Seit ich kein Privatfernsehen mehr schaue, sehe ich auch keine Werbung mehr, was meiner Meinung nach ein großer Gewinn ist. Hin und wieder, wenn es tatsächlich mal einen originellen Spot gibt, werde ich zwar gefragt, ob ich diese „tolle Reklame“ gesehen hätte, aber für mich sind diese Worte immer ein Widerspruch in sich. Werbung nervt, vor allem, wenn man sie immer und immer wieder vorgesetzt bekommt. Aber manchmal erfüllt sie auch ihren Zweck, macht neugierig und verführt zum Konsum. Bei The Night Manager konnte man der Präsenz in den sozialen Medien kaum entkommen, und da mir die meisten John Le Carré-Verfilmungen ganz gut gefallen habe, wollte ich zumindest einmal reinschauen …
The Night Manager
Jonathan Pine (Tom Hiddleston) arbeitet an der Rezeption eines Kairoer Luxushotels, wo er sich in die Geliebte des zwielichtigen ägyptischen Geschäftsmannes Freddie Hamid (David Avery) verliebt. Als sie ihm eines Tages brisante Informationen zusteckt, leitet er diese an einen Freund in der britischen Botschaft weiter und gerät so in den Fokus des Geheimdienstes. Doch die Sache geht schief, seine Freundin wird ermordet, und Pine verlässt das Land. Ein paar Jahre später arbeitet er in der Schweiz und trifft dort zufällig den britischen Milliardär Richard Roper (Hugh Laurie), der in Kairo mit Hamid Geschäfte macht. Wieder lässt er dem Geheimdienst brisantes Material zukommen – und wird von Angela Burr (Olivia Colman) schließlich angeworben. Mit einer neuen Vita versehen, wird Pine in Ropers Organisation eingeschleust …
John Le Carré ist für seine Spionagethriller berühmt, dieser Roman von 1993 zählt aber zu seinen späteren Werken und wurde in der Adaption den augenblicklichen politischen Entwicklungen im Nahen Osten angepasst. Im Kern geht es um westliche Geschäftsleute, die sich nach außen hin wohltätig geben, unter ihrer biederen Fassade aber in den Waffenhandel verstrickt sind. Statt feindlicher Spione jagen die Geheimdienste nun Wirtschaftskriminelle und das organisierte Verbrechen.
Tom Hiddleston macht als Undercoveragent eine erstaunlich gute Figur und könnte sogar als Nachfolger von Daniel Craig als James Bond infrage kommen, auch wenn ihm dafür vielleicht das nötige Charisma fehlt. Als Jonathan Pine mag man ihn in seiner unaufgeregten, sehr britischen Art von der ersten Minute an, wovon die Serie stark profitiert, denn die ersten zwei Folgen stellen die Geduld des Zuschauers arg auf die Probe. Es dauert ziemlich lange, bis alle Figuren vorgestellt sind, und was an Handlung geboten wird, entspricht den üblichen Stereotypen des Genres. Auch Hugh Laurie als Bösewicht – die Rolle steht ihm immer noch gut – taucht erst relativ spät auf.
Im weiteren Verlauf gewinnt die Serie jedoch an Spannung und Dramatik und erreicht einen leider etwas verfrühten Höhepunkt, bevor sie dann weniger dramatisch als erhofft zu Ende geht. Die Auflösung ist, wie man sie erwartet hat, und alles in allem sehr zufriedenstellend. Die Darsteller sind gut bis sehr gut, Olivia Colman als Ermittlerin beweist einmal mehr, dass sie ihren Figuren Ecken und Kanten zu verleihen vermag (wovon schon Broadchurch profitierte), und Tom Hollander spielt wieder einmal einen äußerst fiesen, kleinen Mann. Hat man alles schon gesehen, mag man aber immer noch.
Alles in allem eine recht spannende, durch und durch solide und doch ein wenig andere Agentengeschichte.
Nächste Woche erscheinen leider keine Corner-Beiträge – ich nutze das Pfingstwochenende, um einmal ein paar Tage auszuspannen …