True Detective

Don’t believe the hype ist nicht nur ein Song von Public Enemy, sondern ganz allgemein ein guter Ratschlag für viele Lebenslagen. Und ganz besonders in der Entertainmentbranche sollte man diese Worte verinnerlichen, denn wie schnell wird hier ein Film oder eine Serie zum großen medialen Ereignis hochgejubelt. Speziell wenn vom goldenen Zeitalter des Fernsehens die Rede ist – auch so ein Ausdruck, den man inzwischen nicht mehr hören mag – werden immer wieder Serien zum Event oder sogar zum Klassiker erklärt, bevor noch die erste Staffel gesendet wurde.

Breaking Bad ist so ein Beispiel, ein anderes True Detective. Die Serie aus der Feder von Nic Pizzolatto wurde von der Kritik gefeiert und mit Lob und Preisen überschüttet. Auch die Zuschauer waren begeistert von dem düsteren Krimi, der auf zwei Zeitebenen spielt und schildert, wie die Jagd auf einen Serienmörder die beiden Ermittler zu menschlichen Wracks macht. Das alles klang vielversprechend und machte neugierig, doch leider wurde ich von Anfang an nicht so recht warm mit der Erzählung.

Matthew McConaughey und Woody Harrelson liefern beide eine höchst beeindruckende schauspielerische Leistung ab und lassen tief in menschliche Abgründe blicken. Allein ihretwegen lohnt es sich durchaus, die erste Staffel der Serie zu schauen. Aber die Geschichte tritt leider auch viel zu lange auf der Stelle, die Ermittlungen kommen nicht voran, stattdessen musste man den zunehmend ermüdenden nihilistischen Kommentaren von Matthew McConaugheys Charakter lauschen, die irgendwann nur noch nerven. Erst gegen Schluss, in den letzten zwei Folgen, als ich die Hoffnung bereits aufgegeben hatte, kam tatsächlich Spannung auf, und das Finale versöhnte mich halbwegs mit der an sich überschätzten Serie.

Dennoch war ich nicht sonderlich erpicht darauf, mir die zweite Staffel anzuschauen, zumal sie diesmal auch von der Kritik völlig vernichtet wurde. Am Ende war genau das jedoch ein Anreiz, noch einmal einen Blick zu riskieren – in der Hoffnung, erneut gegenteiliger Meinung zu sein. Außerdem geht es in der zweiten Staffel um einen anderen Fall, in einem anderen Teil der USA mit anderen Ermittlern.

Nach dem staubigen, heißen Süden nun Kalifornien, aber ein kühles, städtisches Kalifornien, Los Angeles von seiner nachtdunklen, geheimnisvollen Seite. L.A. Noir im Stile von Chinatown, Black Dahlia und L.A. Confidential. Das muss nichts Schlechtes sein, im Gegenteil, das macht zunächst einmal neugierig, und es ist über die ersten Folgen hinweg sogar erstaunlich gut. Da gibt es dubiose Landgeschäfte, einen von Vince Vaughn gespielten betrogenen Gangster und drei Polizisten (Colin Farrell, Rachael McAdams und Taylor Kitsch), die den Mord an einem städtischen Beamten aufklären müssen. Jede Menge Intrigen, Perversionen, Geheimnisse und spannende Momente – der Anfang gestaltet sich schon mal wesentlich besser als die erste Staffel.

Mit der Zeit geht der Zauber jedoch verloren. Die Story ist insgesamt viel zu kompliziert, so dass man selbst dann Mühe hat, ihr zu folgen, wenn man alle Episoden hintereinander sieht. Manches ist unlogisch und funktioniert nur, wenn man viel guten Willen mitbringt, und das Ende ist trotz einiger guter Einfälle schlichtweg verschenkt. Problematisch sind auch die Figuren, von denen jede einzelne in der Vergangenheit durch die Hölle gegangen ist und sie immer noch in sich trägt. Auf Dauer ist das ein wenig einseitig, zumal nicht allen Verletzungen Rechnung getragen wird und vieles gerade einmal an der Oberfläche kratzt. Und dann verschwinden manche Nebenfiguren für sehr lange Zeit von der Bildfläche, so dass man sie bereits wieder vergessen hat, bevor sie im Finale wieder auftauchen und bei der Auflösung des Falls eine entscheidende Rolle spielen. Das alles erweckt den Eindruck, als wäre der Autor diesmal überfordert gewesen und hätte sich hoffnungslos verzettelt. Kein Wunder, dass HBO über eine dritte Staffel ohne Pizzolatto nachdenkt.

Insgesamt war die erste Staffel wesentlich schwächer als ihr Ruf, während die zweite nicht ganz so schlecht war wie behauptet wurde. So gleicht es sich irgendwie wieder aus …

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.