Westworld

Die Erwartungshaltung war groß, ganz besonders nachdem der Trailer veröffentlicht wurde und ein spektakuläres Serienhighlight im Herbst erwarten ließ. Auch bei HBO lagen vermutlich die Nerven blank, denn der Sender hatte in letzter Zeit wenig Glück mit seinen neuen Produktionen, etwa mit Vinyl, und sein Flaggschiff Game of Thrones wird in zwei Jahren zu Ende gehen.

Die Vorlage besitzt Kultcharakter, auch wenn der Film von Michael Crichton aus dem Jahr 1973 für heutige Zuschauer sehr langsam und altmodisch wirkt. Darin drehen die Roboter in einem futuristischen Vergnügungspark durch und ermorden ihre menschlichen Gäste, die mit ihnen Sex haben oder sie in Duellen nach römischer, mittelalterlicher oder Wildwest-Manier abschlachten können. Zukunftsangst und Zukunftsglaube gehen eben manchmal Hand in Hand.

Eine Serie, die über mehrere Jahre hinweg funktionieren soll, muss natürlich mehr bieten als ein reines Katastrophenszenario, in dem es um ein paar menschliche Helden geht, die dem Horror amoklaufender Maschinen zu entkommen versuchen. Deshalb kann man die Grundidee, die die Macher Lisa Joy und Jonathan Nolan, entworfen haben, zunächst einmal bewundern: Im Mittelpunkt stehen nämlich nicht die Menschen, sondern die Androiden. In einer Zeit, in der immer häufiger der Einsatz Künstlicher Intelligenz im Alltag propagiert wird, auch wenn das meiste davon diesen Namen nicht verdient, in der aber auch der Einsatz von Robotern, etwa in der Pflege, innerhalb der nächsten Jahrzehnte immer wahrscheinlicher wird, passt dieser Ansatz perfekt und wurde auch bereits häufiger im Serienbereich behandelt.

Maschinenwesen, die ein Bewusstsein entwickeln, die in emotionaler und intellektueller Hinsicht zum Menschen werden und damit in Konflikt mit ihren Schöpfern geraten, gab es allein in der jüngeren Vergangenheit mehrfach, sei es vor Jahren in Battlestar Galactica oder in der Serie Humans bzw. ihrem schwedischen Vorbild Real Humans. Insofern liefert Westworld absolut nichts Neues. Dafür sind die Bilder – gefilmt wurde auf 35 mm-Film, um den Look der alten Western zu erzielen – jedoch großartig, die Ausstattung ist voller liebevoller Details, und die Darsteller agieren hervorragend.

Auch der philosophische Hintergrund, die Anspielungen auf antike griechische Philosophie einerseits und Motive der Quantenphysik andererseits sorgen für eine faszinierende Metaebene, auf der die großen Fragen der Menschheit nach dem Ursprung des Seins gestellt werden. Der Mensch kommt dabei schlecht weg, wird als triebhaft und tierisch in seinen Instinkten beschrieben, die sich nur um Beherrschung und Zerstörung drehen. Intrigen und Machtkämpfe bestimmen aber nicht nur das simulierte Leben im Freizeitpark, sondern auch das der Akteure hinter den Kulissen.

In erster Linie dreht sich die Geschichte jedoch um das Bewusstwerden einzelner Androiden. Diese werden zwar nach jedem Tod im Park neu konfiguriert, ihre Erinnerungen werden gelöscht, aber all das sowie frühere Programmierungen hinterlassen Spuren. Da gibt es die Prostituierte Maeve (mit Abstand die beste schauspielerische Leistung: Thandie Newton), deren Schlafmodus nicht einwandfrei funktioniert, weshalb sie auch während ihrer Wartungszeit bei Bewusstsein ist und sich später daran erinnert. Auch Dolores (Evan Rachel Wood) leidet unter den Erinnerungen an frühere Schicksale, an immer wiederkehrende Vergewaltigungen durch einen Gast (Ed Harris), der seit Jahrzehnten den Park besucht und nach einem geheimen Level sucht, das das ultimative Abenteuer verspricht.

Erzählt wird aber auch die Geschichte von Robert Ford (Anthony Hopkins), dem Schöpfer von Delos (der Park trägt übrigens denselben Namen wie in der Vorlage von Crighton, eine von mehreren Referenzen an das Original), der nicht nur einen ausgesprochenen Hang zur Perfektion hat, sondern auch sein eigenes Süppchen kocht. Kein Wunder, dass sein Vorstand ihn am liebsten absägen möchte, doch Ford gelingt es, diese Angriffe immer wieder abzuwehren, auch wenn er dabei äußerst skrupellos vorgehen muss. Und dann gibt es noch einige Mitarbeiter, deren Schicksale mit dem der Roboter eng verknüpft sind und die teilweise den Machtkämpfen innerhalb der Führungsriege zum Opfer fallen.

Man kann sich nicht gerade über einen Mangel an Geschichten beklagen, die Möglichkeiten für spannende Intrigen, gefährliche Abenteuer und erbitterte Kämpfe sind alle gegeben – nur leider werden diese vielversprechenden Ansätze kaum genutzt. Es beginnt schon mit der Einführung in die Mechanismen und Gesetzmäßigkeiten des Parks, die unzureichend erfolgt. Einerseits können die Menschen nicht von den Androiden erschossen werden, andererseits hantieren die künstlichen Wesen mit scharfen Messern und scheinen kaum zu erkennen, wenn sie einem Menschen gegenüberstehen. Das war 1973 eindeutiger. Hinzu kommt, dass man das Gefühl hat, dass sich kaum Menschen in dem Park aufhalten – selbst bei 40.000 Dollar pro Tag stellt sich also die Frage: Wie rechnet sich dieser enorme Aufwand? Vor allem wenn man in vielen Szenen sieht, dass die Roboter nur mit sich selbst und ohne menschliche Beteiligung interagieren. Plausibel wirkt das alles nicht.

Doch das sind nur Kleinigkeiten, die einem unangenehm auffallen. Das schwerwiegendere Problem ist, dass sich all die vielen großen und kleinen Geschichten nur sehr schleppend entfalten und weitgehend ohne Höhepunkte verlaufen. Die ersten fünf Episoden sind zäh und stellenweise extrem langweilig, dann folgen zwei oder drei weitere, die wenigstens etwas spannend sind und einige der vielen Fragen beantworten. Zum Ende hin muss man jedoch feststellen, dass viele dieser Antworten einfach nur neue Fragen aufwerfen. Gewiss, die Autoren haben sich einige raffinierte Wendungen einfallen lassen und auch die intellektuelle Auseinandersetzung mit dem Thema, die einen breiten – zu breiten – Raum einnimmt, ist faszinierend, aber gut gemeint ist eben noch lange nicht gut gemacht. Es mangelt schlichtweg an Spannung und jenen Abenteuern, die den Besuchern von Delos versprochen werden, und es fällt einem auch verdammt schwer, mit Androiden mitzufiebern oder um sie Angst zu haben, wenn man weiß, dass sie nach jedem Tod einfach neu gestartet werden können.

Bislang war die Serie auf Sky nur im Original zu sehen, zum Jahreswechsel folgt die synchronisierte Fassung, die zweite Staffel soll vermutlich erst 2018 starten – aber ob ich dann noch dabei bin, bleibt abzuwarten.

Das war der letzte Corner-Beitrag für dieses Jahr. Ich wünsche allen Lesern frohe Feiertage und einen guten Rutsch! Wir sehen uns 2017 wieder.

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.