Urlaub vom Urlaub

Unverhofft kommt oft: Am Sonntag fahren wir noch einmal für zwei Tage nach Las Vegas und machen danach einen Abstecher ins Death Valley. Zum einen weil unsere vier Freunde aus Deutschland ebenfalls in Las Vegas sein werden (Zufälle gibt’s …), zum anderen weil wir einen kurzen Urlaub vom Urlaub brauchen. Deshalb – und weil ich den Computer nicht an einen der heißesten Orte des Planeten mitnehmen will – wird es ein paar Tage lang keine Berichte geben.

Auch der Samstag verlief ziemlich unspektakulär. Wir waren im Kino und haben den Rest des Tages noch etwas Arbeit aufgeholt und Wäsche gewaschen. Spannend, ich weiß, aber wenn man so lange in Amerika ist, kann nicht jeder Tag ein Abenteuer sein. Gegessen haben wir vor allem Mexikanisch, hausgemachte Chili Rellenos, Molletes und (gekaufte) argentinische Empanadas, die ausgezeichnet waren. Molletes sind die mit Bohnenmus und Käse überbackenen Brötchen, die ich bereits erwähnt habe und die nicht, wie ich irrtümlich geschrieben habe, Melletes heißen. Ich sollte vielleicht doch mal Spanisch lernen …

Angesehen haben wir uns übrigens:

The Accountant

Christian Wolff (Ben Affleck) hat das Asperger-Syndrom, ist aber ein Mathe-Genie. Seine Kindheit war hart, da sein Vater, ein Armee-Offizier, nichts von alternativen Behandlungsmethoden hielt, sondern auf Drill und Disziplin schwor und seine beiden Söhne in Kampfsport unterrichten ließ, damit sie auf die raue Welt vorbereitet sind. Jahre später arbeitet Chris als Buchhalter und Steuerberater in seiner eigenen kleinen Kanzlei, doch das ist nur Tarnung, denn er verwaltet und wäscht das Geld für die schlimmsten Verbrecher auf diesem Planeten. Das erweckt die Aufmerksamkeit der Behörden: Ray King (J.K. Simmons) setzt eine Agentin (Cynthia Addai-Robinson) auf ihn an. Gleichzeitig bekommt Chris Probleme mit seinem neuesten Auftraggeber (John Lithgow), für den er die Bücher seiner Firma überprüft. Als Chris herausfindet, dass jemand aus dem Unternehmen viele Millionen Dollar unterschlagen hat, wird ein Profi-Killer (Jon Bernthal) auf ihn und die Firmenbuchhalterin (Anna Kendrick) angesetzt.

Der Trailer ist hervorragend, nicht nur weil er gut gemacht und effektiv montiert ist, sondern auch weil er nur sehr wenig über die Geschichte verrät. Man sollte am besten auch keinerlei Erwartungen an die Story haben, denn es ist sehr gut möglich, dass sie nicht erfüllt werden. So ist es mir gegangen, aber erstaunlicherweise war ich kein bisschen enttäuscht deswegen. Denn das, was Gavin O’Connor (Regie) und Bill Dubuque (Buch) zu erzählen haben, ist clever konstruiert, hervorragend in Szene gesetzt und durchweg spannend, bisweilen sogar überraschend.

Ben Affleck spielt seine Rolle gut, auch wenn die Art und Weise, wie seine autistische Figur präsentiert wird, voller Klischees ist. Nicht alle Menschen mit Asperger besitzen eine Inselbegabung oder haben so massive soziale Defizite. Bemerkenswert ist jedoch vor allem, wie Dubuque in seinem Buch die jeweiligen Figuren in Beziehung setzt, wie am Ende Verknüpfungen sichtbar werden, mit denen man nicht oder erst spät gerechnet hat. So wird immer wieder die Erwartungshaltung unterlaufen – und ja, auch gelegentlich der Zufall strapaziert. Das gilt vor allem für das Ende, aber darüber soll hier nichts verraten werden.

Eine zentrale Frage, die im Film mehrfach gestellt wird, lautet: Magst du Puzzle? Der Zuschauer sollte sie mit Ja beantworten können oder sich den Besuch des Kinos besser sparen, denn es wird schon ein wenig Detektivarbeit verlangt, um die einzelnen Teile einander zuzuordnen und miteinander zu verbinden. Das ist clever gemacht und steuert auf ein unerwartetes Finale zu, das einiges, was man zuvor gesehen hat, in einem etwas anderen Licht erscheinen lässt.

Leider ist das überraschende Ende dem Autor wichtiger als eine intensivere Auseinandersetzung mit den Figuren, was ein bisschen schade ist, denn es wäre beides möglich gewesen. Auch der Humor kommt insgesamt etwas zu kurz, was aber bei einem Thriller nicht so tragisch ist. Entscheidend ist, dass er von Anfang bis zum Ende spannend bleibt, und dieses Versprechen kann er einhalten.

Note: 2

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2016 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.