Der Abschied von Kalifornien fiel uns diesmal besonders schwer, da die Sonne vom makellos blauen Himmel schien und uns in Deutschland ohnehin nur ein grauer Winter erwartet, aber es hilft ja nichts, irgendwann geht eben jeder Urlaub einmal zu Ende. Immerhin bleiben uns noch drei Tage in Las Vegas und damit hoffentlich noch genug Zeit, das große Problem zu lösen, wie wir unser ganzes Gepäck nach Hause bekommen. Unsere Koffer haben nämlich allesamt Übergewicht, wir vermutlich auch, aber das ist eine andere Geschichte. Vermutlich muss ich mehrere Schichten Kleidung übereinander tragen und unseren Tortilla-Maker in der Hand halten. Warum muss das blöde Ding auch aus Aluminium-Guss sein?
Zunächst ging es am Sonntag nach einem unglaublich üppigen Frühstück mit Speck, Rühreiern mit Spargel und Spinat, French Toast und Bratkartoffeln, das unsere Freundin uns bereitet hatte, nach Las Vegas. Jetzt sind wir bereits zum dritten Mal während unseres Aufenthalts hier, und wieder einmal schafft es diese Stadt, einen zu überraschen. Diesmal mit einem Marathon, der am Sonntag stattfand und den Verkehr in der halben City lahmgelegt hat.
Es begann mit einem endlosen Stau auf der Autobahnabfahrt, dann war die Straße zum Hotel gesperrt, weshalb wir auf gut Glück fahren musste, denn mit dem ewigen „Bitte kehren Sie zur geplanten Route zurück“ vom Navi war auch keinem geholfen. Obwohl die Hauptsaison schon lange vorbei ist, mussten wir beim Check-in im Hotel ziemlich lange warten – aber Vegas ist eben zu allen Jahreszeiten beliebt, und im Augenblick herrschen hier angenehme spätsommerliche Temperaturen.
Weil Mark G. unbedingt noch einmal bei Wendy’s einen Burger essen wollte, machten wir uns am späten Nachmittag auf den Weg zur nächstgelegenen Filiale. Wegen der ganzen gesperrten Straßen ließen wir das Auto lieber gleich stehen und gingen zu Fuß, was nur eine knappe halbe Stunde gedauert hat. Unterwegs sieht man wenigstens ein bisschen was von der Gegend, in diesem Fall waren das eine trostlose Autobahnunterführung und Dutzende von Trödelläden, die euphorisch das Wort Antiquitäten im Namen führten, meistens aber nur Kleidung und Gebrauchsgegenstände aus den Fünfzigern bis Siebzigern im Sortiment hatten. Was man hier eben so antik nennt …
Mit der letzten Portion Fast Food im Bauch ging es im Dunkeln wieder zurück zum Hotel. Als wir aufgebrochen waren, waren gerade die letzten Läufer vor dem Hotel vorbeigezockelt – nun kehrten sie wieder zurück. Es waren Tausende, ein nicht enden wollender Strom abgekämpfter, verschwitzter und oft recht verbissen dreinschauender Menschen. Ich habe den Blödsinn, dass Laufen glücklich machen soll, ja ohnehin nie wirklich geglaubt. Das Problem war nur, jetzt die Straßenseite zu wechseln. Eigentlich hatte ich mir in einem Supermarkt noch etwas Wasser holen wollen, aber dafür hätte ich vermutlich eine Weile mitlaufen müssen.
Immerhin gab es eine Stelle, an der sich die Spreu vom Weizen und die Masse der Läufer in Voll- und Halbmarathon-Teilnehmer trennte. Die gesamte Strecke lief ohnehin nur ein Bruchteil der Sportler, so dass man zwischen den einzelnen Läufern noch schnell über die Straße sprinten konnte.
Am Straßenrand standen auch etliche Schaulustige, aber wirklich angefeuert haben die auch niemanden. Die Organisatoren wiederum waren zu beschäftigt, die Teilnehmer in die richtige Richtung zu schicken, da eine Strecke auf der rechten Seite der vierspurigen Straße verlief, ein anderer Teil aber auf der linken in die entgegengesetzte Richtung führte – schließlich soll ja keiner aus Versehen einen ganzen Marathon laufen oder am Ende in der Wüste landen.
Von unseren Zimmern im achtzehnten Stock konnte man ganz gut die Rennstrecke überblicken. Selbst eine Stunde nach unserer Rückkehr rannten sie immer noch wie bekloppt die Straße auf der einen Seite runter und auf der anderen wieder rauf. Und in der Mitte spielte auf einer kleinen Bühne eine Band Rock’n Roll. Leider nicht so gut, dass jemand hätte stehenbleiben und zuhören wollen, nur wir hatten leider keine Wahl …
Montag und Dienstag verliefen völlig ereignislos. Wir schliefen ein letztes Mal aus, ärgerten uns mit dem miserablen Internet herum (noch ein Grund, den Strip in Zukunft zu meiden), genossen noch einmal das heiße Wetter und verdrängten den Gedanken, dass wir in wenigen Tagen kurze Hosen und T-Shirts gegen Wintersachen eintauschen müssen. Und wir waren noch einmal beim Büffet im Green Valley Ranch Resort, wo ein Freund zu Beginn unseres Aufenthalts seinen Geburtstag gefeiert hat, um so gewissermaßen den Kreis zu schließen. Alles ist gut.
Diesmal verlasse ich die USA weniger wehmütig als sonst, sondern sehr nachdenklich und auch ein Stück weit besorgt. Das Jahr, über das wir nicht mehr sprechen wollen, hat uns eines vor Augen geführt: Unsere Welt befindet sich im Wandel, ob wir das mögen oder nicht. Ja, wir hatten einen tollen Urlaub, wir haben erneut die unglaublich vielseitige, spektakuläre und atemberaubend schöne Seite dieses Landes erleben dürfen, wir haben – ich habe versucht, mich in diesem Punkt etwas zurückzuhalten – auch kulinarisch wieder Neuland betreten und – immerhin ist dies ja eine Filmseite – auch tolle neue Hollywoodproduktionen gesehen. Über all dies darf man aber nicht die Augen vor dem verschließen, was um uns herum geschieht.
Auf unserer Rundreise sind wir durch viele ländliche und arme, wirtschaftlich abgehängte Gebiete gekommen, in denen viel Werbung für Trump gemacht wurde, aber nicht für Hillary. Ganz so überraschend kam sein Wahlsieg daher nicht. Wirklich beängstigend ist jedoch nicht nur Trumps Politik, von der man halten kann, was man will, sondern in erster Linie die Veränderung des gesellschaftlichen Klimas, die er bewirkt hat. Rassistische, fremden- und frauenfeindliche Bemerkungen sind dank Trump ein Stück weit salonfähig geworden. Eine gute Entschuldigung für alle Rüpel, nun so richtig vom Leder zu ziehen, und es vergeht fast kein Tag, an dem man nicht in den Medien und sozialen Netzen von Übergriffen auf Frauen oder Minderheiten hört.
Wenn ich mir all dies anschaue und dazu die vielen Obdachlosen auf den Straßen sehe, komme ich ins Grübeln, ob ich wirklich so bald wieder nach Amerika fahren möchte. Aber noch ist es zu früh, darüber nachzudenken. Jetzt heißt es erst einmal, Abschied zu nehmen von der Stadt der Sünde, die uns an unserem letzten Abend noch einmal mit einem spektakulären Abendrot überrascht hat. Das werden wir in Deutschland zwar auch haben, nur fehlen dort die Palmen im Vordergrund …