Ewige Jugend

Vielleicht sollte ich mehr fernsehen, wenn ich schon nicht schlafen kann, damit der Jetlag wenigstens zu etwas nutze ist. Mein Stapel ungesehener DVDs wird immer höher, aber ich habe kaum die Zeit, ihn abzuarbeiten, weil ständig neue Filme hinzukommen. Zu den Produktionen, die noch auf eine Sichtung warten, gehört auch La Grande Bellezza – Die große Schönheit. Der Regisseur Paolo Sorrentino hat zuvor schon mit Il Divo – Der Göttliche Aufmerksamkeit erregt und im vergangenen Jahr dann mit Ewige Jugend. Mit diesen Filmen gehört er zu den aufregendsten europäischen Regisseuren der Gegenwart.

Immerhin hatte ich am Montag Gelegenheit, in seine Serie Der junge Papst mit Jude Law in der Titelrolle hineinzusehen. Die ersten beiden Folgen waren nicht besonders aufregend, insgesamt sogar ein wenig zu lang, aber trotz des eher gemächlichen Tempos entwickelt die Serie recht schnell einen Sog, dem man sich nicht entziehen kann. Das liegt zum einen an Jude Laws undurchsichtiger Figur, zum anderen an den wunderschönen Bildern von Rom und dem Vatikan. Ich bin schon gespannt, wie es weitergeht.

An dieser Stelle gibt es jedoch die Kritik zu dem zweiten Film, den ich im Flugzeug gesehen und den ich wegen des Regisseurs ausgewählt habe.

Ewige Jugend

Der berühmte Dirigent und Komponist Fred Ballinger (Michael Caine) trifft sich mit seinem besten Freund, Hollywood-Regisseur Mick Boyle (Harvey Keitel), in einem exklusiven Schweizer Kurhotel, wo sie seit Jahren regelmäßig ihren Urlaub verbringen. Viele Gäste sind wie sie im fortgeschrittenen Alter, schwer reich und manchmal sogar berühmt. Mit Jimmy Tree (Paul Dano) ist sogar ein waschechter Hollywoodstar vor Ort, der sich auf seine nächste Rolle vorbereitet und daher den einen oder anderen studiert. Fred bekommt Besuch von seiner Tochter Lena (Rachel Weiz), die eigentlich mit ihrem Mann, der Micks Sohn ist, verreisen wollte, dann aber plötzlich von ihm sitzen gelassen wird. Das wirbelt nicht nur ihr Leben komplett durcheinander, sondern auch das ihres Vaters und Schwiegervaters.

Auch reiche Menschen müssen sterben, denn anders als das Leben ist der Tod gerecht. Wer reich ist, kann sich sein Leben jedoch wesentlich angenehmer gestalten – und auch etwas verlängern. Ob er damit auch glücklicher wird, steht auf einem anderen Blatt. Auch die Protagonisten dieser Geschichte sind alles andere als zufriedene, alte Männer. Fred vermisst seine Frau und schlägt das Angebot der Queen, ein Konzert mit seiner erfolgreichsten Komposition aufzuführen, aus, weil seine Frau nicht mehr den Gesangspart übernehmen kann. Rachel wirft ihm jedoch vor, ein schrecklicher Ehemann und Vater gewesen zu sein, weil er nur für seine Musik gelebt und ihre Mutter häufig betrogen hat. Ein spannender Konflikt zwischen Vater und Tochter, die ihm einen Mangel an Emotionen unterstellt, den er mit kleinen Gesten unterläuft. Das alles ist superb gespielt und subtil dargestellt, hätte aber ruhig etwas mehr Biss vertragen können.

Doch in Paolo Sorrentinos Film wird nicht geschrieben oder gar gestritten, sondern meistens sehr abgeklärt und höchst vernünftig diskutiert, wie es in dem Kurhotel, in dem die Handlung zumeist spielt, angemessen ist. Dabei geht der Geschichte leider einiges an Leidenschaft verloren. Zum Ausgleich gibt es einige kluge Gedanken über das Leben zu hören, die meistens jedoch bedeutsamer klingen als sie tatsächlich sind. Die thematische Auswahl erinnert etwas an jene CDs mit einem Medley bekannter und beliebter klassischer Musikstücke, die in einem Café laufen würde, es geht um die Kunst und das Leben an sich, das Älterwerden, den körperlichen Verfall, das schwierige Verhältnis von Liebe, Romantik und Vernunft, das Hollywoodsystem und vieles mehr. Das meiste davon wird allerdings nur oberflächlich behandelt, weshalb man sich am Ende zwar angenehm unterhalten, aber nicht unbedingt bereichert fühlt.

Die Darsteller machen zum Glück so manche Schwäche des Drehbuchs durch ihr exzellentes Spiel wieder wett. Darüber hinaus gibt es etliche kleinere Handlungsstränge, die nur über Bilder und Blicke erzählt werden und gut funktionieren. Die Dialoge sind fein, auch wenn die meisten klingen wie Philosophiestudenten im zwanzigsten Semester, was besonders bei den kindlichen und jugendlichen Darsteller befremdlich wirkt.

Es ist insgesamt jedoch nicht zuletzt wegen seiner betörenden Bilder ein schöner Film, der einem noch etwas länger in Erinnerung bleibt. Mit einem besseren Drehbuch hätte er vielleicht sogar großartig sein können.

Note: 2-

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.