Immer wenn ich vor dem Morgengrauen aufstehe, weiß ich, dass ich im Urlaub bin. Leider war die Nacht zuvor relativ kurz, weil ein Nachbar, der tagsüber mit großer Begeisterung Schlagzeug spielt, lange bei offenem Fenster ferngesehen und von dem ständigen Trommeln offenbar bereits einen Hörschaden davongetragen hat. Und kaum war dort Ruhe eingekehrt, legten die Grillen oder Zikaden los …
Am späten Vormittag erreichten wir das verschlafene Wüstennest Baker, um dort eine kleine Rast einzulegen. Normalerweise wäre unser Zwischenstopp bei Peggy Sue’s gewesen, aber nachdem wir dort erst vor einer Woche gegessen haben, dachten wir uns, wir könnten einmal etwas Neues wagen. The Mad Greek ist ein Restaurant, das es seit über vierzig Jahren gibt, mittlerweile über eine Dependance in Primm Valley verfügt und uns von einer Freundin wärmstens empfohlen wurde. Die Werbeschilder des Griechen sind überall am Rand des Highways zu finden, und dort kann man lesen, dass sie das beste Gyros in den USA verkaufen. Das wollten wir einmal ausprobieren.
Natürlich arbeitet kein einziger Grieche dort, sondern nur jede Menge missmutiger Latinos, die den ganzen Tag über schauderhafte griechische Schlager hören müssen. Da würde wohl jeder verrückt werden. Die Einrichtung ist ganz in den Nationalfarben Blau und Weiß gehalten, und natürlich dürfen die üblichen kitschigen Statuen griechischer Gottheiten nicht fehlen. Darüber hinaus haben die Besitzer ein Faible für Sprüche – sie hängen überall, sogar die Balken sind mit irgendwelchen Weisheiten beschriftet. Das Interieur erinnert an ein klassisches Diner, man bestellt aber wie in einem Imbiss an der Theke – zu Preisen wie in einem Restaurant.
Am besten haben noch die Pommes Frites geschmeckt, die sehr knusperig und nicht zu fettig waren, das Tsatsiki hätte allerdings noch mehr Würze vertragen können, und über das Gyros, das in einem Schwarma-Brot serviert wurde, breiten wir besser den Mantel des Schweigens. Immerhin haben sie eine große Auswahl an Milk Shakes, mein Kokosnuss-Shake ließ aber auch zu wünschen übrig, und das Baklava sah aus, als wäre es vor Wochen gebacken worden. Was ihnen an kulinarischer Raffinesse fehlt, machen sie immerhin mit Selbstbewusstsein wieder wett. Wenn so das beste Gyros schmeckt, möchte ich nicht das zweitbeste probieren.
Es war irgendwie seltsam, am Strip vorbeizufahren, ohne länger zu bleiben, andererseits habe ich mich immer noch nicht von der Überdosis Las Vegas von vorletzter Woche erholt. Wir mussten jedoch einmal vom Highway runter, um zu tanken, haben uns dabei prompt verfahren und wären um ein Haar auf einer Air Force Basis gelandet. Am Ende waren wir froh, als die Stadt endlich hinter uns lag.
Auf dem Great Basin Highway ging es weiter in uns unbekannte Gebiete Nevadas. Die Wüste ist an manchen Stellen außerordentlich grün, es gab sogar zwei kleinere Seen, ein Vogelbeobachtungsgebiet und sogar etwas wie einen Wald aus verkrüppelten, zwergwüchsigen Bäumen. Insgesamt ist die Gegend jedoch eher eintönig, und die Straße ging immer geradeaus. Irgendwann bin ich dann eingeschlafen, und als ich wieder wach wurde, informierte mich Mark G., dass ich lediglich zwei Kurven und ein Denkmal für ein weißes Pferd verpasst hätte. Auffällig war, dass außer uns kein Mensch in diese Richtung fuhr, als wüssten alle anderen etwas, von dem wir noch keine Ahnung haben. Die Schilder warnten jedenfalls vor Pferden, Kühen und tieffliegenden Flugzeugen.
Am frühen Nachmittag erreichten wir dann schließlich Panaca, ein verschlafenes kleines Nest mit nur 963 Einwohnern, das in der Nähe des Cathedral Gorge State Parks liegt und in dem wir übernachten wollten. Obwohl sehr klein, verfügt der Ort immerhin über eine Schule, mindestens zwei Kirchen, einen Supermarkt, ein Fitnessstudio und ein Geschäft für Tierbedarf.
Nachdem wir die großen, berühmten Parks des Südwestens bereits alle gesehen haben, wollen wir uns auf unserer diesjährigen Rundreise vor allem den kleineren Schutzgebieten widmen, die man sonst eher links liegen lässt, weil die Zeit dafür nicht reicht. Gewissermaßen die B-Seiten der Naturschönheiten.
Bis zum Sonnenuntergang waren wir im State Park unterwegs, haben Unmengen an Fotos gemacht und die wildromantische Natur genossen.
Der Cathedral Gorge State Park, dessen Landschaft mit den zerklüfteten Felsen typisch für den amerikanischen Südwesten ist, erinnert ein wenig an Bryce, an den Red Rock Canyon in Kalifornien und auch etwas an den Kodachrome Park.
Das Gelände ist nicht so groß wie viele andere Parks, aber man kann dort durchaus einen Tag verbringen und wandern, und gerade gegen Abend kommen die Farben und Formen der Gesteinsformationen besonders gut zur Geltung.
Leider schloss der kleine Supermarkt schon sehr früh, ein Restaurant gab es nicht, und das einzig Essbare war an der örtlichen Tankstelle aufzutreiben, an der es penetrant nach Kuhstall roch. Die Auswahl war ziemlich überschaubar, so dass wir uns am Ende mit ein paar Sandwiches begnügen mussten. So war das fürchterliche Gyros vom verrückten Griechen tatsächlich das Beste, was es an dem Tag zu essen gab …