Vinyl

Wie ich gestern in meinem Beitrag über The Nice Guys bereits erwähnte, sind die Siebziger in Hollywood gerade schwer angesagt, und ich hoffe sehr, dass die Modewelt dies nicht aufgreift und die Schlaghose wieder salonfähig macht.

Eine Serie, die in dieser Dekade angesiedelt ist und sich mit der Rockmusik und der New Yorker Plattenindustrie beschäftigt, ist Vinyl. Die Produktion ist ein gemeinsames Kind von Mick Jagger und Martin Scorsese, der auch den Piloten inszenierte. Mit James Jagger spielte sogar eines der vielen Kinder der Rocklegende eine größere Rolle – natürlich als Sänger einer Band, die auf ihren Durchbruch hofft. Doch es geht nicht nur um fiktive Stars, sondern auch um reale, die der Geschichte einen Anstrich von Authentizität verleihen und meistens hervorragend gecastet sind. Es gibt sogar eine David Bowie-Tribute-Folge sowie eine absolut hinreißende und absurde, geradezu beängstigende Episode, in der der fette Las Vegas-Elvis auftritt. Der Soundtrack dürfte vermutlich nicht gerade billig gewesen sein.

Die Geschichte handelt von Richie Finestra (Bobby Cannavale), dem Boss eines Plattenlabels, das gerade in finanziellen Schwierigkeiten steckt und daher an Polygram verkauft werden soll. Der Deal würde alle Partner reich machen, doch Richie besinnt sich auf seine Anfänge und die Träume und Ideale, die er einst hatte. Er will einen neuen Anfang für sein Label, will wieder den Zauber und die Macht der Musik für sich entdecken und etwas bewirken. Deshalb schlägt er den Deal aus und begibt sich auf eine ungewisse Reise.

Bobby Cannavale ist die Entdeckung der Serie, ein Gesicht, das man schon sehr lange kennt, aber nie mit einem Namen verbunden hat. Er spielt so wunderbar lässig, großmäulig und gleichzeitig verletzlich, dass man ihm bereitwillig folgt, selbst in die düstersten Drogenexzesse und die absurdesten Alpträume, die sein Leben bestimmen.

Der Pilot von Martin Scorsese ist das Beste, was er seit vielen Jahren gedreht hat, eine kleine Hommage an frühere Werke wie Goodfellas oder Casino mit sehr viel groteskem Humor und einer Menge Gewalt. Leider nimmt die Qualität der Episoden danach kontinuierlich ab. Die Serie ist gut, keine Frage, sie ist auch später immer noch stellenweise komisch und abgründig, spanend und aberwitzig, aber leider kein Feuerwerk mehr. Das haben auch die HBO-Zuschauer gemerkt, weshalb die Quoten stetig sanken und der Sender die bereits geplante zweite Staffel abgesagt hat.

Dennoch lohnt sich die Serie, wegen ihrer Schauspieler, ihrer Musik und ihres wunderbaren Piloten. Und der Episode mit Elvis …

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.