Jetzt liegt der Urlaub also hinter uns, und der Alltag hat uns wieder. Der Jetlag ist natürlich fürchterlich, aber da müssen wir jetzt durch. Hinzu kommt etwas, das Mark G. „weatherlag“ getauft hat und den physischen Schock beschreibt, wenn man drei Monate lang Temperaturen von fünfundzwanzig bis vierzig Grad gewöhnt war und nun in das nass-kalte Novemberwetter in Deutschland zurückkehrt. Auch das muss der Körper erst einmal verkraften.
Irritierend ist auch, dass überall in der Stadt plötzlich Weihnachtsbäume stehen. Was haben die denn hier zu suchen? Weihnachten ist noch gefühlte drei Monate entfernt. Der Christkindlmarkt öffnet ebenfalls seine Pforten, und das erste, was wir nach unserer Ankunft – noch mit den Koffern in der Hand – gefragt wurden, war: „Kommt ihr mit einen Glühwein trinken?“ Das klang für mich ungefähr so, als würde mich jemand im Juli am Strand von Ibiza fragen, ob ich mit ihm zum Eislaufen gehe. Außerdem mag ich sowieso keinen Glühwein.
Die nächsten Tage werden also noch hart. Jetlag ist ja so was wie Narkolepsie mit Ansage; mitten am Tag überfällt einen bleierne Müdigkeit, und wenn man sich für dreißig Minuten hinlegt, wird man drei Stunden später wach und fragt sich, ob es nicht schon früher Morgen und man aus unerfindlichen Gründen vollständig bekleidet ins Bett gegangen ist.
Am besten, man findet sich schnell wieder in seine Alltagsroutine ein. Und ich beginne an dieser Stelle damit, dass ich über den Film schreibe, den ich mir im Flugzeug angesehen habe:
Bad Moms
Amy (Mila Kunis) hat zwei Teenager-Kinder, einen Mann, der nur mit sich selbst beschäftigt ist, und einen Halbtagsjob, für den sie doppelt so viel arbeitet wie sie sollte. Von ihrem Leben und der Mutterrolle überfordert, verweigert sie sich eines Tages und gründet den Club der schlechten Mütter. Ab sofort bekommen die Kinder Fast Food mit in die Schule, für den Kuchenbasar werden schnell ein paar Windbeutel an der Tanke gekauft, und der nichtsnutzige Ehemann wird nach dem Bekanntwerden eines Seitensprungs vor die Tür gesetzt. Bei Gwendolyn, der konservativen, kontrollsüchtigen Vorsitzenden des Elternbeirats (Christina Applegate), kommt das nicht gut an, dafür findet Amy in Kiki (Kristen Bell) und Carla (Kathryn Hahn) neue Freundinnen, die ihrer Philosophie folgen. Als Amy von Gwendolyn gemobbt wird und gegen sie in der Wahl zum Elternbeirat antritt, eskaliert der Streit …
Seit einigen Jahren dominieren mehr und mehr Frauen die Komödie, und das ist gut so. Auf diese Weise eröffnen sich neue Themen und Blickwinkel auf unsere Gesellschaft und die Stellung der Frau darin – zumindest im besten Fall. Leider sind die erfolgreichsten Komödien mit weiblichen Hauptrollen in der Regel anders gestrickt und setzen auf die üblichen Muster der Selbsterniedrigung und Bloßstellung. Was bei den Männern schon funktioniert hat, muss bei Frauen schließlich auch gehen, oder?
Dabei ist die Grundidee von Bad Moms gut und spricht ein aktuelles gesellschaftliches Thema an. Immer mehr Frauen fühlen sich von ihrem Leben überfordert, reiben sich auf zwischen ihrem Beruf und ihrem nicht weniger anspruchsvollen Familienleben. Hinderlich vor allem ist ihr eigener Anspruch an Perfektion: Sie wollen eine gute Mutter sein, eine liebevolle Ehefrau, eine vorbildliche Arbeitnehmerin, sie wollen es allen recht machen und kommen dabei selbst zu kurz. Der Film schafft es in der Tat, Amys Überforderung in wenigen Szenen gekonnt und witzig auf den Punkt zu bringen, ihr permanentes Hetzen, ihr Rennen gegen die Uhr, ihr ewiger Wettlauf mit ihrer Vorstellung von dem perfekten Ich, den sie unweigerlich verliert. Doch schon während man Amy kennenlernt, erkennt man, wer dafür verantwortlich ist: Es ist niemand geringerer als sie selbst.
