Unsere letzte Woche in L.A. ist angebrochen, und vermutlich werden diese sechs Tage im Nu vergehen. Ursprünglich hatten wir uns noch mit einer Freundin treffen wollen, die einige Zeit in Mexiko war und uns von dort einen Tortilla-Maker mitbringen sollte. Leider hatte sie jetzt doch keine Zeit mehr, hat uns das Gerät, das entfernt an ein Waffeleisen erinnert, aber zukommen lassen. Nachdem wir in den letzten Wochen hier in Los Angeles in diversen Märkten vergeblich danach gesucht und sie schließlich gebeten hatten, es uns zu besorgen, haben wir es natürlich prompt am Sonntag in einem Geschäft an der Plaza Méxiko gesehen – das ist wieder mal typisch.
Wer sich jetzt fragt, warum man unbedingt selbst Tortillas machen will, wenn es auch in Deutschland überall welche zu kaufen gibt, dem sei gesagt, dass man bei uns nur die Weizen-Tortillas gibt, die lediglich im Norden Mexikos gegessen werden und selbst dort nur zum Frühstück oder als Snack zum Dinner. Normalerweise nimmt man zum Kochen Mais-Tortillas, und die gibt es leider in Deutschland nicht zu kaufen. Also werde ich demnächst mal probieren, ob es wirklich so einfach ist, sie selbst herzustellen – die dafür notwendige Mischung bekommt man nämlich durchaus auch bei uns über einen Online-Shop.
Ansonsten haben wir die Woche ganz entspannt begonnen, indem wir lediglich im Kino waren:
Hacksaw Ridge
Desmond Doss (Andrew Garfield) wächst in den Dreißigerjahren in Virginia in einer sehr christlichen Familie auf. Sein Vater (Hugo Weaving) ist ein Kriegsveteran, der das Trauma des Krieges nie verarbeitet hat, zu viel trinkt und gelegentlich gewalttätig wird. Als Desmond beinahe seinen Bruder im Streit erschlägt, setzt ein Umdenkungsprozess ein, der ihm schließlich eine konsequent pazifistische Haltung abverlangt. Als der Zweite Weltkrieg ausbricht, meldet er sich freiwillig zum Kriegseinsatz, um als Sanitäter Menschenleben zu retten. Doch die Armee sieht vor, dass selbst ihre Sanitäter an der Waffe ausgebildet werden. Weil Desmond sich weigert, ein Gewehr in die Hand zu nehmen, gerät er schnell in Schwierigkeiten, kommt sogar vor Gericht – und zieht schließlich unbewaffnet in die Schlacht von Okinawa …
Die besten Geschichten schreibt bekanntlich das Leben selbst, und so erscheinen in schöner Regelmäßigkeit Filme, die auf dem Leben außergewöhnlicher Menschen basieren und viel abenteuerlicher und unglaublicher sind als selbst Hollywood es sich einfallen lässt. Dazu kann man auch die Geschichte von Desmond Doss rechnen, der zahlreichen verletzten Soldaten bei der Schlacht von Hacksaw Ridge das Leben gerettet hat, ohne jemals ein Gewehr abgefeuert zu haben.
Amerikaner lieben Geschichten von Menschen, die unter schwierigen Umständen großen Mut beweisen, und die Amerikaner haben bekanntlich ein Faible für Waffen und neigen dazu, ihr Militär zu glorifizieren. Umso bemerkenswerter ist es, dass dieser Film von einem durch und durch pazifistischen Mann handelt, der nicht nur in der Schlacht großen Mut beweist, sondern der vor allem auch gegen jeden Widerstand seitens seiner Vorgesetzten bereit ist, für seine Überzeugungen einzustehen. Möglicherweise gefällt der Film sogar Mitgliedern der Waffenlobby NRA, denn der Held bestreitet zumindest nicht das Recht jeden Amerikaners, eine Waffe zu tragen und im Verteidigungsfall auch zu benutzen.
