Fit und Fett in Vegas

usa5Um fünf Uhr morgens war die Nacht leider für uns zu Ende. Es wird wohl noch ein paar Tage dauern, bis wir den Jet Lag überwunden haben, aber das kennt man ja bereits. Kein Grund, sich nicht auf einen ausgedehnten Morgenspaziergang am Strip zu begeben. usa3Dummerweise hat Las Vegas kein Einsehen mit unserer Müdigkeit, denn nahezu alle Rolltreppen waren defekt oder wurden gerade gewartet, und das ewige Auf und Ab war ganz schön anstrengend, vor allem später, bei gut dreißig Grad im Schatten. Fit in Vegas. Ganz in der Nähe des City Centers befindet sich eine neue Parkanlage mit dem etwas einfallslosen Namen „The Park“, interessanten Skulpturen, Wasserspielen und der gestern bereits erwähnten neu gebauten T Mobile-Arena am Toshiba Plaza. Wie schon bei der Stichstraße, die zum Riesenrad führt, zeigt sich, dass auch abseits des Strips bzw. an dessen Rändern neue Flanierstrecken und Amüsiermeilen entstehen. Was bedeutet, dass es in Zukunft hier noch voller werden wird. Am Morgen war aber noch wenig los, die meisten Geschäfte warten ohnehin, bis die Besucher wieder einigermaßen nüchtern sind, bevor sie öffnen, die ersten „Marktschreier“ standen jedoch bereits am Straßenrand, um die üblichen Stripshows oder Rundflüge über den Grand Canyon feilzubieten. Diesmal wurde uns noch ein anderes, interessantes Angebot unterbreitet: der Besuch auf einem Schießstand. Ach ja, die Amis …

usa2Nachdem das Ü, wie in einem meiner früheren Reiseblogs berichtet, vor ein paar Jahren eine kurze Karriere in den Staaten gemacht hat, inzwischen aber schon wieder aus den diversen Ladennamen und Werbeslogans verschwunden ist, gibt es immerhin noch ein paar Deutsch-Englische-Wortschöpfungen zu entdecken: Das BeerHaus hat kürzlich seine Pforten geöffnet, und der Ausrichter einer bekannten Show nennt sich Spiegelworld.

usa6Auch kulinarisch versuchen sie, einen immer wieder mit Neuerungen zu überraschen. Nach den Cronuts, dieser Mischung aus Croissant und Doughnuts, folgt nun die Fusion der japanischen und mexikanischen Küche, die uns die ersten Sushi-Burritos serviert. Oder servieren wird, denn das Restaurant eröffnet erst im Dezember. Ansonsten ist es wenig empfehlenswert, Las Vegas auf nüchternem Magen zu erkunden. Die Kasinos sind seit einiger Zeit dazu übergegangen, Raumdüfte einzusetzen, auch um den Zigarettenrauch zu überdecken, da nach wie vor überall geraucht werden darf. Inzwischen habe ich aber den Verdacht, dass Restaurants Außendüfte benutzen, um Kunden anzulocken. Anders kann ich mir nicht den betörenden, aber immer gleichen Barbecue-Geruch erklären, der einem vor fast jedem Lokal entgegenweht.

usa4Wie schon gesagt, viele Geschäfte öffnen erst am späteren Vormittag. Ein Laden jedoch hat für die Gelüste seiner Kunden außerhalb der Öffnungszeiten eine Lösung gefunden: ein ATM für Cupcakes, natürlich in Quietschrosa. Wir haben die Produkte vor Jahren einmal mit Freunden in Beverly Hills getestet und waren entsetzt von den Unmengen an Zucker, die sie enthalten. Aber die Amerikaner lieben sie.

usa7Auf unserem Rundgang unternahmen wir auch einen Abstecher zu den Flamingos im gleichnamigen Hotel, die sich zahlreicher denn je in der lieblichen Gartenanlage tummeln. Auf den Gehsteigen dagegen tummeln sich lediglich die Imitatoren diverser Kinolegenden. Die Charaktere aus Disneys Die Eiskönigin erfreuen sich nach wie vor großer Beliebtheit, ansonsten trifft man vor allem auf Superhelden. Batman, Hulk und Deadpool lungerten an einer Straßenecke herum, als baldowerten sie gemeinsam etwas aus, und dann wäre ich noch beinahe von Elvis über den Haufen gefahren worden. Es war der fette Elvis mit Glitzeranzug aus seinen letzten Las Vegas-Jahren, der auf einem dieser kleinen Elektromobile saß, die an ein Mofa mit vier Rädern erinnern, und darauf ein wenig lächerlich wirkte. Wir sind ihm gestern Abend schon einmal begegnet, als er eine kleine Kostprobe seines Repertoires gegeben hat, und er ist wirklich gut bei Stimme. Allerdings ein lausiger Fahrer.

Nach so viel Bewegung hatten wir richtig Hunger, und was macht man in diesem Fall in Las Vegas? Richtig, man sucht sich ein Büffet. Weil wir nicht weit gehen wollten, entschieden wir uns für das im Excalibur, das wie das Hotel selbst vor ein paar Jahren eine Frischzellenkur erfahren hat. Preislich befindet es sich im Mittelfeld, qualitativ leider etwas darunter. Die Auswahl war mager, kulinarische Überraschungen Fehlanzeige, es gab die üblichen Stationen – Italienisch, Amerikanisch, Asiatisch und Mexikanisch – und eine riesige Desserttheke, die man aber getrost links liegen lassen kann. Neu ist, dass man sich seine Softdrinks nun selbst holen muss, aber ein bisschen Bewegung kann beim Schlemmen ja nicht schaden, sonst heißt es irgendwann: fett in Vegas.

Der Rest des Tages verlief weitgehend ereignislos. Wir statteten der weitläufigen Poollandschaft des Hotels einen Besuch ab, die leider ziemlich überlaufen war. Dabei kann man in dem hüfthohen Wasser nicht einmal schwimmen, ohne ständig mit den Füßen am Boden anzustoßen. Natürlich saßen vier bis fünf Bademeister am Beckenrand und behielten uns alle im Auge, damit keiner Gefahr lief, in der Pfütze zu ertrinken.

Am Abend unternahmen wir noch einen kleinen Einkaufsbummel am Strip, stöberten in einem Laden mit dem netten Namen Stupidiotic herum, der allerlei hintersinnigen und skurrilen Krimskrams feilbietet, von Ausstechformen in Zombiegestalt, Unterwäsche für zwei oder Nonsense-Schildern – lauter Dinge, die die Welt nicht braucht, die man aber gut an Menschen verschenken kann, wenn einem sonst nichts Besseres einfällt.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Mark G. & Pi Jay in La-La-Land 2016 von Pi Jay. Setze ein Lesezeichen zum Permalink.

Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.