Netflix und Amazon wetteifern im Augenblick darum, mit spektakulären und teuren Produktionen mediale Aufmerksamkeit zu erlangen – und natürlich neue Abonnenten zu gewinnen. Doch viel (Geld) hilft nicht unbedingt viel, das hat HBO kürzlich mit seiner Serie Vinyl erfahren müssen, die trotz üppiger Ausstattung und teilweise großartiger Inszenierung gefloppt ist. Was den Erfolg betrifft, halten sich Amazon und Netflix mit der Veröffentlichung von Zuschauerzahlen bekanntlich sehr zurück, aber je schneller eine Serie eine oder mehrere Folgestaffeln genehmigt bekommt, desto erfolgreicher dürfte sie wohl sein.
Insofern haben die Macher von The Crown wohl alles richtig gemacht, denn eine zweite Staffel gilt bereits als sicher, weitere sollen folgen, um die Regierungsjahre Elizabeths II. bis Ende der Neunzigerjahre fortzuführen. Insofern kann man die gesamte Serie als ein sehr langes Prequel zu The Queen begreifen, dem cineastischen Meisterwerk von 2006, das ebenfalls aus der Feder von Peter Morgan stammt.
Die erste Staffel der Serie behandelt die erste Hälfte der Fünfziger, zeigt in wenigen Rückblenden allerdings auch, wie George VI. (Jared Harris) nach der Abdankung seines Bruders (Alex Jennigs) König wurde und wie sich damit auch das Leben der jungen Elizabeth dramatisch verändert hat. Die eigentliche Handlung setzt jedoch mit der Hochzeit zwischen Elizabeth (Claire Foy) und Philip (Matt Smith) ein, schildert kurz ihre ersten Ehejahre und konzentriert sich dann auf den Tod ihres Vaters und ihre Thronbesteigung.
Wer Gefallen an historischen Filmen hat und sich für Downton Abbey begeisterte, dürfte auch hier voll und ganz auf seine Kosten kommen. Die Ausstattung ist superb, die Kostüme sind exquisit und die Darsteller großartig. Am beeindruckendsten ist John Lithgow in der Rolle des alternden Winston Churchill, der noch einmal an die Macht kommt und es sich zur Aufgabe macht, die unerfahrene Prinzessin zu einer wahren Königin zu formen. Wie er gegen Ende um sein Bild in der Öffentlichkeit kämpft, wie er bis zuletzt taktiert und intrigiert und dabei sogar seine Monarchin verärgert, ist beinahe schon großes Kino und jede Minute davon sehenswert.
Darüber hinaus ist es vor allem ein Psychogramm der britischen Königin, die Pflicht und Verantwortungsbewusstsein über alles stellt. Ihr Glaube, von Gott an diesen Platz berufen zu sein, ihre bedingungslose Verpflichtung der Verfassung und ihrer Position im Land gegenüber, die sie sogar über ihre eigenen Gefühle und ihre Familie stellt, sind ebenso prägend für ihre gesamte Regierungszeit wie der stete Kampf der Tradition gegen die Moderne, die einen Wandel der Königsfamilie erzwingt. Elizabeth wirkt bisweilen kalt und distanziert, wird von ihren Kritikern auch als eigenschaftslos und blass beschrieben, was ganz besonders im Vergleich und im Konflikt mit ihrer temperamentvollen Schwester Margaret (Vanessa Kirby) deutlich wird, doch Peter Morgan ermöglicht uns einen Blick hinter diese offizielle Fassade, der uns den Mensch Elizabeth nahe bringt. Das ist bis zu einem gewissen Punkt natürlich nur Spekulation, funktioniert in sich jedoch absolut stimmig. Hier zeigt sich, was eine gute Serie leisten kann, weil sie die Zeit hat, einen Charakter reifen und sich entwickeln zu lassen.
Claire Foy spielt ihre Rolle gut, allerdings ist diese etwas undankbar, da sie gegenüber den farbigeren Charakteren zwangsläufig abfällt. Doch die Serie behandelt nicht nur ihre prägenden frühen Jahre als Monarchin, sondern porträtiert auch weitere Mitglieder der königlichen Familie, diverse Politiker sowie die Gesellschaft ganz allgemein. Das ist stellenweise großartig gemacht, besitzt bisweilen aber auch die eine oder andere Länge und flacht leider in der letzten Folge etwas ab, macht ansonsten jedoch eine Menge Spaß. Es ist keine Serie, die süchtig nach der nächsten Episode macht, aber man freut sich nach dem Ende definitiv auf die nächste Staffel …