Box Office FocUS Juni 2016

_focUS Innerhalb der „Big 3“ des Sommers, ist und war der Juni in jüngerer Vergangenheit immer das fünfte Rad am Wagen. Ein gewisser Harry Potter und sein finanziell schwächster Beitrag zur Serie, dürften da eine nicht unwichtige Rolle gespielt haben. Die Tentpoles wurden danach stets im Mai und Juli platziert, der Juni bekam die großen Pixars und war eher für die teuren Experimente vorgesehen,  bis dann im vergangenen Jahr eines der Experimente ausbrach und „Jurassic World“ zum erfolgreichsten Start der Kinogeschichte wurde. Ob sich die Verleiher von diesem Giganten in diesem Jahr inspirieren ließen?

Wochenende 23 vom 3. – 5. Juni 2016 

  • Eine der Überraschungen des Jahres 2014 war definitiv die Michael Bay-Produktion „Teenage Mutant Ninja Turtles“. Nach einem schwachen Sommer für Familienfilme und einem extrem leeren Juli, räumte der Film im August noch einmal voll ab und schlich sich verdächtig nah an die $200m-Grenze. Für Paramount wurde der Film zu einem großen Erfolg, weshalb nun, nur 2 Jahre später, das Sequel „Teenage Mutant Ninja Turtles 2: Out Of The Shadow“ fertiggestellt und bereit zum Angriff auf den Kinomarkt ist. Trotz eines Superbowl-Spots scheint die Transformers-Light-Variante mit Schildkröten, statt Robotern, nicht die erhoffte Aufmerksamkeit zu erregen. Zwar wurde der erste Trailer fleißig geklickt, das Interesse an Trailer #2 ging allerdings merklich zurück. Dies deutet auf eine eher schleppende Marketingkampagne hin. Eine gute Nachricht für den Film ist definitiv das durch die Bank enttäuschende Abschneiden der Filmstarts im Mai. Der Totalabsturz von Disneys „Alice im Wunderland 2“ und das mittelmäßige Feiertagswochenende des 9. Beitrags der X-Men Reihe, wird man in Hollywood wohlwollend zur Kenntnis genommen haben. Ob es am Ende noch hilft? Ich fürchte nicht. Ein schwacher Vorgänger und schlechte Kritiken haben schon andere ähnlich gelagerte Sequels letztendlich in die Knie gezwungen. $35m/$90m
  • Mehr als 8 Millionen Leserinnen und Leser können nicht irren.  Sie machten „Ein ganzes halbes Jahr“ zu einem absoluten Weltbestseller. Die Romanze des querschnittsgelähmten Will (Sam Claflin) und seiner Pflegerin Louisa ( Emilia Clarke) rührte sein Publikum zu Hause in den Wohnzimmern zu Tränen. Gleiches soll nun auch im Kino gelingen. Kein leichtes Unterfangen, in einer Zeit, in der Nicholas Sparks-Verfilmungen am absoluten Tiefpunkt angekommen sind. Höchste Zeit, dass „Ein ganzes halbes Jahr“ diese eingefahrenen thematischen Muster durchbricht und frischen Wind in das Genre bringt. Als einziger echter Frauenfilm des Sommers hat die von Warner verliehene $20 Mio-Produktion alle Zeit der Welt, sein Potential zu entfalten. Die ersten Kritiken mögen zwar nicht an den Überraschungshit „Das Schicksal ist ein mieser Verräter“ heranreichen, sind jedoch insgesamt sehr positiv, in einem von Männern bestimmten Geschäft eine gute Nachricht. In den USA mag die Buchvorlage nicht ganz so erfolgreich gewesen sein, wie in Europa (dennoch über 1 Mio verkaufter Exemplare) und somit nicht ganz so stark starten, aber mit seinem Alleinstellungsmerkmal Frauenfilm, könnte eine kleine Überraschung in Form von $20m/$85m warten.
  •  „The Lonely Island“, das ist ein Comedy-Trio, eine Band und vermutlich auch noch vieles mehr. Die Truppe um den Schauspieler und Comedian Andy Samberg, feiert seit nun schon 10 Jahren beachtliche Erfolge. Ihr mit Musikparodien geschmückter Youtube-Kanal ist einer der meistgeklickten überhaupt. Nachdem bereits im Jahr 2007 mit „Hot Rod“ der Gang auf die Kinoleinwand gewagt wurde, mit eher mäßigem Erfolg, versucht man es nun, fast ein Jahrzehnt später, mit „Popstar: Never Stop Never Stopping“ erneut. Die Komödie, die wohl als Parodie auf Justin Biebers Dokumentarfilme angelegt ist, kommt eigentlich ein paar Jahre zu spät. Bieber-Bashing gehört eher ins Jahr 2013 und ist heute eine eher eingestaubte Comedy-Masche. Das wird sich sicher auch am Einspiel zeigen. Der Trailer wurde zwar fleißig geklickt, kein Wunder bei dieser Abonnentenzahl, aber er gibt nicht allzu viel her, weswegen, abgesehen von den Hardcore-Fans, das Interesse eher mäßig ausfallen sollte. Trotz starker Kritiken. $6m/$13m

