Der Samstag war ein reiner Fahrtag ohne größere Pausen oder gar längere Aufenthalte, um zu wandern oder etwas zu besichtigen, dabei gab es am Wegesrand schon das eine oder andere, was uns neugierig gemacht hat. So kamen wir zum Beispiel an der Kleinstadt Needles in Kalifornien, dicht hinter der Grenze zu Arizona, vorbei, die sich damit rühmte, die Heimat von Spike zu sein.
Wer ist Spike?, fragten wir uns. Und was hat er mit Snoopy von den Peanuts zu tun, der auf dem Plakat zu sehen war? Zum Glück gibt es das Internet, das auf alles eine Antwort hat: Spike, so haben wir herausgefunden, ist ein Bruder von Snoopy, der in Needles lebt. Warum gerade dort? Keine Ahnung, vielleicht weil in dem Kaff der Hund begraben ist. Jedenfalls war der Hund auf dem Plakat nicht Snoopy, auch wenn er ihm recht ähnlich sah.
Vor einigen Tagen, als wir noch in New Mexiko waren, fielen uns zudem zahlreiche seltsame Speicher auf, die mitten in der Wüste standen. Entfernt erinnerten sie an Wassertanks, aber warum sollte man so viele davon aufstellen? Um die Kühe zu tränken, die nirgendwo zu sehen waren? Und welche Bedeutung hatten die Industrieanlagen mit den vielen Rohren, die in den Boden führten? Unsere Vermutung, dass es sich hierbei um Fracking handelt, wurde durch eine rasche Internetrecherche tatsächlich bestätigt. Reisen bildet also doch.
Ein weiteres Rätsel waren diverse braune Schilder, die allgemein auf historische Gebäude oder Naturschönheiten hinweisen und die die Aufschrift: Harvey House trugen. Zuerst sahen wir es in Needles – die Stadt muss größer sein als angenommen – und dann noch einmal in Barstow. Unterwegs sind uns auch einige Häuser entgegengekommen, die auf LKWs transportiert wurden, aber so schnell können sie nun doch nicht ein denkmalgeschütztes Gebäude von einem Punkt zum anderen bringen, und wozu sollte es auch gut sein? Oder lebte dieser Mr. Harvey vielleicht an zwei verschiedenen Orten in Kalifornien, die sich nun beide damit rühmen, eines seiner Häuser zu besitzen? Möglicherweise sind sie auch ähnlich unsichtbar wie James Stewarts berühmtes Filmkaninchen gleichen Namens, und man will damit nur dumme Touristen zum Narren führen. Eine unserer Vermutungen kam nahe an die Wahrheit heran: Die Häuser gehörten zu einer Kette von Hotels, Restaurants und anderen Einrichtungen, die von der Fred Harvey Company entlang verschiedener Eisenbahnlinien erbaut wurden. Somit hat dieser Fred Harvey in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts die Restaurant- und Hotelkette erfunden und gehörte zu jenen, die die Zivilisation in den wilden Westen brachten. Und da wir eine Filmwebseite sind, will ich auch das nicht verschweigen: Das Musical The Harvey Girls von 1946 mit Judy Garland und Angela Landsbury, das auf einem Roman basierte, gewann sogar einen Oscar für den Besten Song …
Amerika mag ja ein relativ junger Staat sein und auch kein Problem damit zu haben, Altes abzureißen und Neues an seine Stelle zu bauen, aber es hat trotz allem auch ein ausgeprägtes Bewusstsein für seine Geschichte. So gibt es selbst in den kleinsten Orten Museen, die sich mit der regionalen Historie auseinandersetzen. Bemerkenswert war aber auch, dass sie daneben auch noch alle über ein eigenes Postamt verfügen. In Deutschland hat man ja inzwischen Mühe, einen Briefkasten zu finden, hier blühen und gedeihen die Post Offices jedoch nach wie vor – obwohl es auch Bestrebungen gibt, die Post zu privatisieren.
Wenn man auf Amerikas Straßen unterwegs ist, fallen einem außerdem noch die vielen geplatzten Reifen auf. Auch auf der Rückreise nach L.A. lagen zahllose größere und kleinere Fetzen mitten auf der Autobahn, was mitunter sogar gefährlich war. Einmal fuhr sogar ein Auto mit Wohnwagenanhänger vor uns, dessen Hinterrad heftig qualmte – was der Fahrer erst bemerkte, nachdem wir und andere Autofahrer ihn mit Lichtsignalen darauf hingewiesen hatten.
Was man auch zu Hauf auf und neben der Straße findet, sind tote Tiere. Meistens Eichhörnchen, Schlangen, Vögel oder Hasen, manchmal Hunde und sogar ganze Rehe fallen den Autos zum Opfer. Mitunter kommt es dabei auch zu Unfällen, von denen wir zum Glück verschont geblieben sind. Aber auch ohne plötzlich über die Fahrbahn huschende Tiere ist es gefährlicher geworden auf Amerikas Straßen. Verglichen mit vor elf Jahren fahren die Leute wesentlich rasanter und leichtsinniger. Gewagte Überholmanöver, Drängler und Raser – hin und wieder fühlt man sich tatsächlich wie zu Hause. Viele, vor allem ältere Amerikaner haben so ihre Probleme damit, und auch dem zunehmenden Tourismus stehen nicht alle positiv gegenüber. So hörte ich zufällig in einem Restaurant in Moab die Klage einer ca. achtzigjährigen Dame mit, die sich darüber beklagte, dass es keinen Spaß mehr mache, durch die Stadt zu fahren. Alles sei so furchtbar schnell und hektisch geworden, man könne während der Fahrt nicht mehr beobachten, was auf dem Bürgersteig vor sich gehe, und dann „diese verrückten Chinesen“ – in einem Moment stehen sie auf dem Gehweg, im nächsten springen sie plötzlich auf die Straße …