Die Überzeichnung ist ein wesentliches Merkmal der Komödie, und es ist durchaus witzig, Amys Kampf gegen die eigenen und gesellschaftlichen Ansprüche zu beobachten, aber man tut es mit einem zunehmend schlechten Gefühl. Warum verhält sie sich nur so verdammt masochistisch? Warum erledigt sie die Hausaufgaben ihrer Kinder? Warum lässt sie sich von ihrem Mann so geringschätzig behandeln? Warum lässt sie zu, dass sie an ihrem Arbeitsplatz so ausgebeutet wird? Auf all diese wichtigen Fragen findet der Film keine Antwort – weil ihm seine Charaktere im Grunde egal sind.
Amy ist die Karikatur einer arbeitenden Mutter, so wie Kiki die Karikatur eines Heimchens am Herd und Carla die einer Alleinerziehenden ist, der bereits alles egal ist, weil ihr Leben sowieso beschissen läuft. Die Macher des Films, Jon Lucas und Scott Moore, die für Buch und Regie verantwortlich sind, führen Amy vor, machen sich zuerst über ihr Elend lustig, schieben ihr die Verantwortung dafür in die Schuhe und diskreditieren sie anschließend noch in ihrem Versuch auszubrechen. Wenn Amy und die anderen irgendwann sagen: Mir reicht’s! und sich ihrer Rolle als aufopferungsvolle Mutter verweigern, fällt ihnen nicht mehr ein, als sich wie Männer zu verhalten, schlimmer noch, wie rüpelhafte Teenager. Auch das ist ein Trend der jüngeren Komödie, der auch in der x-ten Wiederholung nicht besser wird.
Die Ehemänner, sofern vorhanden, sind entweder kindisch, fordernd oder abwesend, nur der verwitwete und alleinerziehende Jessie (Jay Hernandez) macht eine gute Figur, ist souverän, entspannt und hat seine Vaterrolle im Griff. Im Grunde ist dieser Mann die perfekte Mutter, die Amy und die anderen Frauen gerne sein würden. Und natürlich ist er auch die Belohnung am Ende, wenn Amy ihre alkoholgeschwängerten Selbstreflexionen abgeschlossen hat und zu der Erkenntnis gekommen ist, dass man nicht unbedingt perfekt sein muss in dieser Welt und dass Frauen doch unbedingt zusammenhalten sollten. Das musste vermutlich noch einmal gesagt werden.
Bad Moms ist kein schlechter Film, er ist einfach nur eine durchschnittliche, pseudomoderne Komödie unserer Zeit, die ein aktuelles Thema aufgreift, mit einigen Kalendersprüchen kommentiert und zwischen all den schlechten Gags und missratenen Einfällen gelegentlich ein paar gute Witze versteckt. Sehenswert sind eigentlich nur Kristen Bell und Kathryn Hahn, die ihre Rollen mit Leidenschaft spielen und denen man gerne zuschaut. Mila Kunis müht sich redlich, ihre Amy ist aber viel zu oberflächlich angelegt und schafft es nicht, den verständlichen, aber überaus kindisch vorgetragenen, dabei aber durchaus berechtigten Protest einer modernen Mutter über ein herzhaftes: „Leckt mich doch!“ hinaus zu formulieren, weil die Suche nach den Gründen für ihre Überforderung ausbleibt. Dass nun ausgerechnet eine Mainstream-Hollywoodkomödie eine Lanze brechen will für all diese überforderten Frauen, die mit dem konservativen Frauenbild früherer Hollywoodfilme vor Augen aufgewachsen sind, entbehrt nicht einer gewissen Ironie. Man könnte es auch Heuchelei nennen.
Note: 4+