Wochenende 24 vom 10. – 12. Juni 2016

  • Vor fast genau 3 Jahren schaffte es „Conjuring: Die Heimsuchung“ völlig überraschend zum erfolgreichsten Horrorfilm seit „Schatten der Wahrheit“ im Jahr 2000 zu werden. Kein Wunder, dass mit „Conjuring 2“ nun auch eine  Fortsetzung gedreht wurde. Sehr spät, möchte man meinen. Aber die Produzenten haben den Fans die Zeit mit dem überaus erfolgreichen Prequel „Annabelle“ verkürzt, während Horrorkönig James Wan sich auf „Fast & Furious“ 7″ konzentrierte. Nun also kehrt er mit einem weiteren Grusler zurück auf die Leinwand. Die Fußstapfen sind groß, Filme wie „Ring 2“, „The Grudge 2“ oder „Blair Witch 2“ haben gezeigt, dass ein erfolgreicher Erstling keine Erfolgsgarantie für das Sequel darstellt, doch bisher wurde noch alles zu Gold, was Wan anfasste. Die Trailer wurden fleißig geklickt und sind wieder astreine Schocker, ohne Zweifel das Horrorfilmereignis des Jahres. Die Trackingwerte sind stark und die letzten Filme, bei denen Wan die Hände im Spiel hatte, wurden dort immer massiv unterschätzt. Die Horrorfans sind wohl ein sehr eigenes und schwer einzuschätzendes Völkchen. Sie werden wohl auch hier wieder alle überraschen und „Conjuring 2“ mit $45m/$105m  zu einem großen Erfolg machen.
  • Eine identische Geschichte hat auch der zweite Beitrag dieses Wochenendes zu bieten: Original 2013, erfolgreicher Langläufer, Sequel 2016. In diesem Fall würde man fast sagen, es kommt ein Jahr zu spät. „Die Unfassbaren: Now You See Me“ kam damals praktisch aus dem Nichts und erfreute seinen Verleih. Der temporeiche Heist-Thriller mit seinen smarten Protagonisten eroberte die Herzen seiner Fans und erhält mit „Die Unfassbaren 2“ das Sequel, das nach dem Ende von Teil 1 inhaltlich nur folgerichtig war. Regisseur Louis Leterrier und Hauptdarstellerin Isla Fisher verließen das Projekt und wurden durch Jon Chu und Lizzy Caplan ersetzt. Obendrauf gibt es noch den wohl bekanntesten Zauberlehrling aller Zeiten: Harry Potter. An einem vollen Wochenende wie diesem, muss man sehen, was der Film ausrichten kann. Als einer der wenigen Beiträge der letzten Zeit, die auch ein älteres Publikum ansprechen könnte, hat der Film zumindest gute Karten,die Nummer 2 des Wochenendes zu werden. Ein Start im Bereich des Vorgängers sollte das Ziel sein, das Endergebnis dürfte nach der langen Pause schwer erreichbar sein. $33m/$90m
  • Der dritte Bewerber für einen Startplatz an diesem Wochenende ist „Warcraft: The Beginning“. Der Titel deutet es an, der Verleih hofft hier, verständlicherweise und bei einem Budget von $160Mio, auf ein neues Franchise. Anfänglich sah alles recht gut aus, man verpflichtete immerhin einen erfolgsversprechenden Nachwuchsregisseur, Duncan Jones. Auch wenn Computerspielverfilmungen einen schweren Stand an den Kinokassen haben, waren viele der Meinung, dass dieser Fluch nun endlich gebrochen werden könnte. Die künstlich wirkenden Trailer brachten dann den Dämpfer und auch erste Fanreaktionen von der Comic Con waren nicht das, was man erhoffte. Der Film wurde irgendwann als  „Problem-Film“ eingestuft. Und das ist er auch heute noch. Zwar gab es im fantasyfreundlichen Europa respektable Starts, in den USA dürften sich die schlechten Kritiken dagegen langsam herumgesprochen haben und auch allgemein scheinen Filme dieser Art dort oftmals schlechter zu funktionieren. An diesem Wochenende wird wohl außer den Hardcore-Fans, kaum jemand den Kinosaal aufsuchen, sodass am Ende nicht mehr als $25m/$60m zu erwarten sind.

