Man lernt nie aus

Reden wir über Nancy Meyers. Was Frauen wollen, Was das Herz begehrt, Liebe braucht keine Ferien und Wenn Liebe so einfach wäre – ihre Filmtitel klingen immer nach der Trivialliteratur, die man in der Bahnhofsbuchhandlung findet, ganz so schlimm sind sie dann aber doch nicht – leicht, aber nicht seicht. Nancy Meyers macht Filme, die man gerne auf eine Tasse Tee in seine Küche einladen würde, sie sind sympathisch, fröhlich und aufgeweckt und Gott sei Dank nicht anstrengend. Wenn man genau hinschaut, findet man sogar immer ein Quäntchen Sozialkritik oder gar einen geschlechterkritischen Anstrich, so als hätte sie beim Schreiben einmal von weitem einer Feministin zugewinkt. Aber das ist völlig in Ordnung, schließlich handelt es sich bei ihren Filmen um Komödien über gestresste Großstädter auf der Suche nach der Liebe, die meistens hervorragend besetzt sind. Wie zum Beispiel ihr jüngster Film:

Man lernt nie aus

Ben (Robert De Niro) ist siebzig, Witwer und langweilt sich in seinem Leben. Deshalb bewirbt er sich als Senior-Praktikant bei einer aufstrebenden Mode-Internetfirma, die von der patenten Jules (Anne Hathaway) geleitet wird. Jules will es immer allen recht machen und perfekt sein, dabei kommt jedoch ihr Privatleben viel zu kurz, worunter ihre Familie leidet, besonders ihre kleine Tochter. Von Ben als Praktikant ist sie zuerst wenig begeistert, doch dann lernt sie mehr und mehr seine Fähigkeiten zu schätzen, seine Lebenserfahrung und Loyalität. Die beiden werden gute Freunde, und Ben hilft ihr, mit der größten Krise ihres Lebens fertig zu werden.

Böse Zungen sagen ja, die Filme von Nancy Meyers erkenne man immer an den Küchen. Tatsächlich kommen auch in Man lernt nie aus zwei besonders schöne Exemplare zur Geltung. Sämtliche Behausungen sehen ohnehin so aus, als wären sie gerade erst grundsaniert und vollkommen neu eingerichtet worden. Geldsorgen kennt niemand in der Welt der Nancy Meyers, und wenn doch, will man es gar nicht so genau wissen. In gewisser Weise sind ihre Filme die Fortsetzung der eleganten Gesellschaftskomödien der Dreißiger und Vierziger.

Anne Hathaway verkörpert hier eine erfolgreiche Geschäftsfrau, die mit der selbstzufriedenen Herablassung ihrer Geschlechtsgenossinnen konfrontiert wird, weil sie es wagt, ihren Erfolg über ihre Familie zu stellen. Selbsterfüllung findet sie nicht in der Mutterrolle, sondern in der des CEOs, weshalb man ihr nahelegt, einen solchen zu engagieren, damit sie sich mehr auf das Wesentliche – und vor allem auf ihre Ehe – konzentrieren kann. Interessant dabei ist, dass ausgerechnet Ben, der Dinosaurier, eine Lanze für die Emanzipation bricht und sie in ihrem Weg bestärkt.

Überhaupt ist Ben eine Seele von Mensch: Großzügig, verständnisvoll, gelassen und gelegentlich sogar weise. Man kann gut mit ihm reden, er ist kein Dummschwätzer, sondern steht zu seinem Wort, er arbeitet hart und lernt schnell – er ist in jeder Hinsicht perfekt. Ein bisschen zu perfekt sogar, da er absolut keine Angriffsfläche bietet, aber Nancy Meyers hatte sich ja ohnehin schon für das Thema Geschlechterdiskriminierung entschieden, für Altersdiskriminierung war da kein Platz mehr. Ansonsten wundert man sich, wie rasch Ben sich an die moderne Technik gewöhnt, wie problemlos er sich in die Materie des Onlineshoppings einarbeitet. An diesem Maßstab muss man sich als Praktikant messen lassen, aber ein klein wenig unfair ist der Vergleich ja doch, schließlich hat Ben als wohlhabender Rentner keine Geldsorgen. Leider kommt dieser Aspekt moderner Ausbeutung höchstens indirekt zur Rede.

Vor allem der Anfang des Films ist wunderbar, wie ein Herbstspaziergang im Sonnenschein. Man mag die schrulligen Menschen, die diese kleine Welt des Versandhandels bevölkern, man kann sehr gut verstehen, warum Ben sich in seiner Schöner Wohnen-Welt langweilt, und auch wenn Jules ihn am Anfang ablehnt, weiß man, dass sie schon bald die allerbesten Freunde sein werden. Und genau das ist das Problem: Man weiß von Anfang an, wie der Hase läuft. Es gibt keine Überraschungen, keine wirkliche Krise oder großartige Wandlung und auch keine überzeugende Auflösung. Am Ende steht nur die Erkenntnis, dass man seine Träume leben muss und sich alles andere dann schon von selbst finden wird. Wenn das Leben so einfach wäre. (So könnte der nächste Film von Nancy Meyers heißen.)

Unterwegs verzettelt sich die Autorin und Regisseurin ein wenig, es gibt zu viele kleinere Handlungsstränge, die nicht aufgelöst werden, einige seltsame Einfälle, einer davon schon beinahe ein wenig zotig, eine halbgare Liebesgeschichte zwischen Ben und der firmeneigenen Masseurin (Rene Russo), und darüber hinaus Plädoyers für Taschentücher und Freundschaften über Altersgrenzen hinweg. Das ist ganz schön viel, in der Summe jedoch überraschend wenig, dabei aber wunderbar anzusehen und von Anfang bis zum Schluss ungeheuer unterhaltsam. Ein typischer Filme von Nancy Meyers eben …

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.