Sogar Desmond erkennt, dass der Krieg gegen Nazi-Deutschland von enormer Wichtigkeit ist, dass man sich dem Gegner widersetzen muss – nur für sich persönlich schließt er jegliche Gewalt aus. Dabei ist Desmonds Pazifismus nicht anerzogen und nicht, im Gegensatz zum Beispiel zu der Einstellung der Quäker in dem Film Lockende Versuchung von 1956 eine ganz grundsätzliche, sondern beruht auf einer persönlichen Wandlung, die sich in letzter Konsequenz dem Zuschauer erst spät und in einer kurzen Rückblende enthüllt. Das wirkt ein wenig unbeholfen, weil sich der Film, von einer kleinen Rahmenhandlung abgesehen, ansonsten streng an die Chronologie der Ereignisse hält und ist angesichts der mit biblischer Wucht erzählten Anfangssequenz auch gar nicht notwendig. Aber dieses Manko fällt nicht ins Gewicht.
Die erste Hälfte des Films verläuft recht gemächlich und nimmt sich Zeit, Desmond und seine Familie vorzustellen. Man kann den Schmerz des Vaters verstehen, hervorragend von Hugo Weaving gespielt, der an den Schrecken des Krieges beinahe zerbrochen ist und auch nach Jahrzehnten noch den Verlust seiner besten Freunde betrauert. Rachel Griffith als Desmonds Mutter trägt mit ihrem christlichen Glauben viel zu seiner Haltung bei, vermag aber letzten Endes ebenso wenig wie seine Verlobte und spätere Ehefrau Dorothy (Teresa Palmer) den engagierten, idealistischen jungen Mann von seiner Idee, in den Krieg zu ziehen, abzuhalten.
Über weite Strecken funktioniert die Geschichte sogar wie ein Liebesfilm, und man sieht dem etwas linkischen Werben des jungen Mannes ebenso gerne zu wie seinen späteren Heldentaten. Es liegt vor allem an Andrew Garfield, der erneut unter Beweis stellt, dass er einer der intensivsten und dabei völlig unaufgeregtesten Schauspieler seiner Generation ist, der vollkommen in seiner Rolle aufzugehen scheint.
Während seiner Ausbildungszeit dreht sich alles um Desmonds Überzeugungen und wie er es schafft, sich gegenüber seinen Vorgesetzten durchzusetzen. Vince Vaugh liefert dabei eine seiner überzeugendsten Leistungen ab, und mit Sam Worthington taucht noch ein weiterer bekannter Name in der Besetzungsliste auf. Erstaunlich ist, wie ausgewogen diese Figuren dargestellt werden, das Drehbuch von Robert Schenkkan und Andrew Knight verzichtet erfreulicherweise auf nahezu jegliche Schwarz-Weiß-Malerei. Leider verliert man dann die meisten der zunächst sorgfältig eingeführten Nebenfiguren im Schlachtgetümmel aus dem Fokus.
Der zweite Teil des Films handelt dann allein von der Schlacht auf Okinawa, die von einer brutalen Eindringlichkeit und ungeheuren Intensität lebt. Man hat förmlich das Gefühl, mitten auf dem Schlachtfeld zu sein, die brennenden Leiber zu riechen, das Blut in der Luft zu schmecken. Als Regisseur neigte Mel Gibson ja schon immer zu etwas zu realistischen Gewaltdarstellungen, die diesmal aber dem Thema angemessen erscheinen.
Dass sich ausgerechnet jemand wie Gibson, der häufiger Probleme mit Gewalt in seinem Privatleben hatte, sich dieses Stoffes angenommen hat, überrascht ein wenig, vielleicht zeugt es ja, von einer veränderten Gesinnung. Gelegentlich zieht er die Erzählung ein wenig zu sehr in die Länge, was aber kaum auffällt, und gegen Ende kann er dem Pathos auch nicht ganz widerstehen, wenn er Desmond beinahe wie einen Heiland zwischen Himmel und Erde schweben lässt, aber das sei ihm verziehen.
Alles in allem ist Hacksaw Ridge sicherlich einer der intensivsten, packendsten und bewegendsten Filme des Jahres.
Note: 2+