Wochenende 25 vom 17. – 19. Juni 2016 

  • Vor 16 Jahren, im Jahr 2003, ging der Stern Pixars endgültig auf. Gleichzeitig ging es für Millionen von Clownsfischen den Abfluss hinunter. Es kann eben nicht nur Gewinner geben. „Findet Nemo“ ist noch heute der zuschauerstärkste Film des Animationsstudios, der größte Schatz sozusagen. Da man bei Pixar nach eisernem Dagegenhalten in den ersten Jahren der Sequelitis widerstehen konnte, hat man sich für „Findet Dorie“ wahrlich genug Zeit gelassen. 13 Jahre sind eine verdammt lange Zeit, die „Toys Story 3“ vor 6 Jahren allerdings auch nicht geschadet hat. Auch das „Monster AG“ Sequel hat davon keinen Schaden genommen. Woran es dem Studio in der Vergangeheit immer öfter mangelt, ist Qualität. Filme wie „Der Gute Dinosaurier“ häufen sich. Mittelmaß, das mit dem schwächsten Abschneiden der Firmengeschichte bestraft wurde. Für die Fortsetzung konnte man wieder Regisseur Andrew Stanton gewinnen, der sich nach seinem John Carter-Flop zurück ins Animationsstudio wagt. Die Trailer waren, wie so oft bei Pixar, keine Offenbarung. Erst der Neueste bewies, wie viel Potential in diesem Sequel steckt, bei dem sich Dorie auf die Suche nach ihren Ursprüngen macht. „Inside Out“ zeigte im vergangenen Juni, was Pixar zu diesem Termin noch drauf hat und nach all den Enttäuschungen des bisherigen Sommers muss ja endlich mal der Film kommen, auf den alle gewartet haben. Ich glaube, er ist nun da. $115m/$410m

    Es gibt Jahre, da folgt im Sommer eine Komödie der anderen. In diesem Jahr haben sich viele Studios eher auf Sequels, als auf Originalstoffe konzentriert. Eine Sequelmüdigkeit lässt sich in den letzten Wochen ganz eindeutig an den Einspielergebnissen ablesen. Da kommt Warners „Central Intelligence“ gerade zum rechten Zeitpunkt. Die Buddy-Actionkomödie mit Actionstar Dwayne Johnson und Comedian Kevin Hart, sticht aus all dem Einheitsbrei aus Superhelden  eindeutig heraus und könnte vor allem bei Latinos und Afro-Amerikanern richtig abräumen. Regie führt Komödienspezialist Rawson Marshall Turber, der vor 3 Jahren mit „Wir sind die Millers“ den richtigen Ton und damit den Geschmack der Zuschauer getroffen hatte. Alles spricht für die PG-13 Komödie, die an diesem Wochenende hervorragend als Counter-Programming funktionieren sollte. Der letzte Juni hat gezeigt, dass auch zwei Boxoffice-Giganten nebeneinander existieren können. Vielleicht sind es am nächsten Wochenende dann sogar derer drei. $50m/$185m

