Am Freitagmorgen klingelte der Wecker schon um kurz vor sieben Uhr, damit wir uns den Sonnenaufgang hinter dem Hotel ansehen konnten. Es war nicht leicht, aus dem Bett zu kommen, aber wir haben es tatsächlich geschafft. Erstaunlich, wie viele Leute so früh aufstehen, um sich ein paar Felsen im ersten Morgenlicht anzusehen, aber als wir auf den Gang traten, waren bereits einige unterwegs, manche davon wirkten allerdings wie Zombies, die müde vor sich hin trotteten.
Leider mussten wir noch eine knappe halbe Stunde warten, bis die Sonne auftauchte, und als sie dann endlich den Horizont erreicht hatte, ging es plötzlich ganz schnell: Innerhalb von Minuten war der Zauber schon wieder vorbei. Zu dem Zeitpunkt stand bereits das halbe Hotel auf der Terrasse, und die andere Hälfte sah, in Decken gemummelt, von den Balkonen aus zu. Einige Japaner waren sogar mit Winterjacke, Mütze und Handschuhen ausgerüstet, was ein bisschen übertrieben war. Andererseits hatten wir auch nur sechs Grad.
Die Kälte hatte immerhin den Vorteil, dass wir richtig wach waren. Deshalb schlossen wir uns der Mehrheit an und gingen zum Frühstücksbüffet ins Restaurant. Leider gab es kein Frybread, dafür aber jede Menge andere leckere Sachen; insgesamt eines der besseren Frühstücke auf unserer Rundreise.
Gegen zehn Uhr brachen wir auf Richtung Grand Canyon, den wir ebenfalls schon einmal gesehen haben, den man sich aber immer wieder anschauen kann. Außerdem lag er quasi am Weg. Diesmal kamen wir vom östlichen Ende an und erlebten gleich unsere erste Überraschung: Dort gibt es nun nicht nur ein Visitor Center, sondern auch riesige Parkplätze, Souvenirläden und einen Anbau an den alten Wachturm, der scheinbar frisch renoviert wurde. Man kann nun nicht nur auf seine Spitze klettern, sondern sich auch den Grand Canyon von einer Aussichtsplattform aus anschauen. Nachdem der Eintritt zum Park auf dreißig Dollar pro Wagen erhöht wurde, wollen sie den Leuten wohl auch etwas bieten.
Außer uns kamen leider noch sehr viele andere Menschen auf die Idee, den Turm zu besteigen, und es führte nur eine einzige, enge Treppe nach oben, so dass man immer dem Gegenverkehr ausweichen musste – unvorstellbar, was für ein Gedränge es hier im Sommer geben muss. Dass die gesamte Anlage neu war, sah man auch daran, dass der Anbau, der in der Form eines Kiva gehalten ist, noch nicht gänzlich fertig ist. In einem der oberen Stockwerke arbeiteten die Maler noch fleißig an den Fresken, die natürlich den indianischen Symbolen und Petroglyphen nachempfunden sind. Das alles sieht ausgesprochen hübsch aus und zeugt von Liebe zum Detail.
Der einzige Nachteil ist, dass es überall von Touristen nur so wimmelte. Woher kommen nur diese Massen? Immerhin sind die Ferien vorbei und wir haben bereits Oktober, andererseits begann gerade das Wochenende. Es waren auf jeden Fall sehr viel mehr Asiaten unterwegs als noch vor elf Jahren. Uns sind mehrere große Reisegruppen begegnet, und die Anzahl der Busse auf den Parkplätzen spricht ebenfalls Bände. Wirklich schön ist das alles nicht. Man hat keine Ruhe, um die Schönheit der Natur zu genießen, wenn man Fotos machen will, drängeln sich links und rechts Menschen nach vorne, oder man muss warten, bevor man selbst zum Zuge kommt.
Am schlimmsten war es im Visitor Center, dessen Neuorganisation nun entfernt an Disneyland erinnerte: Die Parkplätze sind durchnummeriert und haben Tiere als Erkennungszeichen bekommen (zum Glück keine Cartoonfiguren), die Breite der Wege wurde mindestens verdreifacht, und es sind auch neue Toilettenhäuser hinzugekommen. Fehlten eigentlich nur ein paar Verkaufsbuden auf dem Weg zum Abgrund. Nur der Grand Canyon ist nach wie vor derselbe, und den Rand kann man leider auch nicht verbreitern, so dass es dort sehr eng und voll und laut wurde. Ungefähr so wie Venedig im Sommer. Also sind wir nur schnell hin, haben ein paar Fotos gemacht und sind sofort wieder verschwunden.
Wer seine Ruhe haben will, muss wandern. Nur so kann man die Schönheit der Natur aufnehmen und bewundern und bekommt ein Gespür dafür, wie Wind und Wasser eine einzigartige Landschaft geschaffen haben. Vielleicht wieder beim nächsten Mal.
Vom Grand Canyon aus war es dann nicht mehr allzu weit bis Williams, wo wir unsere letzte Nacht auf unserer Rundreise verbrachten. Auch hier hat sich durch den Touristenansturm einiges verändert, neue Hotels sind dazu gekommen, vermutlich auch unseres, aber so ganz sicher sind wir nicht, es könnte auch nur frisch renoviert sein. Das Städtchen selbst, das wir als verschlafen in Erinnerung hatten, machte einen etwas munteren Eindruck, nur die Anzahl und Qualität der Restaurants hat sich auf den ersten Blick nicht verbessert. Vor allem Fast Food-Ketten bestimmen das Bild, obwohl auch ein, zwei nette kleinere Lokale hinzugekommen sind. Vor elf Jahren gab es nur eine Pizzeria, die am späteren Abend noch geöffnet war, und fast alle Gäste dort waren Deutsche.
Zum Glück lag unser Hotel etwas außerhalb, und nur einen Steinwurf entfernt hat ein neues Restaurant aufgemacht, dessen Name Kicks on Route 66 an die andere touristische Attraktion erinnert, für die Williams bekannt ist. Wir hatten Salate als Vorspeisen, gefolgt von gegrilltem Huhn mit Limetten-Tequila-Sauce (Mark G.) und einer Hühnerpastete (für mich), die allesamt exzellent waren. Die Preise liegen zwar etwas über dem Durchschnitt, dafür fallen die Portionen etwas kleiner aus, und in Punkto Qualität war alles erstklassig, frisch zubereitet aus biologischen Zutaten und mit einem Hauch von Raffinesse serviert. Lecker war auch das Dessert – ein üppiger Schokoladen-Limetten-Käsekuchen. So kann eine Etappe unseres Urlaubs ruhig zu Ende gehen …
In diesem Jahr haben wir ja bis auf zwei Ausnahmen die großen und bekannten National Parks links liegen lassen und uns den kleineren Naturschönheiten gewidmet. Unser Fazit lautet: Viele davon brauchen sich hinter ihren berühmten Nachbarn nicht zu verstecken.