Independence Day – Wiederkehr

Vor zwanzig Jahren kam Roland Emmerichs Independence Day ins Kino, eine lange Zeit, aber mir kommt es so vor, als sei es erst gestern gewesen. Na ja, vielleicht vor fünf oder sechs Jahren – aber immerhin. Ich studierte damals an der Filmakademie Ludwigsburg, und weil einige Studenten der Filmgestaltung unter Volker Engel an den Effekten des Films mitgearbeitet hatten, wurde dem Film besondere Aufmerksamkeit zuteil. Es gab eine Art Ausstellung, wenn ich mich richtig erinnere, und Volker und einige andere berichteten über ihre Arbeit in Hollywood. Die meisten von uns fanden den Film nicht besonders gelungen, einige hielten ihn sogar für richtig schlecht, aber die Effekte waren natürlich großartig.

Die Macher haben sich mit dem Sequel erstaunlich viel Zeit gelassen. Inzwischen hat es so viele andere Filme über Alieninvasionen und Weltuntergänge gegeben, und viele davon haben bei Emmerich abgekupfert, dass der Produktion das Alleinstellungsmerkmal fehlt. Hinzu kommt, dass der Regisseur den Kritikern einfach nichts recht machen kann, egal was er verfilmt, ob es eine Geschichte über Shakespeare (Anonymus) oder die Schwulenbewegung (Stonewall) ist, es wird regelmäßig verrissen. Denkbar schlechte Voraussetzungen also für eine Fortsetzung, und tatsächlich hat man seit dem Start kaum Gutes gehört.

Vergangene Woche, nach einem anstrengenden Tag, hatte ich dennoch Lust, mir den Film anzuschauen – um mitreden zu können, in der Hoffnung, dass er nicht so schlecht sein würde, und auch, weil mir an dem Tag einfach nach ein bisschen Action im Kino war …

Independence Day – Die Wiederkehr

Zwanzig Jahren nach der erfolgreich zurückgeschlagenen Alieninvasion lebt die Menschheit nach wie vor in Frieden miteinander. Dank der außerirdischen Technologie geht es dem Planeten besser, wurden neue Maschinen und Bauwerke konstruiert – und nicht zuletzt ein Abwehrsystem auf dem Mond installiert, damit sich die Ereignisse von 1996 nie wieder ereignen können. Zu den Piloten auf der Mondbasis gehören auch Jake (Liam Hemsworth) und sein Kumpel Floyd (Nicolas Wright) – und der Sohn des verstorbenen ID4-Helden Dylan Hiller (Jessie T. Usher), der mit Jake noch eine Rechnung offen hat. Während die letzten Waffensysteme errichtet werden, taucht erneut ein Alienraumschiff auf, wesentlich größer als beim letzten Mal. Wieder muss die Erde sämtliche Kräfte mobilisieren, um die technologisch überlegenen Eindringlinge zu bekämpfen.

In Interviews hat Roland Emmerich immer wieder gesagt, dass er keine Sequels mag und dass die äußeren Umstände (etwa durch die Anschläge vom 11. September) eine Fortsetzung auch inhaltlich schwierig machen würden. Warum also jetzt? Am Geld kann es nicht gelegen haben, an dem besonderen Jubiläum vermutlich auch nicht. Vielleicht war es die Überlegung, dass mit der heutigen Tricktechnik so viel mehr möglich ist als damals, die Chance, den einen Film, mit dem man auch nach so vielen Jahren immer noch als erstes in Verbindung gebracht wird, neu und besser zu inszenieren. Wir werden die wahren Gründe wohl nie erfahren.

Das Resultat ist ein typischer Emmerich-Film: technisch perfekt, aber aufgrund der mangelhaften Geschichte ziemlich seelenlos. Gerade weil es schon so viele Invasionsfilme in der Zwischenzeit gegeben hat, reicht es heute nicht mehr aus, dieselbe Story einfach noch einmal zu erzählen und nur die Größe des Raumschiffs dabei zu verändern. Ich fühlte mich die ganze Zeit an die Diskussionen um seinen Godzilla erinnert, den er mit dem Slogan „Seize does matter“ bewarb, woraufhin ihm ein Kritiker antwortete: „Plot does matter“.

In einem Interview mit Emmerich habe ich gelesen, dass die Zuschauer angeblich so in die Figuren des ersten Teils vernarrt gewesen seien, dass man diese unbedingt wieder mit dabei haben wollte. Will Smith hat bekanntlich abgelehnt, womit schon mal das bekannteste Gesicht fehlte. Aber Jeff Goldblum und Bill Pullman standen zur Verfügung und durften größere Parts übernehmen, nur wirkte ersterer reichlich lustlos, während letzterer in der ersten Hälfte einen derart verwirrten Auftritt absolvierte, dass man schon argwöhnte, seine Figur sei an Demenz erkrankt, um gegen Ende noch einmal den Helden zu mimen. Einzig Judd Hirsch schien noch derselbe zu sein – und stahl allen anderen prompt die Show. Der Rest der Weltenrettercrew besteht aus den heute im Kino üblichen Halbwüchsigen, denen man kaum zutraut, einen Wagen zu fahren, geschweige denn ein Raumschiff zu steuern.

Allen gemeinsam ist das erstaunliche Desinteresse der Autoren an ihnen. Persönliche Details werden nahezu vollständig ausgeblendet, Konflikte, sofern überhaupt etabliert, kommen nicht zum Tragen und lösen sich dann einfach in Luft auf, und wirklich sympathisch ist auch keiner von ihnen. Kein Wunder, dass man schnell das Interesse an dem Film verliert. Noch dazu wimmelt es von merkwürdigen Drehbucheinfällen, die an sich vielleicht nicht schlecht sind, aber so unzureichend umgesetzt werden, dass ihre Wirkung völlig verpufft. Bestes Beispiel ist die telepathische Verbindung mancher Figuren mit den Aliens, die nie erklärt wird, immer wieder zu „Visionen“ führt, die als Warnung dienen könnten, wenn sie nicht gleichzeitig mit dem Ereignis eintreten würden, das sie thematisieren. Hinzu kommen unglaublich hohle und schlechte Dialoge und ein Dauergequassel, dass man sich im Kinosessel nach der Mute-Taste seiner Fernbedienung sehnt. Das gesamte Drehbuch wirkt, als hätte es die Autorencrew an einem Wochenende lustlos heruntergetippt.

In einer Hinsicht hat Emmerich immerhin dazugelernt: Der penetrante Patriotismus, der den ersten Teil für Europäer so schwer erträglich gemacht hat, wurde auf ein erfreuliches Minimum reduziert. Abgesehen von ein paar Chinesen (ein wichtiger Markt!) ist die Rettung der Welt natürlich wieder Sache der Amerikaner. Auch das ist schade, denn so ist das ganze Gerede von einer Welt und einer gemeinsamen Herausforderung wieder nur ein Lippenbekenntnis.

Immerhin bietet der Showdown einige Schauwerte und solide Action. Am Ende deutet sich sogar eine Fortsetzung an, die ein gewisses Maß an Unterhaltung versprechen könnte, aber wohl nie realisiert werden dürfte. Hätte Emmerich sie nur gleich inszeniert statt diesen unausgegorenen Klon davorzusetzen …

Note: 5+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.