Wochenende 26 vom 24. – 26. Juni 2016

  • Kaum zu glauben, 20 Jahre ist es her, seit Roland Emmerich mit „Independence Day“ neue optische Maßstäbe setzte und in die Riege der Top-Regisseure Hollywoods aufstieg. Der Katastrophenspezialist aus dem Schwabenland will es noch einmal wissen und erzählt in „Independence Day: Wiederkehr“ vom nächsten Angriff der Außerirdischen, die hoffentlich diesmal ihr Antivirenprogramm auf dem neuesten Stand haben. Nicht nur für Emmerich wurde der Film zum Durchbruch, auch der charismatische Will Smith startete mit dem wohl amerikanischsten Film aller Zeiten eine außergewöhnliche Kinokarriere, bis hin zum bestbezahltesten Schauspieler der Welt. Dies soll auch einer der Gründe sein, weswegen Smith im Sequel nicht dabei ist. Die Hauptrollen übernimmt die nächste Generation. Zur Zeit des Castings schien Liam Hemsworth eine gute Idee, doch geblendet von Hype der Hunger Games-Filme hat man wohl übersehen, dass es Hemsworth schlicht an Charisma fehlt, den Film zu tragen. So scheint es, dass, was einst wie ein Megablockbuster a la „Jurassic World“ schien, nicht zu erwarten ist. Die Onlineaktivität ist recht verhalten und das allgemeine Interesse hält sich in Grenzen. Auch der Termin 10 Tage vor dem ID-Wochenende scheint nicht optimal, verhilft dem Film aber vielleicht zu einer anständigen Laufzeit. Die USA werden ohnehin eine untergeordnete Rolle im weltweiten Boxoffice spielen, da wären $85m/$215m zumindest ein netter Bonus.
  • Den Abschluss im Juni macht Matthew McConaughey im Bürgerkriegsdrama „Free States of Jones“. Die vierte Regiearbeit von Gary Ross (Pleasantville, Seabiscuit und Die Tribute von Panem) sticht, wie auch „Central Intelligence“, thematisch aus dem Sommereinheitsprogramm heraus. STX Entertainment, eines der wenigen Independent-Studios, die in diesem Sommer den Aufstand gegen die Großen wagen, spendierte dem Film mit $65Mio das größte Budget seiner Firmengeschichte und zeigt somit zumindest eine Menge Mut. Basierend auf einer wahren Begebenheit, erzählt der Film die Geschichte des Südstaaten-Rebellen Newton Knight, der sich als Deserteur gegen die Konföderierten Staaten von Amerika stellte und ganz nebenbei eine gemischtrassige Gemeinschaft gründete und eine ehemalige Sklavin heiratete. Genug Zündstoff, um Aufmerksamkeit zu erregen. Der Film mag zwar zwischen all den Großproduktionen eingeschlossen wirken, vielleicht hilft ihm aber gerade sein Alleistellungsmerkmal als Erwachsenenfilm 45+, auch an den Kinokassen eine größere Rolle zu spielen. Vielleicht geht es ja am Ende, gute Kritiken sind da Vorraussetzung, in Richtung 12 Years a Slave. $14m/$50m

Das war also der Juni. Ein weiteres Sammelsurium an Sequels, Superhelden und Adaptionen. Wir werden Hits erleben, wir werden Flops erleben. Wie lange diese Strategie der Verleiher noch gut geht, das wird die Zukunft zeigen. Vielleicht liefert der Juni auch einfach nur geballt Sequels, nach denen keiner gefragt hat und im Juli und August stehen uns einige Überraschungen ins Haus. Oder ich war einfach zu pessimistisch in meiner Einschätzung, das wäre die Variante, auf die man als Filmfan hoffen sollte oder vielleicht auch gerade nicht. Wir werden sehen.