The First Avenger: Civil War

Die Comicverfilmungen in diesem Jahr sind besonders konfliktreich. Zuerst hatten sich Superman und Batman in der Wolle, und nun kracht es auch noch bei den Avengers. Gibt es nicht genug Schurken zu bekämpfen, dass sie sich gegenseitig das Leben schwer machen müssen, oder suchen die Macher nur nach Möglichkeiten, um die ewigen Fragen der Fans nach der Überlegenheit des einen Helden über den anderen zu beantworten? Wer schon immer wissen wollte, wer der Stärkere ist – Iron Man oder Captain America – hat seit dem Wochenende Gelegenheit, seine Neugier zu befriedigen.

The First Avenger: Civil War

Nach mehreren Zwischenfällen, in die die Avengers verwickelt waren und die teilweise hohe Kollateralschäden zur Folge hatten, wird von den Superhelden verlangt, ihre zukünftigen Einsätze von der Zustimmung eines neu zu schaffende Gremiums genehmigen zu lassen. Captain America (Chris Evans) ist dagegen, weil er staatliche Gängelung befürchtet, Iron Man (Robert Downey Jr.) dafür, weil sie auf diese Weise wenigstens noch ein bisschen Kontrolle behalten. Über diese Frage kommt es zuerst zum Streit, später zum Bruch innerhalb der Superheldengruppe. Als ein Bombenattentat verübt wird, hält die Welt den Winter Soldier Bucky Barnes (Sebastian Stan) für den Schuldigen, doch Captain America findet heraus, dass es nicht sein alter Freund und Widersacher war, und hilft ihm zu fliehen. Damit stellt er sich gegen die Strafverfolgungsbehörden und wird bald von seinen eigenen Leuten verfolgt …

Kaum dreht man der Superheldentruppe einmal den Rücken zu, haben sie bereits wieder neue Rekruten am Start. Immerhin sind zwei der Neuen alte Bekannte: Neben Ant-Man (Paul Rudd) darf nach langen juristischen Auseinandersetzungen Spider-Man endlich seinen Platz bei den Avengers einnehmen und sorgt mit seinen kurzen Auftritten für viel Vergnügen. Schade nur, dass sie mit Tom Holland keinen charismatischeren Darsteller gefunden haben, verglichen mit seinen Vorgängern bleibt er doch ziemlich blass. Neu dabei ist auch Black Panther (Chadwick Boseman), dessen Name ein schweres politisches Erbe mit sich bringt.

„Wir bleiben doch trotzdem Freunde?“, fragt Black Widow (Scarlett Johannsson) mitten im Kampfgetümmel Hawkeye (Jeremy Renner) und bringt damit das Grundproblem der Geschichte auf den Punkt. Selbst wenn sie sich gegenseitig vermöbeln, hat man als Zuschauer nie das Gefühl, dass es wirklich ernsthaft zur Sache geht. Die Clique hat ein paar Meinungsverschiedenheiten und neigt dazu, ein bisschen über zu reagieren, aber eine echte Feindschaft sieht anders aus. Daher ist der Titel des Films schon mal eine Mogelpackung – ein Bürgerkrieg sieht nun wirklich anders aus.

Immerhin ist die Keilerei auf dem menschenleeren Leipziger Flughafen das Beste am Film, ein einsamer Action-Höhepunkt lange vor dem Ende des Abenteuers. Spannend ist es auch davor und danach einigermaßen, aber nie wieder so eindringlich, effektgeladen und humorvoll wie in dieser Sequenz. Und das führt zwangsläufig zu der großen Leerstelle der Story: Es gibt mit Daniel Brühls Zimo einen extrem zurückhaltenden Bösewicht, von dem behauptet wird, dass er im Hintergrund die Strippen zieht, was man jedoch nur bedingt nachvollziehen kann. Hier fehlt es der Geschichte leider völlig an Raffinesse, was wirklich schade ist, denn die Ansätze sind durchaus vorhanden. Ein Superheldenfilm ist nun mal immer nur so gut wie der zu bekämpfende Schurke, und so sinister sind Zimos Pläne gar nicht, im Gegenteil, er tut den Avengers gegen Ende hin sogar einen großen Gefallen. Und die Spaltung der Gruppe hat schon viel früher begonnen und andere Ursachen.

Grundsätzlich wäre dieser Konflikt innerhalb einer Clique von Freunden (noch dazu solchen mit besonderen Fähigkeiten) hochspannend, wenn die Macher ihn nur wirklich ernst nehmen würden. Aber das tun selbst die Figuren nicht, die einen überdies auch leider ziemlich kalt lassen. Captain America betrauert seine einstige große Liebe und knüpft neue zarte Bande, was sich aber bereits in einem früheren Film schon angekündigt hat. Verglichen mit der politischen Entwicklung kommt sein Privatleben nur im Schneckentempo voran, auf der Strecke bleibt dabei das, was wirklich interessant ist, nämlich die Frage nach dem Menschen unter dem Kostüm, nach dem, was er vor der Welt zu verbergen hat.

Das gilt auch für fast alle anderen Figuren, und wenn einmal dieser Frage nachgegangen wird, ist die Antwort immer dieselbe: Ein traumatischer Verlust in der Familie hat nahezu jeder zu beklagen, und natürlich fußt die gesamte psychologische Entwicklung einer Figur darauf. Abgesehen davon, dass das die reinste Küchenpsychologie ist, hat man bei all den verlassenen oder enttäuschten Waisenkindern, die ihre Vergangenheit aufarbeiten müssen, manchmal das Gefühl, einer Selbsthilfegruppe zuzusehen.

Aber all diesen Schwächen zum Trotz ist The First Avenger: Civil War kein schlechter Film geworden. Er hätte nur besser sein können. Immerhin langweilt man sich nicht und bekommt für sein Geld jede Menge Superhelden und Action geboten, auch wenn nur der große Kampf der Bande untereinander in Erinnerung bleiben wird. Dafür allein lohnt sich der Kinobesuch jedoch allemal.

Note: 3+

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Über Pi Jay

Ein Mann des geschriebenen Wortes, der mit fünfzehn Jahren unbedingt eines werden wollte: Romanautor. Statt dessen arbeitete er einige Zeit bei einer Tageszeitung, bekam eine wöchentliche Serie - und suchte sich nach zwei Jahren einen neuen Job. Nach Umwegen in einem Kaltwalzwerk und dem Öffentlichen Dienst bewarb er sich erfolgreich an der Filmakademie Baden-Württemberg in Ludwigsburg. Er drehte selbst einige Kurzfilme und schrieb die Bücher für ein halbes Dutzend weitere. Inzwischen arbeitet er als Drehbuchautor, Lektor und Dozent für Drehbuch und Dramaturgie - und hat bislang fünf Romane veröffentlicht.