Auf die Harry Potter-Bücher bin ich relativ spät aufmerksam geworden. Mein Neffe, damals ein Teenager, hatte sich den zweiten Band zum Geburtstag gewünscht, und als ich nach dem Kauf einen Blick hineingeworfen und einige Seiten gelesen hatte, war ich schnell fasziniert vom Detailreichtum dieser Zaubererwelt und der heimeligen Atmosphäre, die J.K. Rowling heraufbeschworen hat. Deshalb habe ich mir prompt die ersten drei Bände zugelegt und innerhalb weniger Tage verschlungen.
Später ließ meine Begeisterung zwar nach, was an der Qualität der späteren Bände lag und auch ein wenig an den Verfilmungen, die ein wenig unter den Erwartungen lagen. Dennoch hat es immer Spaß gemacht, sich von dieser geheimnisvollen und aufregenden Welt vereinnahmen zu lassen. Und wie oft habe ich beim letzten Umzug beim Tragen einer schweren Kiste gestöhnt, dass ich jetzt gerne einen Zauberstab hätte, um das verdammte Ding schweben zu lassen …
Nun sind die Abenteuer von Harry Potter und seinen Freunden auserzählt, aber J.K. Rowling hat nachgelegt und eine neue Filmreihe geschaffen, die zumindest im selben Universum spielt – allerdings viele Jahrzehnte vor Potter.
Phantastische Tierwesen und wo sie zu finden sind
1926: Newt Skamander (Eddie Redmayne) ist ein britischer Zauberer, der mit einem Koffer voller magischer Tiere nach New York reist. Die Stadt wird gerade von einer rätselhaften Kraft heimgesucht, die ganze Häuser zerstört und den magischen Kongress zutiefst beunruhigt, weil auf diese Weise die Existenz der Zauberer offenbart werden könnte. Als einige von Newts Tieren entkommen, gerät er unter Verdacht und wird von der Hexe Tina (Katherine Waterston) festgesetzt. Doch sie glaubt letzten Endes an seine Unschuld und hilft ihm, der Sache auf den Grund zu gehen …
Jetzt darf also wieder gezaubert werden, und im Gegensatz zu Harry Potter und seinen Mitschülern unterliegen die erwachsenen Hexen und Zauberer nicht den restriktiven Gesetzen der magischen Behörden. Rowling verschwendet auch keine Zeit mehr, die einzelnen Praktiken oder die Gesetze der Gemeinschaft zu erklären – vieles kennt man ja bereits aus den Potter-Filmen, und was ein Muggle ist, weiß inzwischen auch jedes Kind. So wird appariert, was das Zeug hält, werden Feuerbälle geschleudert und mit einer lockeren Bewegung aus dem Handgelenk gleich ein ganzer verwüsteter Häuserblock wieder errichtet.
Das alles ist schön anzusehen, spektakulär in Szene gesetzt, aber letzten Endes nicht mehr als ein Effektegewitter, das nicht ganz darüber hinwegtäuschen kann, dass die Story etwas zu dünn geraten ist. Dabei wird nicht mit Nebenhandlungen gegeizt: Da gibt es die fanatische Hexenverfolgerin Mary Lou (Samantha Morton), die unter dem Mantel der Wohltätigkeit ihre Boshaftigkeit verbirgt und die ihr anvertrauten Kinder schlägt. Oder – die beste Figur von allen – den tapsigen Jacob Kowaslki (Dan Fogler), der versehentlich seinen Koffer mit dem von Newt vertauscht und so die Tierwesen entwischen lässt. Und welches Geheimnis verbirgt der düstere Ministeriumvertreter Graves (Colin Farrell)?
Rowling trägt jede Menge Material zusammen, schafft es aber leider nur schwer, all diese Handlungsstränge zu einer tragfähigen Geschichte zusammenzufügen. Da der Film auf einem „Sachbuch“ über Tierwesen, einer Art Lexikon, beruht, dürfen die Exkursionen in die magische Welt der Tiere natürlich nicht fehlen. Die Szenen in Skamanders Koffer sind wunderschön in Szene gesetzt, sehr verspielt und fantasievoll, bringen die Handlung aber auch kein bisschen voran. Eddie Redmayne wirkt wie ein etwas weltfremder Professor, eine Mischung aus dem gutmütigen Halbriesen Hagrid der Potter-Bücher und Bernhard Grzimek, der mit einer Arche voller Tiere durch die Stadt wandert. In seiner Art hat er etwas Autistisches an sich, was es nicht leicht macht, Zugang zu der Figur zu finden, und dass Tina, die an seiner Seite ermittelt, ebenfalls sehr blass ist, erschwert es zusätzlich, mit ihnen mitzufiebern. Umso dankbarer muss man daher für Kowalski und Tinas Schwester Queenie (Alison Sudol) sein, die mit Witz und Charme das Herz der Zuschauer erobern. Beide spielen hervorragend und stehlen ihren Kollegen jede einzelne Szene, in der sie auftauchen.
Die eigentliche Geschichte, die Suche nach den entflohenen Wesen und nach der Ursache für die rätselhafte Zerstörung, ist nicht weiter bemerkenswert und leider auch nicht so geheimnisvoll, dass man nicht schon sehr früh auf die Lösung käme. Obwohl die Story sich nun an ein erwachsenes Publikum richtet, bleibt sie dem kindlichen Tenor der Potter-Filme treu und ist bei weitem nicht so düster oder brutal wie es das Thema verlangen würde. Zudem greift Rowling einige Versatzstücke ihrer früheren Werke auf, etwa mit dem bösen Zauberer Grindelwald, der wie ein zweiter Voldemort wirkt und wohl in den nächsten Filmen zum Gegenspieler aufgebaut werden soll. So ähnelt das Finale des Films auf frappierende Weise Harry Potter und der Stein der Weisen und hat zudem noch das Problem, dass weder Newt noch seine Mitstreiter ihrer Heldenrolle gerecht werden – fast so, als hätte auch Rowling selbst ihr Interesse an ihnen verloren.
Alles in allem macht der Ausflug in die Potter-Welt wieder Spaß, bleibt aber doch sehr hinter den Erwartungen zurück.
Note: 3