Eye in the Sky

Das Angebot an Filmen ist seit einigen Jahren schier unüberschaubar geworden. Allein im Kino werden jedes Jahr bei uns ungefähr 500 Produktionen herausgebracht, von denen viele von Anfang an keine Chance haben, weil es ihnen an der nötigen Qualität mangelt oder sie ein thematisch bedingtes Nischendasein fristen. Zusätzlich gibt es jeden Monat unzählige Veröffentlichungen auf DVD, und von den Streamingplattformen und ihren Eigenproduktionen will ich erst gar nicht anfangen.

Und dennoch gibt es immer noch kleine, feine Werke, die nie zu uns kommen. Wie zum Beispiel die entzückende Komödie Hello, my Name is Doris, über die ich kürzlich geschrieben habe. Kein Meisterwerk, aber ziemlich unterhaltsam und mit einer köstlichen Sally Field in der Titelrolle. Solche Filme entdeckt man nur durch Zufall oder dank gelungener Mundpropaganda.

Auch sonst ist man häufig auf Empfehlungen angewiesen, wenn es um Produktionen geht, die irgendwie in der Flut von Veröffentlichungen untergehen. Manchmal sind sogar Filme dabei, die richtig gut sind, es aber trotzdem nicht ins Kino geschafft haben – wie in diesem Fall ein spannender und topaktueller Film mit Starbesetzung, der seit Mitte September auf DVD erhältlich ist …

Eye in the Sky

Colonel Powell (Helen Mirren) verfolgt seit Jahren eine britische Extremistin, die sich einer Terrorgruppe in Afrika angeschlossen hat und zusammen mit ihrem Mann Selbstmordanschläge plant. Nun gelingt es endlich mit Hilfe einheimischer Geheimdienstler, ihren Aufenthaltsort festzustellen, wo sie neue Anschläge vorbereitet. Powell bittet die Amerikaner um Unterstützung, um die Gruppe festzunehmen, was jedoch schief geht. Aber es besteht die Option, das Haus der Terroristen mittels einer Drohne zu sprengen. Als endlich alles genehmigt ist, taucht plötzlich ein junges Mädchen davor auf, um auf der Straße vor dem Gebäude Brot zu verkaufen, was eine internationale Diskussion über die moderne Kriegsführung sowie das Abwägen globaler Interessen gegenüber dem Leben einzelner nach sich zieht.

Das Thema des Films erscheint auf dem ersten Blick recht akademischer Natur zu sein, der Fall arg konstruiert. Technische Möglichkeiten und ihre Grenzen prallen hier aufeinander, einerseits kann der Geheimdienst mittels Satelliten, Drohnen und winzigen, fliegenden Kameras buchstäblich bis in die Wohnzimmer der Verdächtigen spähen und ihre finsteren Machenschaften erkunden, gleichzeitig ist es unmöglich, ihnen bzw. den Attentätern zu folgen, um sie rechtzeitig auszuschalten, da dazu auch Menschen eingesetzt werden müssten, deren Leben in unmittelbarer Gefahr wäre. Schnell wird das Dilemma der Verantwortlichen klar, die von der Politik Entscheidungen verlangen.

Doch die tut sich schwer. Alan Rickman – in einer seiner letzten Rollen – spielt den Mittelsmann zwischen Militär und Regierung, dem viel Geduld abverlangt wird, weil ein Minister (Jeremy Northam) zu wenig Rückgrat besitzt und sich nicht festlegen will, und eine Parlamentarierin menschenrechtliche Bedenken ins Spiel bringt. So werden immer mehr Meinungen eingeholt, und der Entscheidungsprozess verzögert sich, bis es beinahe zu spät ist.

Die Kernfrage lautet zuletzt, ob es vertretbar ist, ein einzelnes Menschenleben, noch dazu das eines unschuldigen Kindes, zu opfern, um viele andere dadurch möglicherweise zu retten? Ein moralisches Dilemma, das allen Beteiligten viel abverlangt und sie bis an ihre Belastungsgrenze führt.

Interessant ist dabei auch zu sehen, wie solche Operationen mittlerweile global ausgeführt werden. Das britische Militär ist dabei ebenso involviert wie afrikanische Agenten, britische und amerikanische Politiker, die aus Singapur, Washington und China zugeschaltet werden, militärische Einrichtungen auf Hawaii und in Las Vegas, wo der Drohnenpilot (Aaron Paul) letztlich den Finger am Abzug hat. Man liest immer wieder vom Drohnenkrieg, hier bekommt man einmal einen Einblick in die Details, inklusive des rechtsstaatlichen Prozesses, der hinter jeder Mission, jeder Entscheidung steht.

Erstaunlich ist, dass es Regisseur Gavin Hood dabei gelingt, die Story von Anfang bis zum Ende hochspannend zu inszenieren, ohne die moralischen Aspekte dabei aus den Augen zu verlieren oder es seinen Figuren zu einfach zu machen. Ein Lob, das natürlich auch Autor Guy Hibbert gebührt. Sicherlich einer der besten Filme des Jahres.

Note: 2+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.