den Passagieren leichter fällt, mit ihm zu kommunizieren. So braucht Jim wenigstens keinen Volleyball als Ansprechpartner …

Dennoch ist er einsam. Dass Jim also nach einem Jahr Aurora aufweckt, kann man ihm nicht verübeln. Natürlich weiß er, dass er damit ein Verbrechen begeht, dass er einen anderen Menschen wissentlich in dieselbe Situation bringt und ihn zum Sterben auf einem einsamen Schiff verurteilt. Aber Jim hat sich nach und nach in Aurora verliebt, denn praktischerweise gibt es frei verfügbare Aufzeichnungen zu jedem Passagier, in denen er oder sie von seinen Auswanderungsplänen erzählt. Aurora ist jedoch etwas Besonderes: Die Schriftstellerin will nämlich wieder zurück zur Erde, um über ihr Abenteuer, das eher eine Zeitreise ist, zu berichten. Zwischen ihrer Abreise und Rückkehr würden rund 250 Jahre liegen. Aber daraus wird natürlich nichts, und deshalb fürchtet Jim nichts mehr als den Moment der Wahrheit.

Im Grunde ist es eine schöne Geschichte, sie hat einen starken Konflikt, sie erzählt von grundlegenden Erfahrungen des Menschseins, vor allem von der Einsamkeit, die nirgends schmerzhafter und deutlicher wird als in einem Raumschiff in der Schwärze des Alls, als ein Wacher unter Tausenden Schlafender, sie erzählt aber auch von der Liebe, die das einzige probate Mittel dagegen zu sein scheint. Drehbuchautor Jon Spaihts verleiht ihr märchenhafte Züge, wobei angesichts des Designs der Hyperschlafkammern die Assoziationen zu Schneewittchen naheliegend sind, und auch Dornröschen Pate steht – Aurora heißt schließlich nicht umsonst so wie die Hauptfigur im Disney-Zeichentrickklassiker von 1959.

Trotz guter Ansätze trägt die Story leider nicht über die gesamte Länge des Films. Bereits früh schleichen sich Längen ein, die von den beiden großartigen Hauptdarstellern nur bedingt wieder wettgemacht werden können, und da es sich bei dieser Geschichte nicht um die zweier Schiffsbrüchiger handelt, die unbedingt wieder in die Zivilisation zurückkehren wollen, muss ein anderes Ziel herhalten. So sind unsere Helden im letzten, actiongeladenen Drittel gezwungen, das Schiff und alle Seelen darauf zu retten und allerlei Abenteuer zu bestehen, die zwar von Morton Tyldum spannend inszeniert sind, aber bisweilen arg die Glaubwürdigkeit strapazieren. Was den beiden alles zustößt, ist schon Murphys Law zum Quadrat …

Alles in allem macht der Film jedoch Spaß und bietet solide Unterhaltung sowie atemberaubende Bilder von einem reisenden Raumschiff.

Note: 3

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.